In der Big Box in Kempten klingelt ständig das Telefon. Wann es endlich Karten gibt, fragen Fans. Welche Kontingente sie buchen können, fragen Busunternehmen. Ob sie die Schauspieler frisieren dürfen, fragen Friseure. Dabei wissen die Mitarbeiter der größten Veranstaltungshalle im Allgäu auch nicht viel. Nur: "Es findet definitiv statt", sagt Sprecherin Monika Moras.
Drei Jahre nach der Insolvenz des zweiten Musicals über den Märchenkönig will es Gerd Fischer noch einmal versuchen. Diesmal in Kempten. "Ludwig - Der König kommt zurück" wird das Musical heißen. Am 7. Juli 2011 soll Premiere sein. "Faszinierender und aufregender als jemals zuvor", verspricht das Plakat.
"Das wird eine wunderbare Show", schwärmt natürlich auch Gerd Fischer, der schon 2005 Produzent von "Ludwig 2" war. 70 Prozent des damaligen Ensembles seien wieder mit von der Partie: "Viele haben sofort Ja gesagt. Und einige bemühen sich noch, aus ihren jetzigen Engagements früher rauszukommen."
Die Premiere des ersten König-Ludwig-Musicals "Sehnsucht nach dem Paradies" ist zehn Jahre her. Produzent und Regisseur Stephan Barbarino wollte damals mit seiner Frau Josephine, der Architektin des Festspielhauses, ganz großes Theater ins Allgäu bringen. Für 80 Millionen Mark wurde ein 45.000 Quadratmeter großes Grundstück im Forggensee aufgeschüttet und ein gigantisches Musicalhaus mit Barockgarten gebaut.
Zweitgrößter Arbeitgeber der Stadt Füssen
Am 7. April 2000 feierten Fans und Prominente die Weltpremiere. Damals war monatelang kein Hotelzimmer in Füssen zu bekommen, im ersten Jahr wuchsen die Gästezahlen in Füssen um 70 Prozent. Das Musical war mit über 300 Arbeitsplätzen der zweitgrößte Arbeitgeber der Stadt. Schnell war da vergessen, dass die Füssener 1996 in einem Bürgerentscheid mit weniger als 55 Prozent nur knapp für das Musical gestimmt hatten und dass Anwohner beim Augsburger Verwaltungsgericht 1999 einen vorübergehenden Baustopp für das Theater erreicht hatten.
Nach 1500 Aufführungen mit 1,5 Millionen Besuchern hieß es dann: Insolvenz. Offenbar war man zu verschwenderisch mit dem Geld umgegangen. Am Silvesterabend 2003 fiel der letzte Vorhang. Die Bilanz: 24 Millionen Euro Schulden, 330 Mitarbeiter ohne Job. Drei Vorstandsmitglieder mussten Geldstrafen wegen Insolvenzverschleppung zahlen.
Nach langen Verhandlungen hatte schließlich eine Investorengesellschaft aus Allgäuer Unternehmern für einen Spottpreis von 3,8 Millionen Euro das Haus übernommen. Produzent Gerd Fischer stritt damals mit Luitpold Prinz von Bayern um das Namensrecht und musste einen Lizenzvertrag abschließen. Am 11. März 2005 hatte dann das Stück "Ludwig 2" Premiere.
Doch auch das rechnete sich nicht. Mit der Auslastung, die am Ende nur noch 30 Prozent betrug, konnten Personalkosten und Unterhalt nicht mehr abgedeckt werden. 40 Euro zahlten die Gesellschafter pro Eintrittskarte drauf, hieß es. Ständig wechselten die Geschäftsführer, Hauptdarsteller Jan Ammann verlängerte seinen Vertrag nicht. Nach nur zwei Jahren wurde im März 2007 der Spielbetrieb eingestellt: Zahlungsunfähigkeit, Überschuldung, Insolvenz. Über 100 Mitarbeiter verloren ihren Job. Um Geld zu sparen, war zuvor schon das Orchester entlassen worden, die Musik kam fortan vom Band.
2011 wird wieder ein Orchester dabei sein, kündigt Gerd Fischer an. Mit der Musik von "Ludwig 2", die Konstantin Wecker und Christopher Franke komponiert haben, will Fischer eine neue Geschichte erzählen: "Natürlich werden die Krönung und sein Tod vorkommen, aber auch unbekannte Momente aus seinem Leben." Selbstverständlich sei das neue Musical auch für all diejenigen geeignet, die das alte schon gesehen haben.
Von Wiesbaden aus organisiert Gerd Fischer den Neustart. Im Mai werden die musikalischen Proben vor Ort beginnen, im Juni die szenischen. Vom 7. Juli an wird es an sechs Tagen die Woche - zunächst zwei Monate lang - Aufführungen geben, am Wochenende vielleicht sogar zweimal am Tag. Der Kartenvorverkauf startet Ende Oktober. Fischer hat die kleine Bestuhlungsversion der Big Box gewählt. 1500 Besucher haben dann im Saal Platz. Das Veranstaltungszentrum selbst trägt kein Risiko, sagt Monika Moras: "Wir vermieten die Halle nur."
Im Füssener Festspielhaus sei man nicht sehr enttäuscht, dass das Musical nicht mehr an den Forggensee komme, sagt der kaufmännische Leiter, Stefan Weigert: "Es gab Gespräche, aber wir sind uns nicht einig geworden." Schon vor der Pleite des zweiten Musicals hatten die Betreiber das Haus für andere geöffnet. Zurzeit gebe es drei bis fünf öffentliche Veranstaltungen im Monat. Bis Jahresende werden unter anderem "Peter Pan", "Das Phantom der Oper" und "Die Schöne und das Biest" aufgeführt, es gibt ein Gospelkonzert und einen Snooker-Wettkampf.
Zusätzlich finden Fernsehaufzeichnungen statt, demnächst kommt Pro Sieben mit "Quatsch Comedy". Außerdem mieten Firmen aus der Region das Haus für Veranstaltungen. Das Festspielhaus sei privat geführt und erhalte keine öffentlichen Gelder, so Weigert. Seit das Ludwig-Musical aufgegeben wurde, habe sich die Zusammensetzung der Gesellschafter kaum verändert.
Gerd Fischer glaubt an den Erfolg 45 Kilometer weiter: "Wir haben jetzt wirtschaftlich viel bessere Voraussetzungen." In Füssen hätten die Investoren jedes Jahr fünf bis zehn Millionen Euro in die Immobilie stecken müssen. "Das ist ein Haufen Geld, da werden die natürlich nervös und wollen schnell Geld verdienen", sagt er. "Diesen Ballast haben wir in Kempten nicht."