Süddeutsche Zeitung

Neuer Verfassungsschutzbericht:Mehr rechte und linke Gewalt in Bayern

Der Termin war zwar sehr lange geplant, könnte aber nun zeitlich nicht passender sein: Wenige Tage vor Beginn des NSU-Prozesses liegt der neue Verfassungsschutzbericht vor. Ein Trend: Es gibt etwas mehr rechte Gewalttaten - und die Neonazis agieren frecher und dreister.

Sicherheitsbehörden und Verfassungsschutz haben im vergangenen Jahr mehr Gewalttaten von Rechts- und Linksextremisten in Bayern registriert. Das geht aus dem neuen Verfassungsschutzbericht hervor, den Innenminister Joachim Herrmann (CSU) am Freitag in München vorstellte. Vor dem NSU-Prozess, der kommende Woche in München beginnt, warnte Herrmann sowohl vor Aktionen von gewaltbereiten Rechts- wie auch von Linksextremisten.

Die Zahl rechtsextremistischer Gewalttaten stieg im vergangenen Jahr leicht von 57 auf 65. Dagegen ging die Zahl der Personen, die der rechtsextremistischen Szene zuzuordnen sind, von 2450 auf 2200 zurück. Man müsse die Entwicklung genau im Auge behalten, mahnte Herrmann - zumal Rechtsextremisten zunehmend versuchten, in der Mitte der Gesellschaft Fuß zu fassen, etwa über Bürgerinitiativen.

Dreist, frech, islamfeindlich

Die Aufdeckung der NSU-Mordserie hat nach Worten Herrmanns zwar nicht dazu geführt, dass die Zahl der Rechtsextremisten und Neonazis zugenommen hätte. Allerdings sei es seither "unübersehbar, dass ein Teil der Neonazi-Szene eher dreister und frecher auftritt".

Herrmann sprach zudem von einer Islamfeindlichkeit, die sich auch außerhalb des Rechtsextremismus entwickelt habe. Beispielsweise wollten die Partei "Die Freiheit" und die Münchner Organisation von "Politically Incorrect" pauschale Ängste vor Muslimen schüren. Beide Gruppierungen werden deshalb nun vom Verfassungsschutz beobachtet.

Linksextremistische Gewalttaten veroppeln sich

Die Zahl linksextremistischer Gewalttaten stieg im Jahr 2012 von 57 auf 99 und verdoppelte sich damit im Vergleich zum Vorjahr fast. Dieser Anstieg sei vor allem auf mehrere Großveranstaltungen der linksextremen Szene zurückzuführen, erklärte Herrmann. Diese hätten sich gegen Rechtsextremisten oder gegen den Staat gerichtet.

Hermann warnte zudem vor einer unverändert hohen Bedrohung durch den islamistischen Terrorismus, insbesondere durch gewaltbereite Salafisten. "Beim Salafismus handelt es sich um die am schnellsten wachsende islamistische Strömung in Deutschland", betonte er.

Vor dem am kommenden Mittwoch beginnenden NSU-Prozess sagte Herrmann, die Behörden hätten nach wie vor keinerlei Hinweise auf mögliche Unterstützer in Bayern. Es lägen bisher keine Erkenntnisse über Helfer oder Mitwisser des NSU in der rechtsextremistischen Szene im Freistaat vor. Herrmann setzt aber darauf, dass der Prozess neue Erkenntnisse liefert: "Ich erhoffe mir, dass durch den Prozess die Hintergründe der Mordanschläge aufgedeckt werden und den Angehörigen die quälende Frage nach dem "Warum" endlich beantwortet wird."

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