Neue Vorwürfe im Fall Haderthauer:Veränderte Gefechtslage

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Seehofer nennt die neuen Vorwürfe gegen Haderthauer "keine schöne Nachricht". (Foto: dpa)

"Mir war schlecht": Nach den neuen Vorwürfen gegen Ex-Staatskanzleichefin Haderthauer ist die Hilflosigkeit in der CSU mit Händen zu greifen. Die Partei rätselt, wie mit dem Skandalfall umzugehen ist. Die Geduld hat Grenzen.

Von Katja Auer, Frank Müller und Mike Szymanski, München

Es ist ein Tag der Emotionen, die Frage ist nur, welche die stärkste ist: Entsetzen, Ratlosigkeit, Wut - und am anderen Ende sogar Mitleid. Christine Haderthauer ist wieder ein Stück tiefer Richtung Abgrund gerutscht. Und die CSU rätselt, wie sie mit ihrem derzeit wichtigsten Skandalfall umgehen soll.

Im Landtag, wo sich die Abgeordneten und Mitarbeiter am Donnerstag eigentlich durch einen Routine-Ausschusstag wuseln sollen, ist die Hilflosigkeit in der CSU mit Händen zu greifen. Ein wichtiger CSU-Mann, der stets zu Haderthauer gehalten hat , steht auf dem Gang und ist richtig fassungslos. Er kennt das Schreiben der Staatsanwaltschaft. "Ich habe das gelesen und mir war schlecht. Das liest sich wie eine Anklage."

ExklusivVerdacht der Steuerhinterziehung
:Ermittlungen gegen Haderthauer ausgeweitet

Es geht um 55 000 Euro: Der früheren Staatskanzleichefin Haderthauer wird nicht mehr nur Betrug vorgeworfen. Die Staatsanwaltschaft geht dem Verdacht nach, dass die CSU-Politikerin auch Steuern hinterzogen haben könnte.

Von Mike Szymanski

Eine Kollegin kommt vorbei, sie muss gar nicht fragen, wovon die Rede ist. Die neuen Erkenntnisse der Staatsanwaltschaft München II, wonach die Ex-Ministerin bei den Geschäften mit Modellautos, die von psychisch kranken Straftätern gefertigt wurden, Steuern hinterzogen haben könnte, sind das Thema Nummer eins. Mehrere Einzahlungen auf das Privatkonto der Haderthauers deuten laut Justiz auf diesen Vorwurf hin. Insgesamt könnte sich der Betrag an nicht gezahlten Steuern auf etwa 55 000 Euro summieren. Ein Teil der Erlöse aus dem Autoverkauf soll sogar über das Konto von Christine Haderthauers Mutter geflossen sein.

Seehofer sagt: "Das ist keine schöne Nachricht"

Der massive Vorwurf verändert die Gefechtslage deutlich, sogar bei Ministerpräsident Horst Seehofer. Der hatte im Sommer wochenlang gezögert, bis seine Staatskanzleichefin gehen musste. Am Donnerstag ist Seehofer in Prag. Er wird nach Haderthauer gefragt und sagt: "Das ist keine schöne Nachricht. Offensichtlich gestaltet sich die Angelegenheit schwieriger als bisher bekannt." Mit solchen Formulierungen hat Seehofer schon Rücktritte eingeleitet. Aber so weit, dass Haderthauer nun auch ihr Landtagsmandat aufgeben müsste, ist es noch nicht. "Klarheit kann nur Christine Haderthauer schaffen", sagt Seehofer. "Ich muss vor einer endgültigen Bewertung die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen abwarten."

Klarheit schaffen, abwarten: Auch in der Fraktion in München stellt man sich darauf ein, noch länger mit ungeklärten Vorwürfen leben zu müssen, womöglich so lange, bis die Staatsanwaltschaft entweder Anklage erhebt, oder zu Haderthauers Entlastung darauf verzichtet. Aber die Geduld hat Grenzen. Es könne die Situation eintreten, in der man ihr freundschaftlich rät, auch an sich und das Wohlergehen ihrer politischen Familie zu denken, heißt es. In der Fraktion fühlen sich inzwischen auch die verschaukelt, die der Ex-Ministerin lange den Rücken gestärkt hatten. Zu oft gab es neue Vorwürfe, zu selten gab es echte Erklärungen, zu häufig dagegen exaltierte Gegenattacken von Haderthauer.

Es spricht einiges dafür, dass selbst die Ingolstädter Abgeordnete ihre Lage als - auch persönlich - dramatisch empfindet. Sie ist offenbar regelrecht geflüchtet, als der Brief der Staatsanwälte kam, und hält sich außerhalb Bayerns auf. In der CSU halten manche Kontakt zu ihr. Aus dem, was davon in München zusammenläuft, werden mehrere Bilder gezeichnet.

Das eine ist das Bild einer Frau, die den Überblick verlor in Familiengeschäften, die vor allem ihr Mann betrieb: Hubert und Christine Haderthauer waren gemeinsam in der Modellbaufirma Sapor Modelltechnik involviert. Das andere ist das einer sich selbst überschätzenden Politikerin. Sie glaube, es genüge, die Affäre juristisch zu überstehen - und verstehe nicht, welchen Schaden es politisch anrichtet, wenn sie ein Ministeramt im Interview als "wirtschaftlich nicht lohnend" abschreibt. Direkt äußert sie sich selbst nur in einer vorbereiteten Erklärung, die sie am iPad an Medien verschickt.

Neue Vorwürfe im Fall Haderthauer
:Voll in der Abwärtsspirale

Die Details sind haarsträubend. Was über die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen Christine Haderthauer durchsickert, stellt sie auf eine Stufe mit großen CSU-Selbstbereicherern. Wenn die Vorwürfe stimmen, dann ist es mit ihrem Rücktritt vom Ministeramt nicht getan.

Ein Kommentar von Frank Müller

Darin räumt sie vergleichsweise defensiv "im ersten Anschein belastend wirkende Momente" ein. Diese werde sie aber aufklären, sobald ihr die Justiz im Ermittlungsverfahren Gelegenheit gebe. Die nimmt mittlerweile auch ihre Wahlkampfarbeit ins Visier. Die Ermittler interessieren sich für die Zusammenarbeit der Haderthauers mit Dorothea Soffner, CSU-Stadträtin aus Ingolstadt. Soffner ist Stimmkreismitarbeiterin bei der Abgeordneten gewesen und hat zudem als PR-Frau gearbeitet. Die Haderthauers haben Kosten für Soffner als Ausgaben ihrer Autofirma geltend gemacht. Die Ermittler haben Anhaltspunkte dafür, dass Christine Haderthauer unzulässigerweise Wahlkampfkosten über die Autofirma abgerechnet hat.

Der Untersuchungsausschuss startet wie geplant

Es ist Zufall, wirkt aber gespenstisch genau geplant, dass am Donnerstagmittag auch noch der Untersuchungsausschuss zum Fall Haderthauer seine Arbeit startet. Gremiumschef Horst Arnold (SPD) hat sich schon am Morgen mit seinem CSU-Vize Florian Herrmann kurzgeschlossen. Doch das Gremium startet wie geplant. In der ersten Sitzung geht es zwar nur um Formalia, im Trubel vor und nach der Sitzung spricht dann aber wieder alles über die neuen Steuervorwürfe.

"Ich hätte nicht gedacht, dass wir uns möglicherweise mal Gedanken darüber machen müssen, ihre (Haderthauers) Mutter vorzuladen", sagt Arnold irritiert. Er wolle das dennoch vermeiden, meint er. Herrmann dagegen mahnt, der Ausschuss ersetze nicht den Staatsanwalt. Die Oppositionspolitiker insgesamt sind letztlich auch nicht viel aufgebrachter als die der CSU. Sie sagen es aber offen.

Die Geldströme über das Konto der Mutter laufen zu lassen, sei "abartig", findet Peter Bauer (Freie Wähler). Haderthauer lebe offenbar in einem "Paralleluniversum", mutmaßt die Grünen-Politikerin Ulrike Gote. Und Arnold verspottet Seehofer, weil dieser erst jetzt finde, seine Ex-Ministerin habe noch Punkte aufzuklären: "Das ist schon ein Quantensprung der Erkenntnis."

© SZ vom 05.12.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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