Neue Blitzer:Aufrüstung am Straßenrand

Fest installierter Blitzer.

Sinnvolle Kontrolle oder Abzocke? An den Blitzanalagen im Freistaat scheiden sich die Geister.

(Foto: Imago Stock&People)

In der Nacht geht ein Blitzer im Petueltunnel in Betrieb. Die Behörden wollen Rasern das Leben schwerer machen: Neue Anlagen sollen in Bayern für mehr Sicherheit sorgen. Doch Kritiker sehen ein ganz anderes Motiv hinter den vielen neuen Radarfallen.

Von Marco Völklein

Nein, macht Michael Haberland gleich klar, mit dem abgesägten Blitzer an der Tegernseer Landstraße hätten er und seine Mitstreiter vom Autofahrerverein "Mobil in Deutschland" nichts zu tun. Obwohl Haberland sich als einer der größten Kritiker von Tempokontrollen etabliert hat und immer wieder auf die Aktion aus dem Februar 2003 angesprochen wird. Damals hatten Unbekannte in einer Nacht-und-Nebel-Aktion die Tempomessanlage an der Einfallstraße einfach umgesägt. "Ich vermute, dass sich ein Autofahrer da richtig geärgert hat", sagt Haberland. Und fordert: "Radarkontrollen darf es nur und eindeutig für die Sicherheit der Verkehrsteilnehmer geben." Tatsächlich aber "macht die Polizei, was sie will", schimpft Haberland über die aus seiner Sicht viel zu vielen Radarfallen.

Von Mittwochnacht an wird Haberland einen weiteren Grund haben, sich zu ärgern. Denn dann wird das Polizeipräsidium die neue Radarfalle im Petueltunnel in Betrieb nehmen. Haberland sieht mittlerweile eine "Komplettüberwachung" der Straßen. Erst vor kurzem hatte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann an der A 99 bei Aschheim einen neuen "Superblitzer" in Betrieb genommen. Das Gerät vom Typ "Traffi Star S 330" überwacht aus der Schilderbrücke heraus den Verkehr auf allen drei Spuren. Und nicht nur das: Die 230 000 Euro teure Anlage unterscheidet auch, ob ein Pkw oder ein Lkw unterwegs ist und kann so prüfen, ob unterschiedliche Tempogrenzwerte eingehalten werden. Beispielsweise Tempo 80 für Lastwagen und Tempo 100 für Pkw.

Mehr Sicherheit auf den Straßen

Für Minister Herrmann ist die neue Anlage in Aschheim "ein wichtiger Beitrag für mehr Verkehrssicherheit auf unseren Autobahnen". Das Gerät ist zunächst ein Pilot. Bewährt es sich, könnten weitere Anlagen an bayerischen Autobahnen folgen. Der Minister will den Kontrolldruck steigern: "Überhöhte Geschwindigkeit ist der Killer Nummer eins im Straßenverkehr", sagt Herrmann. Sein Ziel ist es, bis 2020 die Zahl der Verkehrsunfälle deutlich zu reduzieren und die Zahl der Verkehrstoten im Vergleich zu 2011 um 30 Prozent zu drücken. 2013 kamen allein in Bayern 200 Menschen ums Leben, weil Autos oder Motorräder zu schnell unterwegs waren.

Für Haberland dagegen ist die neue Anlage in Aschheim in erster Linie ein weiteres "Folterinstrument" des Ministers. Der Autoklub-Boss unterstellt den Behörden, weniger wegen der Verkehrssicherheit zu kontrollieren. Sondern vor allem, um sich neue Finanzquellen zu erschließen. "Radarkontrollen müssen Geld in die klammen Kassen bringen", sagt Haberland. Die Blitzer seien in Städten wie München oder Berlin nicht an den Stellen im Einsatz, an denen die meisten Unfälle passierten. Sondern vielmehr dort, wo die Autofahrer am einfachsten und bequemsten zu stellen seien. In München etwa sei die Landsberger Straße eine der unfallträchtigsten Strecken, und zwar "seit Jahrzehnten", sagt Haberland. "Geblitzt wird da aber nie." Ähnlich in Berlin: Am Tempelhofer Damm krache es ständig, kontrolliert werde aber an der Straße des 17. Juni. "Die ist breit, verführt ein wenig zum schnellen Fahren und hat viele Längsparkplätze, von denen aus kann gut geblitzt werden."

In den neuen Tunneln rollt es langsamer

Herrmann verwahrt sich gegen solche Unterstellungen: "Uns geht es nicht um Abzocke der Autofahrer, sondern darum, die Autofahrer zu einem angemessenen Tempo zu animieren." Dies funktioniert in der Tat: Wer durch den Richard-Strauss-Tunnel im Münchner Osten rollt, wird feststellen, dass dort kaum einer schneller als die erlaubten 60 Stundenkilometer fährt. Denn seit der Eröffnung des Tunnels im Juli 2009 sind dort im Auftrag von Herrmanns Ministerium fest installierte Blitzer im Einsatz.

Auch im Tunnel am Luise-Kiesselbach-Platz, der 2015 in Betrieb gehen soll, werden Radaranlagen montiert. Nach Angaben des ADAC ist in Bayern die Blitzerdichte aber immer noch deutlich geringer als in anderen Bundesländern. In Baden-Württemberg etwa wachen an vielen Ortseingängen Anlagen darüber, dass die Autofahrer die vorgegebene Geschwindigkeit einhalten. Viele Anwohner fordern von ihren Bürgermeistern sogar, solche Anlagen zum Lärmschutz aufzustellen.

Mobile Kontrollen statt fester Fallen

In Bayern dagegen sind fest installierte Radarfallen in kommunalen Händen die Ausnahme. Der Blitzer an der Tegernseer Landstraße ist der einzige in München, den die Stadt selbst betreibt. Daneben aber sind laut Innenministerium bayernweit 100 mobile Großgeräte im Auftrag des Freistaats unterwegs. Zudem setzen etwa 700 Kommunen ebenfalls auf mobile Kontrolleure; so betreibt das Münchner Kreisverwaltungsreferat (KVR) bereits seit 1994 eigene Blitz-Fahrzeuge für Tempokontrollen, aktuell sind es fünf. Die würden "grundsätzlich in Tempo-30-Zonen" eingesetzt, sagt Kristin Nettelnbrecher vom Kreisverwaltungsreferat. Die Radar-Autos seien insbesondere rund um Schulen, Kindergärten und Altenheime unterwegs.

Das immerhin findet auch bei Haberland Zustimmung. "Radarkontrollen, die hier stattfinden, werden von jedem Autofahrer nachvollzogen und durchaus gutgeheißen", sagt der Autoklub-Chef. Dennoch glaubt er: "Diese Kontrollen finden aber so gut wie gar nicht statt." In einer Tempo-30-Zone vor einer Schule sei "eben wenig los und damit ist weniger Geld zu verdienen". Haberland schätzt, dass die Behörden eine Milliarde Euro pro Jahr an Bußgeldern aus Radarkontrollen einnehmen. "Für München sind das laut unserer Hochrechnung 20 Millionen Euro pro Jahr."

Kein gutes Geschäft

Doch laut KVR sind die Radarfallen für die Stadt gar kein so gutes Geschäft. So hat die Stadt 2013 zwar 2,07 Millionen Euro aus Verwarnungen und Bußgeldern erlöst; dem standen aber Ausgaben für den Betrieb und das Personal von 1,74 Millionen Euro gegenüber. Damit blieb der Stadt unterm Strich ein "Gewinn" von gerade mal 330 000 Euro. Im Vorjahr hatte der Kämmerer laut KVR sogar draufgezahlt: Den Erlösen von 1,86 Millionen Euro standen Kosten von 1,88 Millionen gegenüber.

Der Freistaat wiederum weist die Einnahmen aus Radarkontrollen nicht explizit aus. Ein Sprecher von Minister Herrmann nennt für das Jahr 2013 lediglich die Zahl von 114,8 Millionen Euro Gesamteinnahmen, die sich aus allen Verkehrsverstößen in Bayern ergeben hätten - darin sind aber nicht nur Tempoverstöße enthalten, sondern auch Bußgelder aus anderen Verstößen, beispielsweise weil ein Radler auf dem Radweg entgegen der Fahrtrichtung unterwegs war. Somit lässt sich also schwer ermitteln, wie viel Freistaat und Stadt mit Blitzern tatsächlich einnehmen.

Neue Anlagen geplant

Sicher ist dagegen, dass in naher Zukunft nicht nur im Petueltunnel mit einer fest installierten Anlage der Verkehr kontrolliert wird. Vielmehr haben Freistaat und Stadt beschlossen, auch ein Stückchen weiter westlich auf dem Mittleren Ring eine feste Radarfalle zu montieren. Um die Anwohner vor Schadstoffen zu schützen, soll an der Landshuter Allee künftig das zulässige Tempo von 60 auf 50 Stundenkilometer gesenkt werden. Damit lässt sich laut einer Analyse des Landesamts für Umwelt die Belastung mit Stickstoffdioxid um 13 Prozent senken. Das reicht zwar nicht, um die Belastung unter den von der EU vorgeschriebenen Grenzwert zu drücken; andererseits aber hatte ein Gericht den Freistaat und die Stadt dazu verdonnert, etwas gegen die hohe Schadstoffbelastung zu tun. Ausfluss dieses Urteils ist nun das Tempolimit an der Landshuter Allee, das aber nur wirke, wenn es auch kontrolliert werde, argumentiert der städtische Umweltreferent Joachim Lorenz (Grüne).

Wann genau die Messanlage in Betrieb geht, ist noch offen. "Derzeit werden noch technische Details geklärt", heißt es aus Herrmanns Ministerium. Unklar sei ebenfalls, wo genau die Blitzer stehen werden und wie die "versorgungstechnische Anbindung" aussehen wird, so ein Sprecher. Gut möglich, dass auch die Sicherheitstechnik geprüft wird. Nicht dass wieder über Nacht jemand kommt und den Blitzer umsägt. So wie in der Tegernseer Landstraße.

Der wird mittlerweile per Bewegungssensor überwacht. Legt ein Vandale Hand an, schlägt der Melder Alarm.

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