Viele Touristen pflegen auf ihren Bildungsreisen dicke Wälzer mitzuschleppen, um dann im Angesicht einer alten Kirche oder eines Schlosses nach dem Auffinden der Lesebrille umständlich darin zu blättern. Dieses gängige Motiv, an dem der alte Spitzweg seine größte Freude gehabt hätte, wird aber wohl bald der Vergangenheit angehören. Denn immer mehr digitale Informationsquellen treten in Konkurrenz zu den gedruckten Reiseführern und trumpfen dabei mit beeindruckenden Innovationen auf wie etwa die soeben präsentierte neue Landkarten-App der Bayerischen Staatsbibliothek.
Aus der überwältigenden Bücher- und Medienfülle, die in den Depots der Staatsbibliothek verwahrt wird, stechen die historischen Landkarten vor allem hervor, weil sie trotz ihrer Antiquiertheit eine faszinierende Aura umgibt - nennen wir nur Hartmann Schedels (1440-1514) Weltchronik oder Matthäus Merians (1593-1650) Topographia Germaniae. Es ist schon deshalb schön, in der Jetztzeit zu leben, weil man solche Kulturschätze nun in der Hosentasche mit sich führen kann. Historische Karten sowie Ansichten von Landschaften, Orten und Denkmälern Altbayerns, Schwabens und Frankens wurden dazu in hoher Auflösung gescannt und in eine sogenannte App eingebunden, die von Mitarbeitern der Staatsbibliothek entwickelt wurde und nun kostenlos zur Verfügung steht.
Jeder Besitzer eines Smartphones oder eines Tablet-Computers kann sich mithilfe dieser App auf eine Entdeckungsreise begeben, und man sollte sich hüten, dies lediglich als ein billiges Vergnügen abzutun. Denn die App bringt dem Betrachter die Geschichte Bayerns und seiner Kartografie ganz ohne Paukermief näher.
Schwerpunkt Nürnberg
Inhaltlich basiert dieses Medium auf fünf der wichtigsten historischen Karten aus dem Bestand der Staatsbibliothek, etwa auf den Landtafeln Philipp Apians (1568) und dem Topographischen Atlas vom Königreiche Baiern (1812-1867). Es ist verblüffend, wie exakt bereits Apian mit dem damals üblichen, aber dürftigen Hilfsmittel menschlicher Schrittlängen vermessen hat, also ohne GPS und Satellitenhilfe, wie Stephan Kellner, der Projektleiter der Staatsbibliothek, bewundernd anmerkt. Apians Arbeit war für die Kartografie wegweisend.
Apian würde sich wohl vor Begeisterung im Grab umdrehen, wenn er erleben könnte, dass die sich auf ihn stützende App als sogenannte Location-Based-ServicesApplikation gestaltet ist, was zwar wahnsinnig kompliziert klingt, aber dem Reisenden dennoch eine einfache Handhabung und ein umfassendes historisches und geografisches Wissen garantiert. Streift der Benützer beispielsweise durch Altötting, so zeigt ihm die App nicht nur die Einbettung dieser Ortschaft auf alten Kartenwerken, sondern sie weist auch auf alle Sehenswürdigkeiten in der Umgebung hin, wobei die Informationen zu Klöstern, Kirchen, Schlössern und sonstigen Sensationen mit Texten, Audiodateien und Videos weitergereicht werden.
Die Stadt Nürnberg bildet in diesem Zusammenhang einen Schwerpunkt. Beginnend mit Merians Nürnberger Stadtplan (1648) kann der Nutzer anhand von fünf georeferenzierten Stadtplänen aus vier Jahrhunderten tief in die Geschichte und Topografie der alten Reichsstadt eintauchen und sich von einem Audioguide zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten der Stadt lenken lassen.
Zur Ansicht steht in der App auch das Werk des Kupferstechers Michael Wening (1645-1718) bereit, der seinerzeit im Auftrag des Kurfürsten fulminante Ansichten von Ortschaften, Schlössern, Landsitzen und Klöstern anfertigte. Hochauflösend digitalisiert, stehen nun sämtliche Ansichten überall und jederzeit zur Ansicht bereit - wenngleich ein Wening-Stich auf einem Original-Folianten immer noch majestätischer wirkt als auf einem vergleichsweise windigen Smartphone.
Die kostenlose App "Bayern in historischen Karten" steht in deutscher Sprache für Smartphones und Tablet-Computer im Apple iTunes Store und ab Sommer 2013 im Google Play Store zur Verfügung.