Der Fall hatte schon im März große Aufregung ausgelöst und etliche ratlose Lehrer und Eltern hinterlassen. An der Grundschule Neu-Ulm Stadtmitte hatten eine Handvoll Viertklässler islamistische Hetzparolen ausgesprochen. "Christen muss man töten", sagten sie. "Juden stehen auf einer Stufe mit Schweinen" oder "Wer ein Kreuz malt, muss in die Hölle." Alles Dinge, die bereits aus dem Mund eines Erwachsenen verstörend klingen.
Aber umso mehr, wenn sie zehn- bis elfjährige Kinder sagen. Die Schulleitung wandte sich an die Polizei, die Staatsanwaltschaft Memmingen ermittelte wegen des Verdachts auf Volksverhetzung. Das Verfahren wurde nun eingestellt. Weil die Kinder nicht strafmündig sind und die vermeintlichen Einflüsterer der Sprüche nicht herausgefunden werden konnten.
Hasstiraden von Grundschülern in Neu-Ulm:"Wer das Kreuz malt, muss in die Hölle"
Muslimische Schüler in Neu-Ulm offenbarten nach dem Anschlag auf "Charlie Hebdo" erschreckende Einstellungen gegenüber Christen und Juden. Die Polizei ermittelt. Auch die Lehrer fragen sich: Woher haben die Schüler diese Sprüche?
Extremistische Töne aus Moscheen
"Die Ermittlungen liefen gegen unbekannt", teilt Christoph Ebert von der Staatsanwaltschaft Memmingen mit, "die Frage war: Woher haben die Kinder diese Ansichten?" Der oder die Täter seien aber "nicht zu ermitteln" gewesen, berichtet Ebert. Er betont dabei, dass er sehr wohl davon ausgehe, "dass die Schüler diese Äußerungen gemacht haben". Und dass die Kinder "solche Dinge nicht von alleine im Kopf haben". Aber wer ihnen diese Ansichten vermittelte, sei nicht zu klären gewesen.
Zwar nannten sowohl die Kinder als auch andere muslimische Eltern die Namen von Moscheen, in denen immer wieder extremistische Töne zu hören sind. Dennoch sah sich die Justiz außerstande, einen Täter der Volksverhetzung zu überführen. "Wir sind da nicht weitergekommen", sagt Oberstaatsanwalt Ebert.
Schockierte Schulrektorin
Die Rektorin der Schule, Beate Altmann, sprach im März von einer "Mauer des Schweigens". Am Mittwoch war sie für eine Stellungnahme nicht erreichbar, aber am Samstag hatte sie in der SWR-Sendung "Nachtcafé" von den "schockierenden" Tagen im März berichtet. Nach dem Anschlag auf die Redaktion der Pariser Satire-Zeitschrift Charlie Hebdo hatte eine Ethiklehrerin mit Viertklässlern über die Bluttat gesprochen. "Das geschieht denen doch recht", tönten zwei Schüler. Wer Mohammed zeichne, habe den Tod verdient.
"Wir waren schockiert", erzählt Altmann, "ich hatte so was zuvor in den zehn Jahren an meiner Schule noch nie gehört." Zunächst habe sie das Gespräch mit den Schülern gesucht. ,"Wir haben nachgefragt, woher hast du das?" Dabei sei herausgekommen, dass einige von ihren Eltern oder Großeltern oder von Imamen in den Moscheen "indoktriniert werden", wie es Altmann formuliert. "Dann haben wir die Kinder gebeten, fragt doch noch mal zu Hause nach, ob das stimmt, was ihr uns erzählt." Daraufhin hätten die Schüler "gar nichts mehr gesagt". Die Beamten der Kriminalpolizei sagten bei der Aufnahme des Falles nach Auskunft von Beate Altmann, dass Neu-Ulm kein Einzelfall sei. Das Phänomen gebe es an mehreren Schulen, nur werde das nicht öffentlich gemacht.
Altmann musste sich in der TV-Talksendung auch kritische Fragen anhören, weil sie die Polizei eingeschaltet hatte. Die Rektorin verteidigte ihr Vorgehen, das sie mit den Kollegen abgesprochen hatte. "Meine Schüler werden da in eine Richtung gelenkt, die ich nicht mehr tolerieren kann", sagte Altmann. Schließlich wüchsen diese Kinder hier auf und sie habe ihnen gegenüber eine Verantwortung. "Und die Moscheen sollen wissen, dass wir uns wehren und hinschauen."
Altmann betonte aber auch, dass Rassismus und Islamismus an ihrer Schule alles andere als Alltag seien. So hätten sich viele muslimische Eltern von den Äußerungen distanziert und sich "ebenfalls schockiert" gezeigt. Die betroffenen Kinder säßen auch ohne Probleme neben christlichen Mitschülern und spielten mit ihnen. Aber an den Wochenenden oder in den Ferien bekämen sie in einigen wenigen Moscheen Dinge eingetrichtert, die dem respektvollen Zusammenleben an der Schule widersprechen.
Keine Einzelfälle in Neu-Ulm
Die Rektorin machte eine erstaunliche Rechnung auf: Von 27 muslimischen Viertklässlern besuchten im vergangenen Schuljahr nur sieben den offiziellen Islam-Unterricht. 20 Elternpaare schickten ihre Kinder also bewusst in Ethik. Vermutlich, weil ihnen die Islam-Stunden zu liberal sind, wie Altmann sagt.
Nun hat die Justiz die Aktendeckel geschlossen. Neu-Ulms Oberbürgermeister Gerold Noerenberg (CSU) wollte das am Mittwoch nicht bewerten, er war beim Asylgipfel in Ingolstadt. So bleibt das ungelöste Problem vor allem bei den Lehrern der Grundschule hängen. Beate Altmann und ihr Kollegium verfassten schon im März eine Resolution, die alle Eltern unterschreiben mussten. "An unserer Grundschule gibt es keinen Raum für Rassismus, Extremismus und Gewalt", hieß es darin in fünf Sprachen.
Es gab auch einen Elternabend mit Polizisten, Schulsozialarbeitern und Lehrern. "Wir wollen so was an unsere Schule und in unserem Land nicht haben", betonte Altmann im SWR, "alle Menschen, die hier leben, sollten unsere Werte und Grundrechte respektieren." In ihrer Schule gibt es 230 Schüler aus 26 verschiedenen Ländern. Altmann ist überzeugt, dass die Vorfälle an ihrer Schule keine Einzelfälle waren. Das bayerische Kultusministerium teilt auf Anfrage mit: "Uns sind keine weiteren Äußerungen in dieser Schärfe bekannt."