Neonazi Martin Wiese vor Gericht:"Bis zum Endsieg"

Neonazi Martin Wiese

Wieder vor Gericht: Neonazi Martin Wiese

(Foto: dpa)

Der Rechtsterrorist und Neonazi Martin Wiese steht wegen des Vorwurfs der Volksverhetzung wieder vor Gericht. Zum Auftakt der Berufungsverhandlung bezieht er sich sogar auf Mister Spock, um sich herauszureden. An einen Freispruch glaubt er aber selbst nicht.

Von Tanjev Schultz

Begleitet von drei kräftigen Kameraden betritt der Neonazi Martin Wiese das Landgericht in Würzburg. Seit drei Jahren ist er auf freiem Fuß, rasch hat er wieder Probleme mit der Justiz bekommen. Von "schneller Rückfallgeschwindigkeit" spricht die Staatsanwaltschaft. Sieben Jahre saß Wiese im Gefängnis, verurteilt als Rädelsführer einer terroristischen Vereinigung, die einen Anschlag auf das Jüdische Gemeindezentrum in München geplant hatte. Als er freikommt, mischt der Rechtsterrorist gleich wieder in der Neonazi-Szene mit. Er habe es geschafft, zerstrittene Kameradschaften in Bayern zu einen, heißt es im bayerischen Verfassungsschutzbericht.

Auf einem "Nationalen Frankentag" hielt Wiese vor zwei Jahren eine Rede, für die ihn das Amtsgericht Gemünden unter anderem wegen Volksverhetzung zu 21 Monaten Haft ohne Bewährung verurteilte. Er ging in Berufung, und so muss sich das Landgericht nun noch einmal anhören, was Wiese damals bei seiner Rede hervorbellte: Er schimpfte auf das "verschissene System" und kündigte an, die Ideale von Ehre und Treue weiterzuentwickeln "bis zum Endsieg". Dann wandte er sich an die Gegner: Allen, die sich den Neonazis entgegenstellen, die sie "hier" fotografieren und denunzieren würden, denen sage er: "Wir werden eines Nachts kommen, euch aus euren Löchern holen, vor einen Volksgerichtshof stellen und wegen Deutschlands Hochverrat verurteilen zum Tode."

Vor Gericht wird eine DVD mit der Rede vorgespielt, Richter Hans Brückner liest den Text anschließend noch einmal vor und sagt trocken: "Das ist dann mal die Rede." Wiese versucht, sich herauszureden. Einen Volksgerichtshof gebe es ja gar nicht, "das ist eine fiktive Geschichte". Es sei etwa so, "als wenn ich sagen würde, dass Mister Spock mit einem Raumschiff kommt und allen kreisrunde Löcher in den Kopf schießt". Er habe niemanden persönlich gemeint oder bedrohen wollen, sagt Wiese.

Als Zeugen sagen Journalisten aus, die den "Frankentag" beobachtet hatten. Einigen war mulmig geworden, als sie Wieses aggressive Sprüche gehört hatten. Ein anderer sagt allerdings, er habe das gleich als "Humbug" empfunden. So wollen es nun Wiese und sein Verteidiger Frank Miksch am liebsten hindrehen.

Braver Mann statt Aktivist?

Gleich zu Beginn ist der Angeklagte bemüht, sich als braven Mann zu präsentieren, mit festem Arbeitsplatz als Berufskraftfahrer, einer Freundin und Unterhaltszahlungen für ein Kind, zu denen er rechtlich gar nicht verpflichtet wäre. Der 37-Jährige tut auch so, als sei er jetzt Privatier und kein Aktivist mehr. Früher habe er oft Reden gehalten und sich engagiert. Er sei zwar immer noch ein Nationalist, aber: "Der politische Weg, den ich gegangen bin, ist beendet." Eine politische Außenwirkung "macht für mich keinerlei Sinn mehr".

Das hat ihn freilich nicht davon abgehalten, vor Gericht mit einem schwarzen T-Shirt aufzutreten, auf dem ein gezeichnetes Schaf abgebildet ist und dazu der Spruch: "Freiheit für Wolle". Mit dieser Parole solidarisieren sich derzeit viele Neonazis mit dem Thüringer Rechtsextremisten Ralf Wohlleben, der in Untersuchungshaft sitzt und einer der Angeklagten im NSU-Prozess ist. Wohlleben wird Beihilfe zum Mord und die Unterstützung der NSU-Terroristen vorgeworfen.

"Nationalist, aber kein Idiot."

Erst vor wenigen Wochen stand Martin Wiese als "freier Aktivist" auf der Rednerliste einer rechtsextremen Veranstaltung in Kahla, dem "Thüringentag". Antifa-Aktivisten stellten hinterher ein Foto ins Internet, auf dem Wiese ebenfalls mit Schaf-Shirt zu sehen war. Beim "Frankentag" trug er dagegen ein Hemd mit der Aufschrift: "Seine Idee - unser Weg". Darunter die Signatur von Adolf Hitler.

Wiese tritt vor Gericht nicht ungebührlich auf, aber sehr forsch. Oft ergreift er das Wort, nennt Hinweise des Richters "Haarspalterei" und verkündet: "Ich bin vielleicht Nationalist, aber kein Idiot." Wiese plädiert auf Freispruch, sagt aber schon zu Beginn: "Ich weiß, dass ich verurteilt werde."

Neonazis stellen sich gern als Opfer eines Systems vor, in dem sie keine Chance bekämen und in dem keine Meinungsfreiheit herrsche. Immer wieder schaut sich Wiese zu seinen Kameraden und seiner Freundin im Publikum um. Bei der Verhandlung im vergangenen Jahr in Gemünden sagte er, seine Freiheit sei ihm "sehr viel wert".

Ginge es nach der Staatsanwaltschaft, würde das Urteil vor dem Landgericht sogar noch höher ausfallen als in der ersten Instanz. Am Mittwochnachmittag wurde der Prozess dann aber überraschend unterbrochen, weil erst noch ein weiterer Redner des "Frankentags", der Rechtsradikale Sebastian Schmaus, als Zeuge aussagen soll. Die Verhandlung wird am 25. September fortgesetzt.

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