Süddeutsche Zeitung

Naturwissenschaft:Regensburg ist Start-up-Zentrum

Lesezeit: 3 min

Von Maximilian Gerl, Regensburg

Die Lage ist günstig und deshalb wenig einladend. Wer vor die Tür tritt, blickt auf eine Ansammlung grauen Betons, die Rückseite der Regensburger Universität. Davor verläuft eine Straße wie eine Grenze. Auf Uni-Seite wird gelehrt und geforscht. Auf der anderen Seite wird versucht, Erforschtes zu Geld zu machen, auch wenn das vielleicht noch nicht jeder mitbekommen hat. Thomas Diefenthal sieht das natürlich ein bisschen anders: "Wer uns kennen sollte, kennt uns."

Überall in Bayern wurden zuletzt Gründerzentren und Hightech-Cluster eingerichtet - staatlich geförderte Netzwerke, die Know-how im Freistaat halten und junge Firmen unterstützen sollen. Nur wie das genau funktioniert, ist für Außenstehende oft rätselhaft. Dabei gibt es ein gutes Beispiel: den Großraum Regensburg, nach München-Martinsried Bayerns zweitgrößter Standort für Biotechnologie.

Hier werden Zellkulturen gezüchtet und Chemikalien hergestellt, neue Medikamente und Diagnostikverfahren entwickelt. Ein Innovationsmotor, der seit Jahren und meist ohne großes Aufsehen vor sich hin brummt. Ein bisschen schade ist das schon. Denn was in der vermeintlichen Provinz Oberpfalz passiert, bekommen so nur Branchenkenner und ein paar Einheimische mit.

Wie gesagt, Diefenthal sieht das anders. Aber er ist ja auch so etwas wie die Spinne im örtlichen Biotech-Netz. Diefenthal, Jahrgang 1960, warnt gleich davor, den Standort Regensburg mit München messen zu wollen: "Wir sind anders aufgestellt, das ist wie Äpfel und Birnen zu vergleichen." 1999 kam der Rheinländer nach Regensburg, die Stadt suchte damals einen Leiter für eine neue Tochtergesellschaft.

Der Auftrag: Jungen Biotech-Firmen unter die Arme greifen, bis sie von selber stehen können. Diefenthal bekam einen Vertrag über fünf Jahre, mal schauen, wie es läuft. 18 Jahre später ist er immer noch da. Auf der ehemals grünen Wiese hinter der Uni stehen inzwischen drei unscheinbare Bürogebäude, Sitz der BioPark GmbH und Herz der Life-Science-Region Regensburg. Ob er damals gedacht habe, dass die Sache so gut läuft? "Nein."

Im Grunde läuft die Sache im BioPark ähnlich ab wie in anderen Gründerzentren in Bayern. Wer eine Firma aufmachen will, kommt vorbei, lässt sich beraten, nimmt an Schulungen und Veranstaltungen teil. Falls gerade Platz ist, kann er sich günstig in einem der drei BioPark-Gebäude einmieten. Aber in der Oberpfalz haben sie einen Vorteil kultiviert, besonders gegenüber München, dem Biotech-Hotspot: Alles ist ein bisschen einfacher. Die Szene ist groß genug, um interessant zu sein, aber klein genug, um überschaubar zu bleiben.

"Kurze Wege", sagt Diefenthal. Gründer fänden oft schnell Kontakt zu potenziellen Geschäftspartnern, Förderern, Mitarbeitern. Und das nicht nur im Bereich Biotechnologie. Für Informationstechnologie etwa ist in Regensburg ebenfalls ein von der Stadt betriebenes Zentrum entstanden, die Techbase, nur ein paar Meter die Straße runter. Eine Einladung an alle Unternehmer, quer zu denken, branchenübergreifend nach Lösungen zu suchen.

Bleibt ein Problem für die Gründer: die Finanzierung. Biotechnologie kostet, vor allem die Ausstattung der Labore. Nicht immer lässt sich Geld dafür auf dem Markt auftreiben. Wer vergibt schon gern Kredite für komplizierte Forschungsprojekte, die sich vielleicht erst in zehn Jahren zu Geld machen lassen - vielleicht auch gar nicht? "Gründer scheitern nicht an der ersten Million oder an der zweiten oder an der dritten", sagt Diefenthal. "Sie scheitern an der letzten."

Zumindest im BioPark haben sie sich deshalb einen weiteren Vorteil aufgebaut, die Infrastruktur. Die wird für alle Mieter von der GmbH gestellt. Diefenthal führt in den Keller eines der drei Häuser. Kahle Gänge, schwere Türen, dahinter: eine Kläranlage, um Wasser aufzubereiten, Kühlaggregate, um für die Zucht von Bakterienkulturen stabile Temperaturen zu ermöglichen, eine separate Lüftungsanlage, falls mit gefährlichen Stoffen hantiert wird.

In einem Tank lagert steriles Wasser. Ein Dieselmotor sorgt notfalls für Strom. Intelligente Sensoren überwachen pausenlos die Technik. Ein notwendiger, aber teurer Spaß: Die Baukosten der drei BioPark-Gebäude belaufen sich auf 41,1 Millionen Euro. Das Geld stammt von Bund, Freistaat, EU und aus Kapitalanlagen der Stadt.

Die Millionen scheinen gut angelegt zu sein. Messen lässt sich das allerdings nur indirekt. Ein Indiz ist die Zahl der Arbeitsplätze, die im weitesten Sinne der Biotechnologie zuzurechnen sind. 1999 gab es gerade mal 23 Unternehmen mit insgesamt rund 500 Mitarbeitern in der Region. Heute sind es 50, die Mitarbeiterzahl liegt bei etwa 3800.

Im BioPark selbst sitzt nur eine Handvoll dieser Firmen. Manche haben nur zwei, drei Mitarbeiter. Wer Erfolg hat und wächst, muss sich ohnehin bald ein größeres Quartier suchen. Geneart etwa, 1999 eines der ersten Start-ups am Standort. Die Firma beschäftigte sich mit der Herstellung synthetischer Gene. Später ging sie an die Börse und zog in den Gewerbepark ein paar Kilometer weiter um. Heute gehört sie zu einem US-Konzern.

Wer vor die Tür tritt, sieht im BioPark derzeit noch etwas anderes: Gerüste. Nebenan ziehen Bauarbeiter ein viertes Gebäude hoch. Die Szene wächst, der Platzbedarf steigt. Diefenthal würden noch ein paar Dinge einfallen, um Gründern das Leben zu erleichtern, steuerliche Förderungen für Innovationen zum Beispiel, "viele Länder haben das". Das wäre allerdings eine Sache, die dann doch ein bisschen zu groß ist für Regensburg. Da müsste schon Berlin ran.

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SZ vom 02.01.2018
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