Umwelt:Naturschützer verlangen Schutzgebiete - und zwar echte

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Dass der Wald geschützt werden muss, ist allgemein anerkannt. Wie das gehen soll, ist bei Politik und Naturschützern allerdings umstritten. (Foto: Claus Schunk)
  • CSU und Freie Wähler haben im Koalitionsvertrag vereinbart, zehn Prozent des Staatswalds im Freistaat unter Naturschutz zu stellen.
  • Naturschützer fordern nun, dass dieses Versprechen schnell in die Tat umgesetzt wird.
  • In der Vergangenheit wurde von Seiten der Politik massiver Widerstand gegen neue Naturschutzgebiete in den Staatswäldern geleistet.

Von Christian Sebald, München

Die Umweltverbände in Bayern drängen darauf, dass die Staatsregierung schnell ihr Versprechen umsetzt, zehn Prozent des Staatswalds im Freistaat unter Naturschutz zu stellen. "Wenn Schwarz-Orange tatsächlich ernst machen würde mit der Vereinbarung im Koalitionsvertrag, wäre dies ein echter Fortschritt", sagt der Vorsitzende des Landesbunds für Vogelschutz (LBV), Norbert Schäffer. "Denn dann könnte man quer durchs Land ein Netzwerk aus größeren und kleineren Schutzgebieten knüpfen, das den Erhalt der Artenvielfalt wirklich unterstützt."

Für Schäffer ist dabei nicht nur die Auswahl der neuen Schutzgebiete von zentraler Bedeutung. Sondern auch, dass diese dauerhaft und rechtlich verbindlich als solche ausgewiesen werden. Eine Selbstverpflichtung des Freistaats oder der Bayerischen Staatsforsten (BaySF), welche die Staatswälder bewirtschaften, in den jeweiligen Wäldern keine Bäume mehr umzuschneiden, reicht Schäffer nicht aus. "So eine Selbstverpflichtung kann man jederzeit widerrufen", sagt er. "Und dann ist es wieder aus und vorbei mit dem Naturschutz."

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Schäffers Forderung kommt nicht von ungefähr. Die Forstverwaltung und die BaySF haben in der Vergangenheit stets massiven Widerstand gegen neue Naturschutzgebiete in den Staatswäldern geleistet. Und zwar nicht nur gegen einen dritten Nationalpark im Freistaat, den der frühere Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) einst versprochen und den Ministerpräsident Markus Söder (CSU) vor Monaten wieder abgesagt hat. Sondern auch gegen alle möglichen anderen kleineren oder größeren Waldschutzgebiete - sei es im fränkischen Steigerwald oder im Spessart, wo alte und prächtige Buchenwälder stehen, die nach Überzeugung der Naturschützer unbedingt vor dem Abholzen bewahrt werden müssen.

Die Forstverwaltung und die BaySF stehen fest auf dem Standpunkt, sie kümmerten sich auf freiwilliger Basis um den Naturschutz, dies reiche völlig aus. Zugleich rühmen sie sich, dass sie die Forderung aus dem Koalitionsvertrag bereits erfüllt hätten. Denn sie hätten bereits 81 800 Hektar oder 10,4 Prozent der Staatswälder im Freistaat aus der Nutzung genommen und damit ein "bayernweites Netz an Trittsteinen der natürlichen Waldentwicklung" geschaffen. So steht es zum Beispiel auf der Internetseite der BaySF.

Der LBV-Chef Schäffer und viele andere Experten werfen den Förstern und den BaySF "Schönrechnerei" vor. Sie berufen sich darauf, dass nur 31 000 Hektar oder gerade mal vier Prozent Staatswald unter echtem Naturschutz stehen. Das sind die Wälder in den Nationalparks Bayerischer Wald und Berchtesgaden, die Kernzonen im Biosphärenreservat Rhön und die etwa 150 Naturwaldreservate im Staatswald. Die verbleibenden 50 800 Hektar Wald, welche die BaySF ihrem "bayernweiten Netz an Trittsteinen der natürlichen Waldentwicklung" zuschlagen, sind keine Naturschutzgebiete und hätten für die Artenvielfalt wenig Bedeutung.

Die Forstministerin will auf die Naturschützer zugehen

Darunter fallen vor allem 32 000 Hektar Wald im Hochgebirge, die laut Staatsforsten nicht bewirtschaftet werden. "Das sind in aller Regel Wälder in extremen Steillagen, in denen sich die Forstwirtschaft nicht rentiert, weil der Aufwand viel zu teuer wäre", sagt Schäffer. "Oder es sind ausgedehnte Latschenflächen mit einzelnen Bergfichten, die zwar als Wald klassifiziert, tatsächlich aber ein schier undurchdringliches Gewucher und vom Holzertrag völlig uninteressant sind." Ähnliches gelte für die "Altholzinseln" oder "Moorflächen" im Flachland, welche die Staatsforsten auf eine Gesamtfläche von 4000 Hektar beziffern und ebenfalls in ihr "Trittstein-Netz" aufgenommen haben.

Der LBV-Chef verlangt, dass der Freistaat nur Wälder in das neue Schutzkonzept aufnimmt, die zentral für den Naturschutz sind. "Und das sind vor allem Buchenwälder in Franken und Auwälder an der Donau", sagt er. "Denn zum einen sind das die beiden Waldtypen, die Bayern Jahrtausende lang geprägt haben, zum anderen haben wir bei diesen Waldarten die größten Defizite im Naturschutz. Deshalb brauchen wir neue Naturschutzgebiete vor allem in ihnen."

Der LBV und der Bund Naturschutz haben in der Vergangenheit bereits Konzepte für Wald-Naturschutzgebiete im Spessart als auch im Steigerwald vorgelegt. Forstministerin Michaela Kaniber (CSU) ist offenkundig gewillt, auf die Naturschützer zuzugehen. Dem Vernehmen nach hat sie die Staatsforsten angewiesen, ein Konzept zu entwickeln, welche Staatswälder aus der Nutzung genommen und mit einem zuverlässigen Schutzstatus belegt werden können, damit das Zehn-Prozent-Versprechen im Koalitionsvertrag erfüllt werden kann.

© SZ vom 06.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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