Naturschutz:Wolfsabschuss in der Rhön kommt vor Gericht

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Wölfe sind streng geschützt. Deshalb wird der Streit um den ersten behördlich erlaubten Wolfsabschuss seit 142 Jahren in Bayern ein gerichtliches Nachspiel haben. Artenschützer haben eine Klage angekündigt. (Foto: Klaus-Dietmar Gabbert/dpa)

Artenschützer sind empört, dass sie weder über die Tötungsgenehmigung informiert noch zuvor an der Entscheidung beteiligt worden sind. Eine kleine Organisation kündigt außerdem Strafanzeigen an.

Von Christian Sebald

Die Geschehnisse rund um den Abschuss der Jungwölfin GW4174f auf der Hohen Rhön werden zu einem Fall für die Gerichte. Die Gesellschaft zum Schutz der Wölfe (GzSdW) hat dieser Tage erklärt, dass sie nachträglich gegen die Ausnahmegenehmigung klagen wird, die zu der Tötung der Wölfin geführt hat. Die GzSdW war – wie andere Organisationen – komplett von dem Abschuss überrascht worden, sie hatte nichts davon gewusst, dass die Regierung von Unterfranken die Genehmigung dafür erteilt hatte. Dabei hatte die GzSdW wenige Tage vor dem Abschuss gezielt bei den Behörden nach einer Abschussgenehmigung gefragt, aber nach ihren Angaben nur ausweichende Antworten erhalten.

Die GzSdW will nun vor Gericht erreichen, dass sich so ein Vorgehen nicht wiederholen darf. „Wir sind überzeugt, dass wir als anerkannte Naturschutzorganisation über eine solche Abschussgenehmigung informiert werden müssen, sowie sie erlassen ist“, sagt die Vorsitzende der GzSdW, Nicole Kronauer. „Außerdem müssen wir an dem gesamten Verfahren beteiligt werden.“ Bereits zuvor hatte der Verein „Wolfsschutz Deutschland“ erklärt, dass er wegen des Abschusses Strafanzeige gegen den Präsidenten der Regierung von Unterfranken, Eugen Ehmann, und die Jäger stellen will, die bei der Aktion dabei waren. Der Bund Naturschutz (BN) will ebenfalls massiv Druck machen, dass er künftig in solche Verfahren einbezogen wird.

GW4174f war in der Nacht auf den 27. August abgeschossen worden. Ihre Tötung war der erste behördlich erlaubte Abschuss eines Wolfes in Bayern seit 142 Jahren. Denn Wölfe sind seit Langem streng geschützt, nach deutschem und europäischem Naturschutzrecht, aber auch nach internationalen Verträgen. Abschüsse sind nur in absoluten Ausnahmen möglich, etwa wenn von den Tieren eine Gefahr für die Sicherheit von Menschen ausgeht oder sie so viele Schafe, Ziegen oder andere Nutztiere reißen, dass die Halter dadurch in wirtschaftliche Not geraten können.

Auf der Hohen Rhön haben sich vor einiger Zeit die Wölfin GW3092f und der Rüde GW3519m zusammengetan, die beiden haben dieses Jahr erstmals Nachwuchs bekommen. Die Schäfer in der Region leiden sehr unter dem Wolfspaar. Denn GW3092f und GW3519m überfallen immer wieder Schafherden, die auf der Hohen Rhön weiden und dort auch über Nacht bleiben – und zwar auch dann, wenn die Halter ihre Nutztiere gegen solche Übergriffe gut geschützt glauben, durch Elektrozäune zum Beispiel. Zumindest GW3092f hat offenkundig gelernt, solche Zäune zu überspringen. Allein in diesem Juli zählte das Landesamt für Umwelt (LfU), das für das Wolfsmonitoring in Bayern zuständig ist, sieben Attacken von ihr mit 14 toten Schafen und Ziegen und zwei verletzten Nutztieren.

"Wir haben hier ausreichend Wölfe", sagt der Rhöner Landrat Thomas Habermann. (Foto: IMAGO/Frank Hoermann/SVEN SIMON/IMAGO/Sven Simon)

Die Schäfer in der Rhön sind in Aufruhr. Sie fordern seit Monaten, dass etwas gegen die beiden Wölfe unternommen wird. „Die Wölfe veranstalten regelrechte Massaker unter Nutztieren“, sagt Mathias Klöffel, Kreisobmann der Bauern in der Region. „Wir brauchen endlich wirksamen Schutz der Schafe und Ziegen auf den Weiden.“ Der Bauernverband fordert seit Langem vehement schnelle Wolfsabschüsse. Außerdem gibt es ja nicht nur die Wölfe auf der Hohen Rhön, sondern auch noch ein Rudel auf dem nahen Truppenübungsplatz Wildflecken, das freilich bisher unauffällig ist.

Der Rhöner Landrat Thomas Habermann (CSU) sagt: „Wir haben hier ausreichend Wölfe, wir müssen schnell zu einem vernünftigen und wirksamen Management kommen.“ Schäfer wie Julian Schulz, der am Fuße der Hohen Rhön lebt und oben auf ihr mehr als tausend Schafe weidet, erwarten sich ebenfalls Konsequenzen. Schulz betont immer wieder, dass er vom Grundsatz her nichts gegen Wölfe habe. Auch habe er massiv in den Schutz seiner Herden investiert. So habe er nicht nur massive Elektrozäune angeschafft. Sondern außerdem fünf Herdenschutzhunde. „Damit muss es aber gut sein“, sagt Schulz. „Jetzt erwarten wir Schäfer, dass etwas für uns getan wird.“

In dieser Gemengelage hatte die Regierung von Unterfranken eine Tötung der Wölfin GW3092f möglich gemacht. Anfang August hat sie dafür eine Ausnahmegenehmigung erteilt. Sie bezog sich darin auf das Bundesnaturschutzgesetz. Dort sind ausnahmsweise Wolfsabschüsse „zur Abwendung ernster land-, forst-, fischerei- oder wasserwirtschaftlicher oder sonstiger ernster wirtschaftlicher Schäden“ vorgesehen. Als in der Nacht zum 26. August ein Wolf auf der Hohen Rhön abermals sechs Schafe tötete und vier weitere verletzte, wurde die Abschussgenehmigung für GW3092f in Kraft gesetzt. In der Nacht darauf wurde prompt eine Wölfin erschossen.

Nur dass es eben nicht GW3092f war, die den Schäfern so übel mitspielt. Sondern die Jungwölfin GW4174f, die dem Rudel auf dem Truppenübungsplatz Wildflecken angehört hat und wie ihre Eltern- und Geschwistertiere bisher unauffällig war. Warum GW4147f ausgerechnet in der Nacht auf der Hohen Rhön unterwegs war, in der dort die Jäger GW3092f nachstellten, ist ein Rätsel. „Das weiß keiner“, sagt der Wolfsexperte des BN, Uwe Friedel „Das war ein extrem unglücklicher Zufall.“

Aus Friedels Sicht zeigt der Abschuss von GW4174f eindringlich, dass schnelle Wolfsabschüsse, wie sie auch Ministerpräsident Markus Söder, Vize-Ministerpräsident Hubert Aiwanger und viele andere Politiker fordern, kein wirklicher Beitrag zum Schutz von Kühen, Schafen und Ziegen auf den Weiden sind. Sondern die große Ausnahme bleiben müssen, wenn gleichsam wirklich nichts anderes mehr hilft. Priorität, darin sieht sich der BN gerade durch den aktuellen Abschuss bestätigt, müsse unbedingt der Herdenschutz durch Zäune, entsprechende Hunde oder auch durch Hütepersonal haben.

„Denn die getötete Wölfin war ja eigentlich keine Gefahr für die Herden auf der Höhen Rhön“, sagt Friedel. „Dafür ist jetzt GW3092f weiter unterwegs, die Gefahr, die sie für die Nutztiere dort darstellt, besteht fort.“ Der BN, der ein vehementer Verfechter des strengen Wolfsschutzes ist, hat sich schon seit Längerem damit abgefunden, dass man GW3092f abschießen wird müssen, damit ihre Angriffe auf Nutztiere ein Ende haben.

Zumindest vorerst ist etwas Ruhe eingekehrt. Das berichtet der Schäfer Schulz. Ein Grund sei, „dass es seit dem Abschuss keinen Übergriff auf Schafe gegeben hat“. Auf der anderen Seite wäre ein Abschuss von GW3092f aktuell gar nicht möglich, zumindest kein legaler. Denn die Abschussgenehmigung für sie ist erloschen. Außerdem hat sich herausgestellt, dass nicht sie es war, die bei dem letzten Vorfall die sechs Schafe getötet und die beiden anderen verletzt hat. Sondern ihr Partner GW3519m.

Die Regierung von Unterfranken will erst bei einem neuen Wolfsübergriff prüfen, ob es eine neue Abschussgenehmigung geben kann und wenn ja, für welchen Wolf. Im Übrigen macht eine Sprecherin klar, dass ihre Behörde auch künftig allein entscheiden wird – ohne Naturschutzverbände wie die GzSdW oder den BN zu beteiligen. Die Abschusserlaubnis für GW3092f sei „als artenschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung“ erlassen worden, erklärt sie. „Das Bundesnaturschutzgesetz sieht für diesen Fall keine Beteiligung Dritter vor.“

 

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