Naturschutz:Raubbau an der Bergwelt

Grüne kritisieren Staatsregierung für mangelnden Landschaftschutz

Von Christian Sebald

Wenn es um den Schutz der Berge in Bayern geht, denkt man sofort an das Riedberger Horn. Liftbetreiber und Touristiker wollen auf dem 1787-Meter-Berg im Oberallgäu unbedingt eine Skischaukel mit neuer Seilbahn und weitläufiger Piste errichten. Die Umweltverbände bekämpfen die Pläne massiv. Denn das Riedberger Horn ist ein wichtiges Refugium für die sehr seltenen Birkhühner. Obwohl die Pläne für die Skischaukel gegen alle möglichen Vorgaben des Naturschutzes verstoßen, könnte es gut sein, dass sich die Liftbetreiber durchsetzen und das Skigebiet ausgebaut wird.

Das Riedberger Horn ist nur ein Beispiel, wie schlecht es um den Schutz der bayerischen Alpen bestellt ist. Seit 1992 sind in den Bergen 5335 Hektar vormals freie Landschaft zubetoniert worden. Das geht aus den Antworten der Staatsregierung auf eine große Anfrage der Landtags-Grünen hervor. "5335 Hektar, das ist eine Fläche von der Größe des Starnberger Sees", sagt Grünen-Fraktionschef Ludwig Hartmann. "Der Flächenfraß in den Bergen ist ungebrochen, dabei sind sie einer unserer sensibelsten Räume."

Es ist nicht der Flächenfraß alleine, über den sich Hartmann aufregt. Seit 2005 wurde in den Bergen kein einziges neues Naturschutzgebiet ausgewiesen. Die Landschaftsschutzgebiete (LSG) verloren sogar an Fläche, zum Teil dramatisch. In der Region Rosenheim beträgt das Minus 684 Hektar, in Miesbach 67, im Oberallgäu, wo das Riedberger Horn liegt, 24 Hektar. "Die Zahlen sind deshalb so dramatisch", sagt Hartmann, "weil der Freistaat, was seine Naturschutzgebiete anbelangt, ja nur auf 60 Prozent des Bundesdurchschnitts kommt." Einzig in Hessen und Rheinland-Pfalz sind die Anteile der Naturschutzgebiete an der Landesfläche noch geringer als in Bayern.

Es gibt noch eine Kennziffer, die für Hartmann den Raubbau an der Bergwelt belegt. Das ist der rasante Anstieg der Zahl der Umweltverträglichkeitsprüfungen (UVP) für den Ausbau von Skigebieten. Von 1995 bis 2005 belief sie sich auf nur zwei, bei insgesamt 65 Projekten. Von 2005 bis 2015 waren es 16 UVPs bei 89 Projekten. "Man mag von neuen Liften und Schneekanonen halten, was man will", sagt Hartmann, "aber die exorbitante Steigerung zeigt, dass Liftbetreiber und Freistaat immer weniger Rücksicht auf die Bergwelt nehmen." Eine UVP wird nötig bei Projekten in besonders sensiblen Naturräumen und mit sehr starken Auswirkungen.

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