Naturschutz:Nationalpark-Pläne stoßen im Spessart auf Widerstand

  • Die Staatsregierung hat beschlossen, einen dritten Nationalpark in Bayern einzurichten.
  • In der Region regt sich dagegen Widerstand.
  • Mit aller Macht werde er sich dagegen wehren, sagt der CSU-Abgeordnete Peter Winter.

Von Katja Auer und Christian Sebald

Peter Winter lässt keinen Zweifel aufkommen, wie er die Idee findet. Überhaupt keinen. "Mit aller Macht" werde er sich dagegen wehren, dass aus dem Spessart ein Nationalpark wird, sagt der CSU-Abgeordnete aus Waldaschaff. Die Staatsregierung hat bei ihrer Klausur in St. Quirin beschlossen, einen dritten Nationalpark in Bayern einzurichten.

Winter war als Chef des wichtigen Haushaltsausschusses dabei und schon am Tegernsee habe er Umweltministerin Ulrike Scharf sehr deutlich gemacht, dass er den Spessart für den falschen Ort hält. Noch ist keine Entscheidung gefallen, dem Vernehmen nach soll der Spessart jedoch ganz vorne auf der Kandidatenliste stehen. Wenn sich nun einflussreiche Politiker wie Winter dagegen positionieren, lässt das eine scharfe Auseinandersetzung erwarten, wie sie im Steigerwald seit Jahren erbittert geführt wird.

Mit dem Unterschied, dass sich die Bayerischen Staatsforsten im Spessart wohl nicht so massiv gegen einen Nationalpark stellen werden wie im Steigerwald. "Die Staatsregierung hat sich entschieden, einen dritten Nationalpark einzurichten", sagt Staatsforsten-Chef Martin Neumeyer. "Wir werden den weiteren Prozess konstruktiv und sachlich begleiten."

Die Staatsforsten bewirtschaften im Hochspessart allein rund um den ökologisch sehr wertvollen und streng geschützten Heisterblock ein zusammenhängendes Waldgebiet von 42 000 Hektar. Es würde sich hervorragend für einen Nationalpark eignen, weil es vergleichsweise abgeschieden liegt und etliche weitere streng geschützte Naturwälder umfasst. Neumeyer kündigte an, dass die Staatsforsten dem Umweltministerium alle fachlichen Unterlagen und Expertisen zuliefern werden.

Dies gelte für den Spessart genauso wie für andere potenzielle Nationalpark-Standorte. "Wir werden das sehr offen und transparent machen", sagt der Staatsforsten-Chef, "und dabei alle fachlichen Argumente für oder gegen einen etwaigen Nationalpark auflisten." Politische Positionierungen wie im Steigerwald, wo ein Staatsforsten-Betriebsleiter seit Jahren erbittert gegen einen Nationalpark agiert, dürften damit im Spessart ausgeschlossen sein. Der Steigerwald ist als einziger Standort von den Plänen für einen Nationalpark ausgenommen. Des starken Widerstands wegen.

Dürften die Leute künftig noch Brennholz aus dem Wald holen?

Peter Winter sieht auch im Spessart einiges Protestpotenzial. Schließlich gebe es viele Gemeinden mit alten Holzrechten, jahrhundertealten sogar, so lange schon holen sich die Leute ihr Brennholz aus dem Wald. Er selber auch. Das würden sich die Menschen nicht nehmen lassen, sagt Winter. "Das hat der Kurfürst nicht geschafft, das hat der König nicht geschafft und das schaffen die auch nicht", sagt er.

Ohnehin hält Winter einen Nationalpark für nicht zweckdienlich. Die Artenvielfalt im Spessart sei auch der vernünftigen Bewirtschaftung zu verdanken, ohne die es etwa die alten Eichenhaine gar nicht gäbe. Im Nationalpark würden die Eichen nicht überleben, sagt Winter, die Buchen würden sich durchsetzen.

Jens Marco Scherf radelt gerade durch den Odenwald als er sich mit dem zweiten Mittelgebirge beschäftigen soll, das in seinen Landkreis Miltenberg hineinreicht. Überrascht sei er, sagt er, von den Spekulationen, der Spessart könnte Bayerns dritter Nationalpark werden. Zwar sei ihm die Schönheit des Spessart hinlänglich bekannt, klar, aber von einem Nationalpark sei bislang nie die Rede gewesen.

Die Waldnutzung gehöre im Spessart dazu

Nun ist Scherf ein Grüner, da möchte man dem Klischee zufolge ein wenig mehr Begeisterung erwarten. Aber Scherf mahnt zur Ruhe und will erst mal abwarten, ob jemand aus der Staatsregierung auf ihn zukommt.

Das sei bislang nicht geschehen. Dann müsse man mit allen Beteiligten reden und "dann müssten sehr viele Informationen her". Er kennt die Bedenken, die ein solcher Plan wecken könnte. "Wir haben eine jahrhundertealte Tradition, mit dem Spessart zu leben", sagt er, "und dazu gehört auch die Waldnutzung." Die fiele weg, würde aus dem Spessart ein Nationalpark.

Auf die Bewirtschaftung des Waldes weist auch Thomas Schiebel (Freie Wähler) hin, der Landrat von Main-Spessart. Er sei erstaunt über das Vorgehen der Staatsregierung, sagt er, die einen Nationalpark beschließe, ohne vorher die Stimmung in den möglichen Gebieten zu sondieren. Gerade erst einen Tag beschäftige er sich mit dem Thema, sagt er, eine differenzierte Meinung habe er sich deswegen noch nicht gebildet.

Die alten Baumbestände seien besonders schützenswert, das schon, aber darauf werde auch jetzt schon geachtet. Der Spessart ist Naturpark und Schiebel dessen Vorsitzender, die Gegend zieht besonders Fahrradfahrer und Wanderer an. Touristisch könnte ein Nationalpark von Nutzen sein. Schiebel will nun zunächst den angekündigten Dialogprozess der Umweltministerin abwarten.

Ein Nationalpark könnte viele Besucher in die Region locken

Oliver Kaiser, der Geschäftsführer des Naturparks Spessart, findet die Idee eines Nationalparks reizvoll, allerdings fürchtet er, dass die Diskussion in Grabenkämpfen endet, die schlecht für die ganze Region wären. Er hofft auf eine sachliche und fachliche Debatte. Ein Nationalpark biete mehr Möglichkeiten für den Naturschutz, sagt er, von Berufs wegen sei er andererseits daran interessiert, den Schutz und die Nutzung des Waldes unter einen Hut zu bringen. Mit einem lachenden und einem weinenden Auge betrachte er die Pläne also.

Einer der wenigen Einheimischen, für die ein Nationalpark im Spessart schon jetzt die Erfüllung eines Lebenstraums wäre, ist Michael Kunkel. Der 57-jährige Forstwirt ist Gemeindearbeiter in Heigenbrücken und kennt den Spessart wie kaum ein zweiter. Von Kindesbeinen an ist er in den einmaligen Buchen- und Eichenwäldern unterwegs, seit gut zehn Jahren sammelt er Informationen über sie und veröffentlicht sie auf seiner Homepage (www.spessart-wald.de).

"Wir haben hier so viele Naturschätze", sagt Kunkel. "Mit einem Nationalpark kämen sie so richtig zur Geltung." Allein um den Heisterblock herum liegen fünf weitere wertvolle Naturwaldreservate, dazu in unmittelbarer Nähe das idyllische Hafenlohrtal. "Wo, wenn nicht hier, könnte besser und leichter Bayerns dritter Nationalpark entstehen", sagt Kunkel. Voraussetzung ist für ihn eine offene und sachliche Informationskampagne, "damit auch die anderen in der Region sehen, was wir hier für Möglichkeiten haben".

Die wünscht sich auch der Greenpeace-Waldexperte Martin Kaiser. Die Umweltorganisation unterstützt als einzige bisher Kunkels Engagement öffentlich und offensiv. "Die alten Buchenwälder im Spessart stehen ja bereits europarechtlich unter Schutz", sagt Kaiser. "Der Freistaat muss für sie sowieso Management-Pläne und Schutzkonzepte erarbeiten. Mit einem Nationalpark in dem Gebiet würde er ihren Status deutlich verbessern." Auch wirtschaftlich könnte Unterfranken einen großen Sprung nach vorne machen, sagt Kaiser. "Allein schon die zentrale Lage des Spessarts ziemlich genau in der Mitte zwischen Würzburg und Frankfurt wird viele Besucher in die Region ziehen."

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