Naturschutz:Grundwasser in vielen Regionen stark mit Nitrat belastet

Landwirt beim Odeln, 2017

Das Nitrat in der Gülle lässt zwar die Pflanzen auf Äcker und Weiden gedeihen, sickert aber auch bis ins Grundwasser.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)
  • Letztes Jahr haben sich Bund und Länder auf eine neue Düngeverordnung geeinigt, doch der Streit um den Grundwasserschutz hält an.
  • Experten schätzen, dass 2021 etwa 40 Prozent der Grundwasserströme in Bayern die EU-Vorgaben zur Nitratbelastung nicht mehr erfüllen - solange sich nicht schnell etwas ändert.
  • Eine neue Karte, die besonders belastete Regionen kennzeichnen soll, kritisieren Kommunen und Wasserversorger als viel zu lax.

Von Christian Sebald

Es ist ziemlich genau ein Jahr her, da haben die damaligen Minister Helmut Brunner (Landwirtschaft) und Ulrike Scharf (Umwelt, beide CSU) versprochen, dass die Bauern künftig strengere Vorgaben für den Grundwasserschutz einhalten müssen. Denn auch in Bayern bringen die Bauern so viel Gülle aus, dass in etlichen Regionen viel zu viel Nitrat in das Grundwasser gelangt. Grund der Ansage war der jahrelange Streit zwischen Deutschland und der EU um einen besseren Grundwasserschutz, der in einer Verurteilung der Bundesrepublik durch den Europäischen Gerichtshof gipfelte.

2017 haben sich Bund und Länder deshalb auf eine neue Düngeverordnung mit schärferen Vorgaben für die Bauern geeinigt. Diese müssen die Länder nun präzisieren. Allein aus Brunners und Scharfs Versprechen ist bisher nichts geworden. Im Gegenteil: Nach Recherchen der SZ hält der harte Streit zwischen Bayerischem Bauernverband, Wasserversorgern und Kommunen um den Grundwasserschutz unvermindert an.

Nitrat ist ein besonderer Stoff. Zwar ist er sehr wichtig für das Gedeihen der Pflanzen auf den Äckern und Weiden. In hohen Konzentrationen ist Nitrat aber nicht nur eine Gefahr für Flora und Fauna. Sondern auch für den Menschen. Der Stoff steht sogar im Verdacht, Krebs auslösen zu können. Für Trinkwasser gilt deshalb EU-weit ein Grenzwert von 50 Milligramm Nitrat je Liter. Das weitaus meiste Trinkwasser in Bayern wird aus Grundwasser gewonnen.

Grundwasser hat von Natur aus einen Nitrat-Gehalt von maximal zehn Milligramm. Davon sind inzwischen viele Trinkwasserbrunnen weit entfernt. Selbst der Trinkwasser-Grenzwert wird inzwischen an vielen Messstellen gerissen. Ebenso der Vorsorgewert von 37,5 Milligramm Nitrat je Liter, ab dem die Wasserversorger etwas tun müssen, damit sich die Qualität des Grundwassers nicht weiter verschlechtert. Experten gehen davon aus, dass 2021 knapp 40 Prozent der Grundwasserströme in Bayern die EU-Vorgaben nicht mehr erfüllen, wenn man nicht schleunigst gegensteuert. Darunter sind weite Teile Niederbayerns, Nordschwabens und Frankens, aber auch einzelne Regionen Oberfrankens, der Oberpfalz und Oberbayerns.

Seit Monaten ist im Agrar- und im Umweltministerium eine Landesverordnung zur Düngung in Arbeit. Ihre bisherige Basis ist Insidern zufolge eine Bayern-Karte mit dem Namen "Rote Gebiete Nitrat". In ihr sind alle Regionen des Freistaats eingezeichnet, in denen die Nitrat-Belastung des Grundwassers so hoch ist, dass die Bauern zusätzliche Düngevorgaben akzeptieren müssen. In den übrigen sogenannten grünen Gebieten soll es dagegen sogar Erleichterungen geben.

Kritik: "Rote Gebiete Nitrat"-Karte ist viel zu lax

Der Ärger begann, als die Kommunen, die Wasserversorger und der Bauernverband von der Karte erfuhren. Den Kommunen und den Wasserversorgern ist sie viel zu lax. Vor allem in Oberfranken und der Oberpfalz gibt es Insidern zufolge eine ganze Reihe Grundwasser-Messstellen, an denen der 50-Milligramm-Grenzwert gerissen wird. In der aktuellen Karte liegen sie alle inmitten der grünen Zone, in der die Bauern mit Erleichterungen rechnen können. "So geht das nicht", sagt ein Insider. "Wenn das Bestand hat, wird der Grundwasserschutz ad absurdum geführt."

Außerdem fordern die Wasserversorger, die Zusatzvorgaben in den roten Gebieten zu verschärfen. Bisher ist vorgesehen, dass die Bauern dort einmal im Jahr ermitteln müssen, wie viele Nährstoffe ihre Ackerböden enthalten. Außerdem müssen sie die Gülle ihrer Tiere auf deren tatsächlichen Nitratgehalt analysieren. Und sie müssen beim Düngen einen etwas breiteren Abstand zwischen ihrem Nutzland und den angrenzenden Bächen und Gewässern einhalten als ihre Kollegen in den grünen Regionen. "Das sind die mildesten Zusatzvorgaben überhaupt, die denkbar sind", sagt ein Experte, der nicht genannt werden will. "Viele Kollegen haben massive Zweifel, dass sie einen Effekt haben."

Der Bauernverband wiederum wirft dem Freistaat vor, den Zustand des Grundwassers schlechter zu reden, als er sei. Denn der Freistaat lege bei seinen Bewertungen sehr viel strengere Maßstäbe an als andere Bundesländer. Auch an den Wasserversorgern übt er harsche Kritik. Die Unternehmen beklagten zwar permanent, dass das Grundwasser vielerorts belastet sei. Zugleich aber weigerten sie sich, ihre Messwerte offenzulegen und die betroffenen Messstellen zu benennen, sagte der Umweltreferent des Bauernverbands, Martin Erhardsberger, kürzlich. Zugleich betonte er, dass die Landwirte "den Schutz des Grund- und Trinkwassers sehr ernst nehmen" und sich im Rahmen vieler freiwilliger Kooperationen um weitere Verbesserungen bemühten.

Die Experten im Agrar- und im Umweltministerium fühlen sich derweil wie in einer Zwickmühle. Sie sollen bis Anfang September eine Kabinettsvorlage über den neuen Grundwasserschutz im Freistaat präsentieren. Derzeit überarbeiten sie die Karte mit den "Roten Gebieten Nitrat". Geplant ist eine zusätzliche, weiße Gebietskategorie. In ihr soll die Düngeverordnung des Bundes gelten - ohne Verschärfungen und ohne Erleichterungen. Wie groß die weißen Gebiete ausfallen werden, ist unklar. Fest steht nur, dass sie weite Teile der bislang grünen Zone umfassen dürften.

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