Naturschutz:Der Favorit

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Die Donau-Auwälder kristallisieren sich immer mehr als erster Anwärter für Bayerns dritten Nationalpark heraus. Und die Region hat ein perfektes Vorbild in Niederösterreich. Mit einer Erfolgsgeschichte

Von Christian Sebald, München

Wenn Umweltministerin Ulrike Scharf (CSU) nicht reden will, lässt sie sich auch nichts entlocken. So auch in Sachen dritter Nationalpark in Bayern. Wer Scharf dieser Tage fragt, welche Region das Rennen machen wird, die unterfränkische Rhön oder die Donau-Auwälder bei Neuburg an der Donau, erhält stets die Antwort, dies werde das weitere Auswahlverfahren ergeben. Mehr sagt Scharf nicht. Dabei kristallisiert sich inzwischen der Favorit heraus. Es sind die Donau-Auwälder bei Neuburg an der Donau.

Ausgerechnet die Donau-Auwälder. Bisher räumten Beobachter der Region allenfalls Außenseiterchancen ein. Doch das hat sich seit dem Ausscheiden des Spessarts aus der Debatte grundlegend geändert. Nun bekennen sich immer mehr Fachleute, Naturschützer und Politiker zu den Donau-Auwäldern - wenn auch nicht offen. Sogar Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU), in dessen Stimmkreis Neuburg/Donau liegt, soll schon "mit glänzenden Augen" erklärt haben, dass er ein großer Fan der Auwälder in seiner Heimat sei. So berichten es Kabinettsmitglieder, die dabei waren.

Jenseits von Seehofers gewiss gewichtiger Fürsprache haben die Neuburger Auwälder viele Pluspunkte in der weiteren Debatte. Sie sind die größten und artenreichsten Überreste der einst gigantischen urtümlichen Flusslandschaften nicht nur in Bayern, sondern in ganz Deutschland. Zudem wäre ein Nationalpark dort der erste seiner Art in der Bundesrepublik. Auch in der Region wäre das Schutzgebiet willkommen. Selbst bisherige Kritiker wie der Kelheimer Landrat Martin Neumeyer (CSU) haben eingelenkt - unter der Voraussetzung, dass der Freistaat Rücksicht auf die Bauern und Jäger in der Region nimmt.

Ein zentraler Aspekt für die Karriere der Neuburger Auwälder ist, dass es ein Vorbild für einen solchen Nationalpark gibt. Und zwar eines, das bis in Details passt. Zugleich zeigt es, dass so ein Auen-Nationalpark eine Erfolgsgeschichte sein kann - wenn man es nur richtig anpackt. Das Vorbild ist der niederösterreichische Donau-Auen-Nationalpark. Er liegt zwischen Wien und Bratislava, den Hauptstädten Österreichs und der Slowakei also, und ist nicht nur ein hochkarätiges Naturschutzgebiet. Sondern zugleich ein beliebtes Naherholungsgebiet für Zigtausende Wiener.

Es sind natürlich zu allerst die üppige Flora und Fauna, welche die Neuburger Auwälder und der Donau-Auen-Nationalpark gemeinsam haben. Auch wenn der österreichische Nationalpark, der 1996 gegründet worden ist, 20 Jahre Vorsprung hat, und deshalb dort die Renaturierungen von Donau-Altarmen, betonierten Ufern und anderem sehr viel weiter fortgeschritten sind als in Bayern. Aber hier wie dort ragen knorrige Eschen, Pappeln und Ulmen in den Himmel, darunter gedeihen Weißdorn, Heckenkirschen und alle möglichen anderen Sträucher. In den Tümpeln trifft man auf Grasfrösche, Erdkröten und anders Getier. Und hier wie dort fühlen sich seltene Eisvogel wohl, der Seeadler und der Rotmilan.

Der Vergleich zeigt außerdem, dass in den Neuburger Auwäldern im Kern bereits eine Nationalpark-Infrastruktur existiert. Das gilt nicht nur für die Wanderwege und die Führungen, die sie dort anbieten. Sondern vor allem für das Neuburger Besucherzentrum mit seiner Dauerausstellung über die Region und seiner Auwald-Forschungsstelle. Es gleicht schon rein äußerlich dem österreichischen Nationalparkzentrum wie ein Ei dem anderen. Beide Einrichtungen sind in vormaligen Jagdschlössern untergebracht, das bayerische in einem Wittelsbacher, das österreichische in einem Habsburger. Auch über den Naturschutz hinaus gibt es Gemeinsamkeiten. So sind die Neuburger Auwälder Teil der Region Ingolstadt, einer der stärksten und dynamischsten Regionen des Freistaats. Der österreichische Donau-Auen-Nationalpark liegt mitten im Ballungsraum Wien unweit des Flughafens Schwechat.

Selbst in den Unterschieden kann man Perspektiven für einen Nationalpark bei Neuburg erkennen. So stehen in der Neuburger Donau vier Kraftwerke samt Stauwehren und Stauseen. Im österreichischen Donau-Auen-Nationalpark ist die Donau ein freifließender Fluss. Dafür ist sie dort eine internationale Schifffahrtsstraße auf der Lastkähne, Kreuzfahrtschiffe und Ausflugsboote verkehren. Und das wird immer so bleiben. Die Naturschützer im Nationalpark stört das nicht. Im Gegenteil. Die Kooperation mit den Schifffahrtsbehörden, etwa bei der Renaturierung der Flussufer, funktioniere sehr gut, sagt die Nationalparksprecherin und fragt, warum das mit Kraftwerksbetreibern anders sein sollte.

Überhaupt wissen sie in der österreichischen Nationalparkverwaltung sehr gut Bescheid über die Neuburger Auwälder. So wie die Naturschutzbeamten am Landratsamt in Neuburg den Nationalpark dort aus dem Effeff kennen. Beide Verwaltungen kooperieren eng - in dem Netzwerk Danubeparks, zu dem sich die 16 hochkarätigsten Naturlandschaften an der Donau zusammengeschlossen haben. Im Herbst reisen der Neuburger Landrat Roland Weigert und sein Kreistag in den Donau-Auen-Nationalpark. Sie wollen sich Infos holen, wie sie ihre Auwälder pushen können, damit sie Bayerns dritter Nationalpark werden.

© SZ vom 04.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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