Naturschutz:Blumen und Beton

In der Umweltpolitik hat sich die einst fortschrittliche CSU vom Paulus zurück zum Saulus gewandelt

Von Christian Sebald

Es gibt eine kleine Geschichte, die womöglich bezeichnender ist für das aktuell sehr schwierige Verhältnis der CSU zum Naturschutz als die Streitereien um den Flächenfraß oder den Artenschutz. Im August - deutlich vor der für die Partei desaströsen Landtagswahl - beriet das Kabinett, was der Freistaat dem Nationalpark Bayerischer Wald 2020 zu dessen 50-jährigem Bestehen spendieren will. Die Liste, die herauskam, ist lang. 20 Millionen Euro werden in das Straßennetz der Region investiert, vier Millionen für Rad- und Wanderwege. Und für fünf Millionen werden die Nationalparkzentren aufgehübscht. Nur für den Naturschutz hat sich das Kabinett nichts ausgedacht. Dabei ist der Schutz der Natur oberster Zweck jedes Nationalparks. In der Umweltszene waren sie sehr verwundert über die Geschenkliste.

Die CSU hat seit jeher eine zwiespältige Beziehung zur Umweltpolitik. Das hohe Lied auf die Einmaligkeit und die Vielfalt der Natur im Freistaat ist fester Bestandteil ihrer DNA. Auch hat die Partei immer wieder wichtige Akzente gesetzt. Als 1970 der Nationalpark Bayerischer Wald eingerichtet wurde, war er der erste in Deutschland. Der Freistaat war das erste Bundesland, das - ebenfalls 1970 - ein Umweltministerium etablierte. Und im Landesentwicklungsprogramm, dem Masterplan für die gute Zukunft Bayerns, spielte der Naturschutz lange eine zentrale Rolle.

Die CSU hat auch immer wieder Umweltpolitiker von Rang in ihren Reihen. Der langjährige Bundestagsabgeordnete Josef Göppel etwa stand mit seinem Nein zur Atomkraft jahrzehntelang in klarem Gegensatz zur Unionslinie. Oder Alois Glück. Zwar lag der Fokus des früheren Chefs der Landtags-CSU auf der Sozialpolitik. Aber Glück, inzwischen 78, achtete immer sehr genau darauf, dass der Naturschutz zu seinem Recht kam in Bayern.

Auch Ministerpräsident Markus Söder hat umweltpolitisches Gespür. Jahre bevor die Debatte um die Agrar-Gentechnik Fahrt gewann, sprach er sich als CSU-Generalsekretär klar gegen die Technologie aus. Nach dem GAU 2011 im japanischen Kernkraftwerk Fukushima war er als damaliger Umweltminister einer der ersten Politiker, die an einem Szenario für Deutschlands endgültigen Atomausstieg bastelten. So wie auch Horst Seehofer. Der Ex-Ministerpräsident hat nicht nur die Energiewende befördert. Sondern 2013 auf die Kanalisierung des letzten frei fließenden Donauabschnitts in Bayern verzichtet und damit eine umweltpolitische Dauerfehde befriedet. Und mit seiner Idee für Bayerns dritten Nationalpark reagierte er auf die immer drängenderen Wünsche der Bevölkerung nach mehr Naturschutz.

Auf der anderen Seite ist die CSU seit jeher eine Wirtschaftspartei. Den Interessen der großen Unternehmen, des Mittelstands und des Handwerks, aber auch der Landwirtschaft räumt sie einen herausragenden Stellenwert ein. Der Lohn ist, dass es der Bevölkerung in Bayern seit Jahrzehnten so gut geht wie höchstens noch der in Baden-Württemberg. Beobachter beklagen indes, dass die Interessen der Wirtschaft immer öfter andere politische Themen überlagern. So wirft der Umweltpolitiker Göppel seiner Partei vor, sie sei längst auf dem "Weg zu einer reinen Wirtschaftspartei". Der Naturschutz sei "zunehmend ohne Belang" und werde immer öfter "als reiner Ballast" empfunden.

Wie sehr Göppel Recht hat, konnte man an den heftigen internen Streits um Bayerns dritten Nationalpark sehen. Unter Berufung auf lokale Widerstände hat die Landtagsfraktion Seehofers Werben torpediert, wo sie nur konnte. Fraktionschef Thomas Kreuzer und andere Spitzenleute halten so ein Großschutzgebiet schlicht für überflüssig. Im Frühjahr berief Söder auf Drängen der Fraktionsspitze die frühere Umweltministerin Ulrike Scharf überraschend nicht wieder ins Kabinett. Sie hatte sich aus deren Sicht viel zu hartnäckig für das Projekt eingesetzt. Auch dass Partei und Fraktion inzwischen Scharfs Nachfolger Marcel Huber komplett fallen ließen, zeigt, wie gering der Stellenwert der Umweltpolitik in der CSU derzeit ist. Huber ist einer der letzten Fachpolitiker, der über die Parteigrenzen und bei allen einschlägigen Verbänden hoch anerkannt ist.

Angesichts des Schocks über den Wahlerfolg der Grünen versucht derweil zumindest Söder, Boden gut zu machen. Seit dem 14. Oktober beteuert er, dass Natur und Umwelt in der Staatsregierung eine bedeutsamere Rolle spielen werden als zuletzt. Auch im Koalitionsvertrag finden sich alle möglichen Ankündigungen zum Flächenfraß, zur Artenvielfalt und dergleichen strittigen Themen mehr. Man wird sehen, was daraus wird.

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