Naturschutz:Damit der Alpen-Knorpellattich eine Zukunft hat

Naturschutz: Der gelbe Alpen-Knorpellattich war vom Aussterben bedroht. Auf Kiesbänken wurden Pflanzen einzeln eingesetzt, die sich gut behaupten.

Der gelbe Alpen-Knorpellattich war vom Aussterben bedroht. Auf Kiesbänken wurden Pflanzen einzeln eingesetzt, die sich gut behaupten.

(Foto: LRA GAP/oh)

Dank der Offensive für Bayerns Alpenflusslandschaften erholen sich viele Tier- und Pflanzenarten. Doch manche sind nicht mehr zu retten

Von Christian Sebald

Der Alpen-Knorpellattich (Chondrilla chondrilloides) ist eine unscheinbare, gelbblühende Pflanze, die 15 bis 30 Zentimeter hoch wird. Einst war er weit verbreitet an den bayerischen Alpenflüssen. Durch ihre Regulierung und den Bau von Staustufen sind die Bestände aber so dramatisch zurückgegangen, dass Chondrilla chondrilloides vom Aussterben bedroht ist. Das letzte große Vorkommen wächst im Ammergebirge. Damit der Alpen-Knorpellattich eine Zukunft hat, sind vor drei Jahren auf Kiesbänken an der oberen Isar bei Wallgau und der Linder nahe Kloster Ettal 150 Alpen-Knorpellattiche angepflanzt worden. Die Pflänzchen haben sich gut behauptet. Experten sind zuversichtlich, dass der Alpen-Knorpellattich nun auch wieder an Isar und Linder vorkommen wird.

Die Wiederansiedlung des Alpen-Knorpellattichs ist ein Beispiel-Projekt der großen Naturschutzinitiative "Alpenflusslandschaften - Vielfalt leben von Ammersee bis Zugspitze". Sie ist Teil des Bundesprogramms "Leben.Natur.Vielfalt" und steht nach sechs Jahren nun kurz vor ihrem offiziellen Abschluss. "Die Alpenflüsse sind ein besonders sensibler und wertvoller Lebensraum für zahlreiche seltene Tier- und Pflanzenarten", sagt Wolfgang Hug von der Naturschutzorganisation WWF. "Wir haben in den letzten Jahren viel erreicht." Und zwar nicht wegen der Wiederansiedlung des Alpen-Knorpellattichs und der anderen 67 Naturschutzprojekte, die seit 2015 an Lech, Ammer, Loisach und Isar umgesetzt worden sind.

Sondern auch wegen der fast 400 Diskussionen, Vorträge, Schulungen, Führungen und Exkursionen, die parallel dazu stattfanden. Das war und ist das große Ziel von "Leben.Natur.Vielfalt": Jung und Alt zu begeistern für die Naturschätze, die vor ihrer Haustür liegen, und sie für ihren Erhalt zu sensibilisieren. "Denn es ist das Miteinander, das der Motor ist für eine gemeinsam gestaltete und ökologisch nachhaltige Zukunft", sagt Projekt-Koordinator Hug. Natürlich ist das Hotspot-Projekt auch ein großes Miteinander von Organisationen, Verbänden, Regionen und Institutionen. Die Bandbreite reicht von den großen Umweltverbänden LBV und BN über den Alpenverein und den Isartalverein sowie einer ganzer Reihe Landkreise bis hin zum Landesfischereiverband und zu den bayerischen Kanuten.

Die größten Einzelprojekte betrafen die Alpenflüsse selbst. So sind an der unteren Ammer und am Ammersee Altwasser renaturiert worden, die rasch von Laubfrosch, Waldwasserläufer und der Sumpfheidelibelle angenommen wurden. An Isar und Lech weideten Ziegen, Esel und Rinder, damit die Magerrasenflächen dort nicht verbuschen und die Artenvielfalt erhalten bleibt. Die Litzauer Schleife, die einer der letzten natürlichen Flussabschnitte des Lechs ist, bekam neue Kiesbänke, auf dass die Fische mehr Laichplätze haben. Und an der Ammer bei Peiting sollen der Fluss und damit die Flora und Fauna an ihm bald wieder mehr Freiheit bekommen. Voraussichtlich nächsten Winter wird dort ein Damm zurückversetzt und damit das Flussbett deutlich verbreitert.

Das Hotspot-Projekt hat aber auch klar gemacht, dass es Verluste gibt, die man nicht wieder rückgängig machen kann, selbst wenn man sich noch so bemüht. Die Flussseeschwalbe hat noch vor gut hundert Jahren zu Hunderten an den bayerischen Alpenflüssen gebrütet. Inzwischen zählt sie ebenfalls zu den bedrohten Arten. Die Gründe sind die gleichen wie beim Alpen-Knorpellattich. Wegen der Regulierung der Alpenflüsse und des Baus von Staustufen sind praktisch alle ihre Lebensräume verloren gegangen.

Fünf Jahre lang versuchte der LBV, Flussseeschwalben an der Isar bei Wolfratshausen neu anzusiedeln. Der Einsatz war groß. Die Vogelschützer fertigten Flussseeschwalben-Attrappen an und spielten während der Balzzeit aus einer Lautsprecheranlage Koloniegeschrei der Vögel ab. Damit wollten sie echte Flussseeschwalben anlocken. Der Erfolg war extrem überschaubar. Nur einmal wurden zwei Flussseeschwalben auf das Koloniegeschrei aufmerksam. Das war es dann aber auch.

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