Süddeutsche Zeitung

Natur:Viele Vögel sind schon wieder da

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Die heimischen Singvögel kehren aus ihren Winterquartieren zurück. Und den vielen Arten, die in Bayern geblieben sind, kommt der milde Winter zugute. Doch Ornithologen sorgen sich um die Stare.

Von Christian Sebald, München

Wer dieser Tage draußen ist, kann die ersten Hausrotschwänze von den Dachgiebeln herab singen hören. Die Singvögel, die etwas kleiner sind als Hausspatzen und ihren Namen von ihrem rostorange gefiederten Schwanz haben, kommen gerade aus ihren Winterquartieren im Mittelmeerraum zurück. "Als erstes treffen die Männchen ein", sagt Manfred Siering von der Ornithologischen Gesellschaft Bayern. "Vor allem die älteren sind sehr gut an ihrem tiefschwarzen Federkleid mit den kontrastierenden weißen Flügelspitzen zu erkennen." Außerdem ist da ihr markanter kratzender, gequetschter Gesang, in den sie immer wieder klare Flötentöne mischen. Wenn demnächst die Weibchen heimkommen, haben die Männchen bereits die Brutreviere besetzt.

Die Hausrotschwänze sind nur ein Beispiel für das Frühjahrsleben auf den Wiesen, in den Wäldern und in den Gärten. Auch in den Dörfern und den Städten kann man jetzt allüberall die Vögel singen hören. Für Manfred Siering, der in Grünwald bei München wohnt und einen weitläufigen Garten sein eigen nennt, ist jedes Frühjahr eine Festzeit. Das gilt auch dieses Jahr, trotz der Corona-Pandemie und der schlimmen Nachrichten jeden Tag. "Ich freue mich immer sehr auf die Rückkehr der Singvögel und den Beginn der Balz", sagt Siering. "Wenn es dann so weit ist und ich die ersten höre, tut mir das richtig gut." Vor wenigen Tagen hat der 73 Jahre alte gelernte Banker, der zu den renommiertesten Vogelkundlern Bayerns zählt, den ersten Zilpzalp dieses Frühjahrs gehört. Aber auch ein Sommergoldhähnchen war schon da.

Der Zilpzalp hat seinen Namen von seinem markanten Gesang. Der kleine, unauffällige, oliv-bräunlich gefiederte Vogel zählt zu den Laubsängern. Wie das Sommergoldhähnchen, das eine der kleinsten Vogelarten Mitteleuropas ist, halten sich Zilpzalps gerne in Gärten auf. Aber auch in lichten Wäldern und Stadtparks sitzen sie dieser Tage auf den Baumwipfeln und pfeifen wie wild. Das Sommergoldhähnchen erkennt man gut an dem kurzen Triller am Ende seiner Si-Si-Si-Rufe. Beide Arten sind häufig, mit etwas Spürsinn kann man sie sogar in den Randbereichen von München oder Nürnberg hören.

Wer dagegen die Heckenbraunelle erleben will, muss in einen Wald gehen. Die ebenfalls recht häufige Art führt dort ein sehr heimliches Leben. Ihr eher unauffälliges Aussehen hilft ihr sehr dabei. Brust und Kopf sind bleigrau bis schiefergrau, Rücken und Flügel satt dunkelbraun und schwarz gestreift. Beim Reviergesang, der bisweilen an ein quietschendes Wagenrad erinnert, sitzen die Männchen im Unterholz auf kahlen Ästen. "Später im Jahr leben Heckenbraunellen fast ständig am Boden", sagt Siering. Je dichter ein Wald ist, desto mehr Braunellen kann man in ihm antreffen. In Jungfichtenbeständen sollen sogar bis zu 15 Brutpaare auf zehn Hektar Fläche vorkommen. Wobei das mit den Brutpaaren bei den Heckenbraunellen so eine Sache ist. "Da leben nämlich mehrere Männchen und Weibchen in lockerer Bindung und verpaaren sich untereinander", sagt Siering.

Die Amseln sind nicht nur hier geblieben. Sondern sie gehören auch zu den Frühbrütern. Vor etwa 150 Jahren war die Amsel, die Deutschlands zweithäufigste Vogelart ist, noch ein recht scheuer Waldbewohner, der dem Winter nach Italien oder Frankreich ausgewichen ist. Das tun inzwischen immer weniger Amseln. Heute haben sie sich in den Städten und Dörfern so gut eingelebt, dass man in fast jedem Garten welche beobachten und natürlich hören kann. Derzeit brüten bereits die ersten. Oft gibt es erste Amsel-Bruten schon Ende Februar, Anfang März.

Bei den Buchfinken und den Kohlmeisen, die ebenfalls hier überwintert haben, dauert es noch etwas mit den Bruten. Bei ihnen ist es erst Ende März und in der zweiten Aprilhälfte so weit. Die einen lassen dieser Tage ein lautes, durchdringende "Zipzipzip" hören, die anderen ein reines, hohes "Zi-da-dit, Zi-da-dit". Buchfinken, Kohlmeisen und all den anderen Vogelarten hier kommt der extrem milde Winter 2019/2020 sehr zugute. "Die Nahrungssituation war die ganzen letzten Monate sehr günstig", sagt Siering. "So wie es in der Sonne warm wird, tanzen Schwärme von Wintermücken in meinem Garten. Außerdem sieht man Nachtfalter, Weberknechte und allerlei anderes Getier."

Ganz besonders freut sich Siering über die Rückkehr der Singdrosseln. "Sie waren zuletzt so selten, dass ich mir richtig Sorgen gemacht hab", sagt er. Die Sperlingsvögel mit dem feinen mehrsilbigen flötenden Gesang erkennt man gut an den schwarz-braunen Flecken auf ihren Unterseiten. Die bayerischen Singdrosseln überwintern im spanischen Katalonien, wo sie "rücksichtslos gejagt werden", wie Siering sagt. Dieses Jahr hat der Vogelkundler aber schon vergleichsweise viele Singdrosseln gehört. "Offenbar geht es ihnen wieder besser", sagt Siering. "Vögel können ja bisweilen große Ausfälle kompensieren."

Die Stare hingegen bleiben Sierings Sorgenkinder. Sie leiden seit Jahren an der Verschiebung der Jahreszeiten durch den Klimawandel. "Bei der ersten Brut im April gibt es oft noch so einen Kälteeinbruch, dass ihn die Jungen nicht überstehen", sagt Siering. "Bei der zweiten um Pfingsten herum gab es zuletzt oft Unwetter oder Hochwasser, so dass auch nur wenig Nachwuchs durchkam." Wenn die beiden ersten Gelege nichts geworden sind, haben Stare noch ein sogenanntes Ersatzgelege. "Das fällt dann in den Sommer", sagt Siering, "und die sind inzwischen oft so heiß, dass das auch wieder schlecht ist für den Nachwuchs." Die Zahl der Stare in Bayern ist denn auch seit einiger Zeit rückläufig. In Franken immerhin sind dieser Tage schon etliche Rückkehrer aus dem Mittelmeerraum beobachtet worden.

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Quelle:
SZ vom 24.03.2020
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