Artenschutz:Der Böhmischen Enzian gibt ein Lebenszeichen von sich

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Der Böhmische Enzian kommt nur im Dreiländereck vor. (Foto: Elke Schlabschi/LBV)
  • Der Ökologe Thomas Zipp erzielt nach mehr als 20 Jahren erste Erfolge im Artenhilfsprojekt für den Böhmischen Enzian.
  • Zum Aufblühen kam der Kranzenzian im Dreiländererck von Bayern, Tschechien und Österreich rund um den Dreisessel.
  • Grund für den Erfolg ist eine Probefläche auf tausend Höhenmeter, die optimale klimatische Bedingungen für den Böhmischen Enzian bietet.

Von Christian Sebald, München

Naturschützer kämpfen oft auf schier aussichtslosem Posten. All ihrem leidenschaftlichen Einsatz zum Trotz werden die Roten Listen bedrohter Tier- und Pflanzenarten immer länger und sogar Allerweltsarten wie der Spatz oder die Mehlprimel immer seltener. Manchmal gelingen jedoch unerwartete und spektakuläre Erfolge. Thomas Zipp aus Neureichenau im Bayerischen Wald hat jetzt einen solchen erreicht - und zwar beim Böhmischen Enzian. Die violett blühende Pflanze kommt weltweit nur im Dreiländereck von Bayern, Tschechien und Österreich rund um den Dreisessel vor und ist seit Jahren vom Aussterben bedroht.

Zipp, 66 und freiberuflicher Ökologe, betreut seit 1989 ein Artenhilfsprojekt für den Böhmischen Enzian am Dreisessel. "All die Jahre mit sehr überschaubarem Erfolg", sagt Zipp. "Natürlich hatten wir mal mehr, mal weniger Böhmische Enziane, aber unterm Strich sind wir auf der Stelle getreten." Ganz anders in diesem Jahr: Auf einer Probefläche von Zipp hat sich der Böhmische Enzian außergewöhnlich stark vermehrt. Mehr als 70 Exemplare zählte er auf dem nur einen Quadratmeter kleinen Stück Boden.

"Das ist eine Sensation", sagt Zipp. "Das sind mehr Enziane, als wir vergangenes Jahr in der gesamten Region kartiert haben." Und so wie es aussieht, ist Zipps Erfolg nicht einmalig. Auf derselben Probefläche hat er nämlich weitere 90 Jungpflanzen gezählt, die im nächsten Jahr blühen werden. "Nun haben wir endlich eine Perspektive", sagt der Naturschützer. "Wenn wir jetzt alles richtig machen, hat der Böhmische Enzian eine echte Zukunftschance."

Einst war der Böhmische Enzian weit verbreitet in der Region, "vor allem auf den Weiden in den Hochlagen rund um den Dreisessel", wie Zipp berichtet. Bis 1920 wurden auf den Gebirgsstock mit dem 1333 Meter hohen Gipfel im Sommer bis zu 400 Rinder hinaufgetrieben. Mit der Aufgabe der Hochweiden verschwand auch der Böhmische Enzian. Zuletzt wurde er nur noch auf einer Handvoll Standorte nachgewiesen, zumeist auf tschechischer Seite.

Die zweijährige, krautige Pflanze wird bis zu 45 Zentimeter hoch und blüht von Juni bis Oktober. Weil der Böhmische Enzian weltweit nur rund um den Dreisessel vorkommt, fällt er für Norbert Schäffer, den Chef des Landesbunds für Vogelschutz, in die gleiche Kategorie wie der Schneeleopard und andere prominente, hoch bedrohte Arten weltweit. "Wenn er hier in der Dreiländer-Region verschwindet, verschwindet er ganz", sagt Schäffer. Das ist auch der Grund, warum die Pflanze unter dem besonderen Schutz der EU steht. Sie hat Deutschland die Verantwortung für ihren Erhalt übertragen.

Zipps Erfolg kommt nicht von ungefähr. "20 Jahre haben wir alles Mögliche probiert, um dem Böhmischen Enzian auf die Beine zu helfen", sagt er. "Aber nichts gelang." In ihrer Not begannen Zipp und Thomas Engleder, der das Artenhilfsprojekt auf österreichischer Seite betreut, sogenannte Erhaltungskulturen anzulegen. Das heißt, sie sammelten Samen des Böhmischen Enzians und züchteten ihn in Blumentöpfen. "Mit der Zeit konnten wir schöne Mengen Enzian-Samen ernten", sagt Zipp. Die werden nun auf Probeflächen ausgebracht. Damit wollen die Naturschützer herausfinden, wo die besten Bedingungen für die Pflanze herrschen.

Zwölf Probeflächen haben Zipp und Engleder angelegt. Aber nur die am Dreisessel war ein richtiger Erfolg. Der Grund, so vermutet Zipp, ist ihre Lage auf tausend Höhenmeter. "Da herrschen offenbar klimatisch optimale Bedingungen für den Böhmischen Enzian", sagt er. "Mit Ausnahme der Höhenlage sind unsere zwölf Probefelder nämlich ziemlich gleich." Zipp will nun die Enzian-Aussaat am Dreisessel ausweiten. Dafür müssen freilich die Hochlagen dort erst einmal "Enzian-tauglich gemacht werden", wie er sagt. "Am besten mit Rindern. Die würden die Flächen dort so kurz halten, dass der Böhmische Enzian sicher gedeiht."

© SZ vom 21.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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