Süddeutsche Zeitung

Natur:Bayern ist ein ausgezeichnetes Wolfsland

  • In Bayern häufen sich seit Anfang 2015 die Nachweise von Wölfen.
  • Ein Wolfsexperte geht davon aus, dass der Wolf in Bayern wieder heimisch wird - 150 Jahre nach seiner Ausrottung.

Von Christian Sebald

Entspannt steht der junge Wolf da, ein Hinterbein hat er etwas von sich gestreckt, mit der Schnauze schnüffelt er am Boden. Was auf dem ein wenig unscharfen Schwarz-Weiß-Bild einer automatischen Wildkamera irgendwo südwestlich von Memmingen nicht zu sehen ist: Kurz bevor der Wolf in die Fotofalle getappt ist, hat er ein Reh gerissen. "Wir gehen davon aus, dass es sich um ein einzelziehendes Tier handelt", sagt der Jäger Andreas Ruepp. "Wahrscheinlich ist er weiter in Richtung Norden unterwegs."

Der Memminger Wolf ist der zehnte Nachweis eines Wolfs in Bayern seit Anfang 2015. Dabei ist es noch nicht so lange her, da war es eine Sensation, wenn irgendwo in Freistaat einer gesichtet wurde. Inzwischen kommt alle paar Wochen aus einem Eck in Bayern die Meldung, dass dort ein Wolf unterwegs ist. Im Bayerischen Wald hat sich sogar einer niedergelassen. Seit eineinhalb Jahren streift er in der Nationalpark-Region herum. Zum Vergleich: Von 2006 bis 2014 gab es in Bayern nur sechs Nachweise von Wölfen.

Ulrich Wotschikowsky hat wenig Zeit. Der Wolfsexperte und passionierte Jäger ist gerade im fränkischen Steigerwald zur Jagd auf Wildschweine und Rehe. Wotschikowsky hat schon immer gesagt, dass es einzig eine Frage der Zeit ist, bis in Bayern wieder Wölfe heimisch werden - 150 Jahre nach ihrer Ausrottung. "Wir erleben gerade, dass der Ring um den Freistaat immer enger wird", sagt er. "Ob in Ostdeutschland oder in den Karpaten, in der Schweiz oder in den italienischen und französischen Alpen - überall um uns herum gibt es immer mehr Rudel, aus denen jedes Jahr junge Tiere abwandern und sich auf Reviersuche machen."

Ein Beispiel: Erst diesen Sommer hat sich auf einem Truppenübungsplatz im niederösterreichischen Waldviertel ein Rudel etabliert - das erste in Österreich, seit dort 1882 der letzte Wolf abgeschossen wurde. Vom Waldviertel sind es nur hundert Kilometer Luftlinie in den Bayerischen Wald. "Ein Klacks für einen jungen Wolf", sagt Wotschikowsky.

Oder im tschechischen Erzgebirge. Dort leben inzwischen zwei Wolfsrudel. Aber auch aus dem schweizerischen Calanda-Rudel wandern jedes Jahr zwei oder drei Jungwölfe ab. Der Gebirgsstock, nach dem das Rudel benannt ist, ist gerade mal 60 Kilometer vom Bodensee entfernt.

"Außerdem ist Bayern ein ausgezeichnetes Wolfsland", sagt Wotschikowsky. "Die Alpen und die Mittelgebirge in Franken, der Oberpfalz und Niederbayern mit ihren Wäldern sind ein optimaler Lebensraum für Wölfe." Dort gibt es nicht nur unzählige stille Ecken, wo die Raubtiere ungestört ihre Tage und Nächte verbringen können. Sondern auch so viel Wild, dass sie allemal satt werden und auch die Jäger noch ausreichend Beute machen können. Allein im Alpenvorland, so hat Wotschikowsky überschlagen, gäbe es Platz für einige Dutzend Rudel.

Bleibt die Frage, wann sich das erste Rudel in Bayern bildet. "Das weiß keiner", sagt der Experte. "Das hängt auch vom Zufall ab - es müssen sich ja ein Rüde und ein Weibchen treffen." Wotschikowsky ist aber sehr zuversichtlich. "Ich habe da seit Langem eine Wette mit einem Jagdfreund laufen, dass er mir eine gute Flasche Wein spendieren muss, wenn es wieder ein Wolfsrudel in Bayern gibt", sagt er. "Inzwischen bin ich mir ziemlich sicher, dass ich sie gewinne." Wotschikowsky ist 76.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3256637
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 19.11.2016/libo
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.