Klimaschutz:"Unsere Lokalpolitiker sehen den Wert ihrer Heimat nicht"

Klimaschutz: Die Burgruine ist das Wahrzeichen von Nassenfels - unmittelbar daneben soll ein Sportplatz gebaut werden.

Die Burgruine ist das Wahrzeichen von Nassenfels - unmittelbar daneben soll ein Sportplatz gebaut werden.

(Foto: Mauritius)

Ministerpräsident Söder hat ein Renaturierungsprogramm für Bayerns Moore angekündigt - doch in der Kommunalpolitik sind seine Worte noch nicht angekommen. In Nassenfels gibt es nun Ärger um ein Bauprojekt.

Von Christian Sebald, Nassenfels

Wenn es um den Klimaschutz in Bayern geht, dann kommt den Mooren eine herausragende Bedeutung zu. So sagen es nicht nur Fachleute. Sondern auch Ministerpräsident Markus Söder (CSU). "Moore sind oft unterschätzte CO₂-Speichereinheiten", hat Söder in seiner Klimaschutz-Regierungserklärung im Juli betont. "Sie haben eine enorme Wirkung, die umgerechnet doppelt so hoch ist wie Wald." Und deshalb hat Söder für Bayern "eines der größten Renaturierungsprogramme Deutschlands zur Sanierung und Wiedervernässung von 55 000 Hektar Moorfläche" angekündigt.

In der Kommunalpolitik sind Söders Worte von der Wichtigkeit der Moore dagegen noch nicht angekommen. Das sagt Kerstin Merkel aus Nassenfels. Die Kunsthistorikerin und Honorarprofessorin an der Katholischen Universität Eichstätt ist Vorsitzende des Vereins "Pro Schuttermoor". Sie kämpft gegen die Pläne ihrer Heimatgemeinde, am Ortsrand einen neuen Sportplatz zu errichten - auf intaktem Moorboden. "Der Umgang mit dem Schuttermoor macht mich fassungslos", sagt Merkel. "Unsere Lokalpolitiker sehen den Wert ihrer Heimat nicht."

Nassenfels ist eine ländlich geprägte Gemeinde mit gut 2200 Einwohnern. Es liegt ungefähr 15 Kilometer westlich von Ingolstadt im Landkreis Eichstätt im Urdonautal. Heute fließt die Schutter an Nassenfels vorbei, das Flüsschen mündet in Ingolstadt, wo sie teils unterirdisch verläuft, in die Donau. Archäologische Funde zeigen, dass die Region schon in der Steinzeit besiedelt war. Nassenfels selbst geht auf die Zeit der Römer zurück. Sie gründeten dort um 90 nach Christus ein Kastell. Das heutige Ortsbild wird von der Ruine einer mächtigen Burg geprägt, deren Ursprünge ins elfte Jahrhundert zurückreichen. Das Schuttertal gilt als bedeutsames und in großen Teilen intaktes Moor. Dort leben zahlreiche seltene Tier- und Pflanzenarten. Eine Besonderheit sind die sogenannten Gießbrunnen. Das sind starke Karstquellen, die nahe Nassenfels im Schuttermoos an die Oberfläche treten und dort bläulich schimmernde Quellteiche bilden.

Nun will Nassenfels am östlichen Ortsrand nahe der Schutter und der Burgruine einen neuen Sportplatz bauen. Geplant sind zwei Fußballplätze, ein Gemeinschaftshaus und ungefähr 120 Parkplätze. Insgesamt soll sich die neue Anlage einmal auf 2,6 Hektar bisher freier Landschaft erstrecken. Das Genehmigungsverfahren läuft. Wenn alles glatt geht, rechnet der Nassenfelser Bürgermeister Thomas Hollinger (CSU) damit, dass die Baugenehmigung nächstes Jahr erteilt wird.

Hollinger verteidigt die Pläne. Man habe sie genau abgewogen und dürfe nicht nur einen Aspekt betonen. Die alten Sportplätze liegen im Wasserschutzgebiet, man müsse sie verlegen. Sonst habe der Sportverein, der FC Nassenfels, keine Zukunft. Die Anlage müsse gut erreichbar sein. Der Standort nahe der Schutter sei auch deshalb gut, weil er ebenerdig sei und weder groß abgegraben, noch aufgeschüttet werden müsse. Außerdem sei der Moorboden dort "nicht unser wertvollstes Moos" - man werde dafür aber mitten im Kerngebiet des Schuttermooses eine mehr als doppelt so große Ausgleichsfläche renaturieren. Überhaupt, sagt Hollinger, stehe nicht nur der FC Nassenfels zu den Plänen. Sondern auch die Mehrheit der Nassenfelser, jedenfalls so weit er es beurteilen könne.

Merkel, die seit 20 Jahren in Nassenfels lebt und derzeit in China ist, nennt das "Wissensverweigerung". Inzwischen müsse jedem, der sich informiere, klar sein, wie wichtig Moore für den Klimaschutz sind, sagt sie. "Deshalb darf man ein intaktes Moorstück nicht zerstören, schon gar nicht, weil man sich kurzfristige Vorteile davon verspricht." Aus ihrer Sicht sind die Nassenfelser Sportplatz-Pläne ein typisches Beispiel für das Versagen von Kommunalpolitik. "Hier in der Region war das Moor immer ungeliebt und wertlos, seit Jahrhunderten legt man es trocken", sagt sie. "Seine Schönheit, seine Unberührtheit und seine Bedeutung für den Klimaschutz zählen nicht." Besonders enttäuscht sie, dass sich höherrangige CSU-Politiker - die Landtagsabgeordnete und der Bundestagsabgeordnete etwa - aus dem Streit heraushielten. Gleichwohl will Merkel nicht aufgeben. Im Landtag liegen mehrere Petitionen aus dem Umfeld ihres Vereins "Pro Schuttermoos" vor. Außerdem ist ein Bürgerbegehren vorbereitet.

Zur SZ-Startseite

ExklusivUmwelt in Bayern
:Zwei Milliarden Euro für den Klimaschutz

Umweltminister Thorsten Glauber will mit viel Geld den Nahverkehr ausbauen, Moore schützen und Windräder bauen - nur der Koalitionspartner CSU weiß davon noch nichts.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: