Süddeutsche Zeitung

Namensliste in Akte:Wie Gustl Mollath ins Visier der NSU-Ermittler geriet

Es klingt wie ein schlechter Scherz: 2006 erstellten die Ermittler in Zusammenhang mit der NSU-Mordserie eine Namensliste. Darauf zu finden: Mehrere fränkische Neonazis - und der Name "Mollath, Gustl".

Von Robert Andreasch und Kathrin Haimerl

  • Gustl Mollath geriet in Zusammenhang mit der Mordserie der Zwickauer Terrorzelle ins Visier der Ermittler: Sein Name findet sich auf einer Liste in einer Akte des NSU-Untersuchungsausschusses.
  • Mollath selbst war zu diesem Zeitpunkt bereits im Bezirkskrankenhaus in Straubing.

Liste mit dem Namen "Mollath, Gustl"

Hypothesen gehören zur Polizeiarbeit, keine Frage. Besonders viel spekuliert haben die Ermittler bei der NSU-Mordserie, einiges deutet auf Vorurteile und eingefahrene Denkmuster hin.

Im Sommer 2006 gingen die Ermittler der sogenannten "BAO Bosporus" verstärkt von einem rassistisch motivierten Einzeltäter aus. Im Juli 2006 erstellte das Polizeipräsidium Mittelfranken eine Liste der Personen, die zu überprüfen seien. Dies geht aus einer Akte aus dem NSU-Untersuchungsausschuss hervor.

Auf dieser Liste, die SZ.de vorliegt, findet sich auch ein Name, der derzeit wieder bundesweit Schlagzeilen macht: "Mollath, Gustl". Mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit dürfte es sich dabei um eben jenen Gustl Mollath handeln, der siebeneinhalb Jahre gegen seinen Willen in der Psychiatrie untergebracht war und jetzt vor Gericht um seine Rehabilitation kämpft. Jedenfalls stimmen die Geburtsdaten überein.

Neues Täterprofil als Basis der Ermittlungen

Im Mai 2006 hatte man zu den erfolglosen Ermittlungen den Profiler Alexander Horn hinzugezogen. Er erstellte ein neues Täterprofil zu den ungeklärten Morden - und durchbrach damit erstmals die Arbeitshypothese der Polizei, die Täter ausschließlich im Umfeld der Opfer zu suchen. Die Ermittler sollten nun verstärkt nach einem rassistisch motivierten Einzeltäter Ausschau halten. "Psychopathische Persönlichkeitsstruktur", steht im Profil. Und: "Täter entwickelt die Vorstellung einer eigenen 'Mission'."

Auf Basis dieses Fahndungsprofils klapperten die Nürnberger Ermittler die umliegenden Polizeiinspektionen ab und erstellten die Liste. Vieles spricht dafür, dass alle möglichen psychisch irgendwie auffälligen Personen erfasst sind. Darüber hinaus finden sich auf der Liste auch mehrere bekannte fränkische Neonazis.

Weshalb die Ermittler Mollath aufgenommen haben und ob sie ihn ernsthaft als Täter in Betracht zogen, dazu wollte sich das Polizeipräsidium Mittelfranken nicht äußern. Eine Sprecherin verwies auf das "laufende Verfahren" und an das Oberlandesgericht München. Auch dort wehrte man die Anfrage ab, man sei nicht befugt, zu Akten aus dem NSU-Untersuchungsausschuss Auskunft zu geben.

Die Beamten scheinen der Spur allerdings nicht lange gefolgt zu sein. Sie forschten noch nach Mollaths damaligem Arbeitgeber - vergeblich: Eine Anfrage bei der Deutschen Rentenversicherung ergab "nicht bekannt".

Mollath bereits in Straubing

Mollath befand sich im Sommer 2006 nicht mehr in Nürnberg, sondern im Bezirkskrankenhaus Straubing. Er war im Februar 2006 festgenommen worden. Und zwar nachdem er zwei Streifenbeamte bat, seine Personalien aufzunehmen. Die Beamten sollten überprüfen, ob er auf einer Fahndungsliste zu finden sei.

Zu diesem Zeitpunkt lag gegen Mollath bereits ein Einweisungsbeschluss vor - auf Basis eines psychiatrischen Gutachtens, das ihn als gemeingefährlich einstufte und das schließlich zu dem höchst umstrittenen Urteil im August 2006 führte.

Um genau diese Einschätzung geht es nun bei dem Wiederaufnahmeverfahren in Regensburg.

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