Nahverkehr:Regensburg bekommt wieder Straßenbahnen

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Damals war Regensburg moderner als heute: Ein Blick auf die Tramhaltestelle am Arnulfsplatz mit dem Capitol-Kino. (Foto: Otmar Fritz)

1964 stellte die Stadt den Betrieb der Straßenbahn ein. Weil Regensburg inzwischen im Autoverkehr versinkt, werden die Pläne für ein Comeback immer konkreter.

Von Andreas Glas

In Regensburg gibt es einen Ort, an dem sich Vergangenheit und Zukunft näher sind, als man meint: eine Garage im Stadtosten, auf dem Hof eines Schrotthändlers. Der Hof ist ein Friedhof für Maschinen, die früher fortschrittlich waren und heute der Rost auffrisst.

Auch in der Garage im Stadtosten parkt so eine Maschine. Ein Triebwagen und ein Beiwagen der Trambahn, die von 1903 bis 1964 durch die Altstadt rumpelte. Eben ein Relikt der Vergangenheit. Oder? Nein, sagt Jan Mascheck, 41. "Das einzige konservative und zukunftsfähige Verkehrsmittel ist die Straßenbahn."

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Draußen poliert ein Restaurator die Außenverkleidung, drinnen streichelt Mascheck die rissige Holzvertäfelung in Beiwagen Nummer 79. "Spuren der Geschichte", sagt er und klingt ein bisschen verliebt. Er hat zum Gespräch in die alte Tram geladen, auch Rainer Maria Kaetsch, 64, und Martin Kempter, 50, sind gekommen. Sie gehören einem Verein mit sperrigem Namen an: "Interessengemeinschaft Historische Straßenbahn Regensburg".

Klingt nach vorgestern, täuscht aber. Die drei wollen, dass es wieder rumpelt in ihrer Stadt. Sie lassen die Tram restaurieren, weil sie hier wieder fahren soll. Obendrein wollen sie, dass Regensburg ein hochmodernes Straßenbahnnetz kriegt. Sie wollen das unbedingt, sie setzen sich seit Jahren dafür ein. Und jetzt? Schaut es so aus, als könnte das wahr werden.

Es ist das wohl ehrgeizigste Projekt seit Jahrzehnten in Regensburg. Die vor 54 Jahren ausrangierte Tram steht vor einem Comeback. Gelingt es, könnte Regensburg zur Avantgardistin werden, die sich für ein Zukunftsprojekt in der Vergangenheit bedient. In Frankreich hat die Tram-Renaissance längst Einzug gehalten.

Auch hierzulande haben Städte ihre Straßenbahnlinien ausgebaut. Eine komplett neue Wiedereinführung gab es aber nur vereinzelt, in Heilbronn etwa oder in Saarbrücken; auch zwischen Nürnberg, Erlangen und Herzogenaurach ist eine Stadtumland-bahn in Planung. Reiht sich Regensburg in die Liste der Retro-Pioniere ein?

"Seilbahn, Bus, alles Quatsch", sagt Mascheck. Für ihn ist die Tram die einzige Lösung, um verstopfte Straßen frei zu kriegen. Regensburg wächst ja und wächst. Mehr Leute, mehr Autos, mehr Staus. "Das Chaos, das wir jetzt in der Stadt haben, will keiner länger mitmachen." Das Chaos, das Mascheck meint, spürt Regensburg zurzeit heftiger denn je. Kürzlich hat der Ausbau der A 3 entlang der Stadt begonnen.

Seitdem sind die Staus noch länger als zuvor. Nicht nur auf der Autobahn, auch in der Stadt, weil die Leute versuchen, dem Stau auf der A 3 auszuweichen. Spätestens jetzt wird sichtbar, was fehlt: ein potentes ÖPNV-System. Spätestens jetzt rächt sich, dass die Stadtplaner zu lange "auf einer falschen Ideologie waren", sagt Jürgen Huber (Grüne). "Das war über Jahrzehnte die CSU-Linie: Es gibt mehr Verkehr, also bauen wir noch eine Straße dazu."

Auch Huber, 64, ist einer, der die Tram unbedingt will. Er ist Umweltreferent und Dritter Bürgermeister. Er sitzt in seinem Büro im Rathaus, auf dem Tisch ein Plan, der zeigt, wie das Tram-Netz aussehen könnte: wie ein umgedrehtes Ypsilon. Das Netz führt von Wutzlhofen im Norden ins Stadtzentrum, am Hauptbahnhof teilt es sich in zwei Linien in Richtung Süden; eine zur Uniklinik, die andere nach Burgweinting.

Redet Huber über die Tram, sagt er "Stadtbahn". So heißt das Projekt im Papier der Rathauskoalition aus SPD, Grünen, Freien Wählern und FDP. Huber will die Tram, um so viele Autos wie möglich aus der Stadt rauszukriegen. Über den Autoverkehr sagt er: "Das ist unser größtes Problem."

Dass Huber die Straßenbahn zurückhaben will, hat mit Nostalgie nichts zu tun. Schon deshalb, weil Straßenbahnen nicht mehr rumpeln, heute sind das Hightech-Fahrzeuge. Außerdem, sagt Huber, "brauchen wir keine Ideologien, sondern Lösungen, die für die Lebensqualität gut sind". Diese Lebensqualität hat sich verändert seit 1964, als Regensburg die Straßenbahn abgeschafft und durch Busse ersetzt hat. Damals galt der Bus als Transportmittel der Zukunft, heute gibt es einige Argumente gegen den Bus.

Erstens: Pünktlichkeit. Es gibt in Regensburg Busspuren, doch weil der Verkehr zugelegt hat, steht auch der Bus mal im Stau. Die Tram dagegen würde auf einer eigenen Trasse am Stau vorbeifahren. Zweitens: Kapazität. In einen Gelenkbus passen nur rund 100 Leute, in eine Tram gehen mal locker doppelt so viele rein. Drittens: die Umwelt. In der Altstadt fährt ein Elektrobus, aber im übrigen Stadtgebiet trägt die Flotte dazu bei, dass die Luft in Regensburg dreckiger ist als in den meisten anderen Städten Bayerns. Und viertens gebe es da einen psychologischen Effekt, sagt Huber. "Die Schiene kann sich nicht verfahren", das schaffe Vertrauen. In eine Tram "steigen auch Leute, die nie in einen Bus steigen würden". Es gibt Studien, die Huber recht geben: Wird von Bus auf Tram umgestellt, steigt die Mitfahrerzahl teils enorm.

Im Stadtrat gebe es eine Mehrheit, sagt Huber. Er geht sogar davon aus, "dass wir eine einstimmige Entscheidung pro Stadtbahn kriegen". Eine Online-Befragung habe gezeigt, dass auch die Mehrzahl der Bürger die Tram will. Und es gebe ein Gutachten, das sagt, "dass unsere Idee keine Spinnerei ist" - und vor allem förderfähig. Etwa 450 Millionen Euro soll die Idee kosten, Huber rechnet mit Zuschüssen bis zu 90 Prozent durch Bund und Land.

Später könnte das Netz auf den Landkreis ausgedehnt werden. Im Straßenbahn-Verein sind sie dennoch skeptisch: "Ich glaube es erst, wenn ich es sehe", sagt Martin Kempter. Er fürchtet, dass die Politik einknickt, wenn sich zu viele beschweren, dass die Tram direkt vor ihrer Haustür fahren soll.

Auch Huber rechnet mit Widerstand. Letztens, als die Tramtrasse in Karlsruhe verlängert wurde, "sind die in jedem Wohnzimmer gesessen", um Überzeugungsarbeit zu leisten, "das wird uns genauso blühen". Auch bei Autofahrern gebe es Vorbehalte. Dabei gehe es "nicht um Stadtbahn gegen Auto", sondern darum, den Verkehr zu entzerren. "Wir brauchen die Stadtbahn, damit Autos überhaupt wieder in den Straßen fahren können."

Kommt die Stadtbahn, stellt sich auch die Frage, was mit Beiwagen Nummer 79 passiert. Der Straßenbahn-Verein musste viel Geld sammeln, um ihn herzurichten. Der alte Triebwagen soll ebenfalls hergerichtet werden. Jan Maschecks größter Wunsch ist, dass die alte Tram als Nostalgiebahn in der Maximilianstraße fährt, um dort die eher unbeliebte Fußgängerzone zu beleben. "Das wäre eine Attraktion, die keine andere Stadt zu bieten hat."

© SZ vom 21.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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