Süddeutsche Zeitung

Nächtlicher Verkauf an Tankstellen:Alkohol nur für Autofahrer

Wenn der Kühlschrank leer ist und der Supermarkt zu hat, konnte man sich in Bayern nach 20 Uhr bisher an Tankstellen mit Snacks und Getränken versorgen. Doch nun ist der nächtliche Verkauf im Freistaat untersagt. Nur noch Autofahrer dürfen sich mit "kleineren Mengen" eindecken, Fußgänger und Fahrräder werden abgewiesen. Der Unmut bei Kunden und Pächtern ist groß.

Beate Wild

Sie waren der letzte Notnagel, wenn die bayerischen Supermärkte ihre Türen nach 20 Uhr wegen des Ladenschlussgesetzes schon geschlossen hatten: die Tankstellen. Kam abends noch jemand spontan zu Besuch, konnte man wenigstens dort noch Chips, Schokolade, Cola oder Bier kaufen. Doch mit dem nächtlichen Einkauf bei der Tankstelle um die Ecke ist nun Schluss.

Seit Juni 2012 gilt im Freistaat eine neue Regelung. "Tankstellen ohne Gaststättenerlaubnis dürfen nach Ladenschluss kleinere Mengen an Lebens- und Genussmitteln nur noch an Reisende verkaufen", heißt es in der Bekanntmachung des Bayerischen Arbeits- und Sozialministeriums. Als Reisende gelten "Kraftfahrer und Mitfahrer eines Kraftfahrzeugs". Radler und Fußgänger sind demnach keine Reisenden, egal, wohin sie unterwegs sind. Das bedeutet: Autofahrer oder Biker bekommen nach 20 Uhr an der Tankstelle noch Bier und Wein, Fußgänger und Fahrradfahrer nicht mal eine Cola.

Auch die "kleinere Menge", die ein Reisender erstehen darf, ist genau festgelegt: zwei Liter pro Person, bei einem Getränk mit bis zu acht Prozent Alkoholgehalt. Das bedeutet entweder zwei Liter Cola oder vier Halbe Bier. Bei Getränken zwischen acht und 14 Prozent, beispielsweise Prosecco oder Wein, gibt es nur noch einen Liter pro Person. Bei Schnaps nur 0,1 Liter.

"Die Leute sind sehr verärgert", zieht Günter Friedl drei Monate nach Inkrafttreten der neuen Regeln Bilanz. Er ist Inhaber der Sprint-Tankstelle in München-Freimann und Vorsitzender des Tankstellenverbands Bayern. Wenn er Kunden an der Kasse eine Abfuhr erteilt, reagierten diese mit "großem Unverständnis", berichtet er.

Außerdem sehe man dem Kunden ja nicht an, ob er mit einem Auto oder zu Fuß vorbeigekommen sei, beklagt sich Friedl. Doch dieses Argument lässt das Bayerische Sozialministerium nicht gelten: "Nachts ist erfahrungsgemäß der Kundenandrang so gering, dass der Verkäufer durch einen Blick aus dem Tankstellenfenster feststellen kann, ob sich ein Kfz an der Zapfsäule oder auf dem Tankstellengelände befindet. Im Zweifel ist ihm eine Nachfrage durchaus zuzumuten", heißt es.

Täuscht sich der Pächter oder fragt er nicht nach, droht ihm eine Geldbuße. "Das Kreisverwaltungsreferat und die Polizei kontrollieren scharf", sagt Friedl. Er selbst wurde noch nie kontrolliert, aber er weiß von Kollegen zu berichten, die mit 500 Euro Strafe belangt wurden. Häufen sich die Verstöße, wird es bei jedem Vorfall teurer.

Doch so neu ist die Regelung für den Tankstellenverkauf gar nicht. Im Grunde gilt sie seit 1996. Mit den Vollzugshinweisen habe man lediglich den unbestimmten Rechtsbegriff "kleinere Mengen" gemäß einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. Februar 2011 konkretisiert, teilt das Sozialministerium mit.

Für die bayerischen Tankstellen sind die verschärften Vollzugshinweise laut Friedl jedenfalls "eine Katastrophe". Bayernweit seien 2400 Tankstellen betroffen. Als Vorsitzender des Tankstellenverbands Bayern sieht er schon die gesamte Tankstellenbranche in ihrer Existenz bedroht. Eine Tankstelle zu betreiben, rechne sich sowieso nur durch die Verkäufe aus dem Shop: "Am Benzin verdient ein Pächter ja kaum etwas, durchschnittlich etwa nur 0,9 Cent pro Liter."

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SZ vom 28.08.2012/wib/rus
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