Nimmt man die Einlassungen zum Maßstab, die ein ungewöhnlich großes Vorkommen unliebsamer Geschöpfe hierzulande mit großer Zuverlässigkeit hervorruft, muss man jedes Mal befürchten, ein Ausnahmezustand stünde bevor. Zuletzt beobachten konnte man das am Beispiel der Mücken, die regen- und hochwasserbedingt in größerer Zahl durch die Lande fliegen als sonst. „Mücken überfallen Deutschland“, warnte etwa Bild und selbst Bundestrainer Julian Nagelsmann sprach von einer „abartigen“ Plage.
Studiert man dieser Tage den Pressespiegel, muss einem angst und bange werden. Denn nach den Moskitos sucht die Republik das nächste Ungeziefer heim, gegen das – so kann man in der Welt lesen – besonders zuverlässig „mechanischer Mord“ hilft: Nacktschnecken. Es handele sich, so ist der Berliner Zeitung zu entnehmen, um eine „regelrechte Schleim-Invasion“.
Nun mag all das ein wenig martialisch klingen. An der Tatsache, dass die Schnecken heuer besonders gefräßig sind, ändert es nichts. Thomas Riehl, 63, ist als Obstbauberater am Landwirtschaftsamt Kitzingen Ansprechpartner für Betriebe in Ober- und Unterfranken. Er berichtet von „großen Problemen“ und meint damit weniger den zerfressenen Kohlrabi in seinem eigenen Garten als vielmehr die Schäden in der Landwirtschaft, besonders bei Erdbeeren. „Wenn die Ernte im größeren Ausmaß betroffen ist, kann das größere finanzielle Schäden verursachen“, sagt er.
Derlei haben sie auf dem Erdbeerhof Zehelein-Schemm im mittelfränkischen Diespeck noch nicht zu verzeichnen. Schnecken seien jedes Jahr ein Thema, sagt Peter Schemm, aus Erfahrung deckten sie ihre Pflanzen mit Stroh ab, das helfe. Privatleuten empfiehlt er, Rhabarberblätter auszulegen. Die zögen die Schnecken an „wie ein Magnet“. Einen Großteil ihrer Pflanzen verkauften sie nämlich an Hobbygärtner, die sehr wohl von einem verstärkten Befall berichteten.
Durch den milden Winter haben Schnecken überlebt, die sonst erfroren wären
Dabei gibt es Gottfried Röll zufolge heuer nicht unbedingt mehr Nacktschnecken. Die Tiere fühlten sich nur besonders wohl bei Feuchtigkeit – und weil es in diesem Jahr so viel regne, seien sie einfach aktiver, ergo: fräßen mehr. Röll berät als Gartenbautechniker an der bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG) in Veitshöchheim seit 33 Jahren Freizeitgärtner. Allmorgendlich kontrolliert der 63-Jährige die Felder, auf der die LWG allerlei Pflanzen anbaut und ihr Wachstum, Wettereinflüsse und den Befall durch Schädlinge überprüft. Bei Trockenheit und kühlen Temperaturen finde er „so gut wie keine Schnecke“, bei Regen und relativ warmen Temperaturen „massenhaft viele“, vorzugsweise an Salaten, Zucchini, Kürbissen, und Buschbohnen – eben in Bodennähe, wo die Schnecken leben.
Der regenreiche Frühling und Sommerbeginn im Freistaat sei „unwahrscheinlich günstig“ gewesen für sie. Dazu komme der recht milde Winter, den einige überlebt hätten, „die sonst im Winter erfroren wären.“ Ob die Hochwasser in Bayern, die regional zu feuchteren Böden führten, einen Einfluss auf die Zahl der Schnecken haben, könne er nicht sagen. Regionale Unterschiede gebe es aber allein aufgrund des unterschiedlich starken Niederschlags, sagt Röll.
Damit möglichst viele Pflanzen verschont bleiben, rät er Privatleuten, schon bei der Gartenplanung darauf zu achten, „dass man es den Schnecken nicht so wohlig macht“. Wenn irgend möglich, morgens gießen, weil der Boden sonst relativ lange feucht bleibe. Nicht zu viel Mulch im Beet, ringsherum härteres Material wie Split, auf dem die Schnecken mehr Schleim absondern müssten, dazu um ihre Leibspeisen wie Erdbeeren Schneckenzäune.
Und natürlich „absammeln, absammeln, absammeln“. Und dann? Was tun mit den Schnecken? „Das muss jeder selbst mit seinem Gewissen ausmachen“, sagt Röll. In manchem Garten dürfte es spätestens an diesem Punkt wieder martialisch zugehen.