Süddeutsche Zeitung

Nachfolger gefunden:Wechsler soll bayerische IG Metall anführen

Der Nürnberger Gewerkschafter Jürgen Wechsler wird nach SZ-Informationen im Sommer offenbar Amtsinhaber Neugebauer ablösen.

Uwe Ritzer

Die ersten Einladungen wurden bereits verschickt. In Bad Gögging wird die IG Metall am 26. Juni ihren bayerischen Bezirksleiter Werner Neugebauer nach 22 Jahren im Amt offiziell verabschieden. Der 59-Jährige ist gesundheitlich schwer angeschlagen und hatte den IG-Metall-Vorstand im März um seine baldige Entlassung aus dem Amt gebeten. Voraussetzung dafür ist, dass es einen Nachfolger gibt, der sofort übernehmen kann. Der scheint nun gefunden. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung aus Gewerkschaftskreisen wird Jürgen Wechsler, 54, neuer Landeschef der mit etwa 340.000 Mitgliedern größten bayerischen Einzelgewerkschaft.

Wechsler ist derzeit Erster Bevollmächtigter der IG Metall in Nürnberg. Er galt schon länger als heißer Kandidat für die Neugebauer-Nachfolge, ebenso wie sein Augsburger Kollege Jürgen Kerner und der Münchner Bevollmächtigte Horst Lischka. "Es lief aber von Anfang an alles klar auf Wechsler heraus", sagt ein Insider. Am vergangenen Wochenende trafen sich nach SZ-Informationen einflussreiche bayerische Metallgewerkschafter mit Neugebauer und IG-Metall-Vizechef Detlef Wetzel. Ergebnis des Treffens: Neugebauer wird bei der Sitzung der bayerischen Bezirkskommission der IG Metall an diesem Mittwoch vorschlagen, dass diese Wechsler auf den Schild hebt.

Es wäre eine wichtige Empfehlung, aber entscheiden wird die Personalie der Vorstand der IG Metall. Denn anders als die Bevollmächtigten in den Verwaltungsstellen werden Bezirksleiter nicht von der Basis gewählt, sondern vom Vorstand bestimmt und angestellt. Doch auch in Frankfurt hat man sich dem Vernehmen nach intern auf Wechsler festgelegt. Der Nürnberger gilt in der IG-Metall-Spitze als bestens vernetzt. Es wird erwartet, dass sich der Vorstand bereits Anfang Juni für ihn entscheidet.

Neugebauer wollte zudem auf Anfrage keine Stellungnahme abgeben, Wechsler war nicht erreichbar. Überhaupt hüllt man sich bei der IG Metall seit Wochen in Schweigen, was diese Personalie angeht. Hinter den Kulissen liefen allerdings seit Neugebauers Rückzugsankündigung die Drähte heiß. Dabei soll sich nach Informationen aus Gewerkschaftskreisen auch der weit überwiegende Teil der insgesamt 21 bayerischen Bevollmächtigten für Wechsler ausgesprochen haben. "Es gibt große Zustimmung", sagt einer. Die Zeit der beiden Mittvierziger Lischka und Kerner werde noch kommen, hieß es.

Der 54-jährige Wechsler machte 2005/2006 beim monatelangen Arbeitskampf um den Erhalt des Nürnberger AEG-Hausgerätewerks erstmals bundesweit auf sich aufmerksam. Zwar konnte er dessen Schließung nicht verhindern; doch am Ende erkämpfte man immerhin einen außergewöhnlich üppigen Sozialtarifvertrag für die 1700 Beschäftigten. Zudem sorgte der äußerlich hagere und zäh wirkende Wechsler mit taktischem Geschick dafür, dass die öffentlichen Sympathien weitgehend auf Seiten der Beschäftigten lagen.

Der Familienvater erwarb sich damals den Ruf eines kühlen Analytikers und gewieften Strategen und machte damit auch innerhalb der IG Metall von sich reden. Wechsler definiert Gewerkschaftsarbeit in erster Linie von der betrieblichen Basis aus. Nur die Stärke dort sichere der IG Metall auch politischen Einfluss, lautet sein Credo. In Nürnberg war er einer der treibenden Kräfte, als es darum ging, mit Arbeitgebern, Kommunalpolitik und Behörden einen "Schutzschirm für Arbeit" zu spannen, um im Zuge der Wirtschaftskrise gefährdete Arbeitsplätze zu sichern.

Den in der Gewerkschaft nötigen Stallgeruch bringt der designierte Bezirksleiter mit. Jürgen Wechsler stammt aus einer Arbeiterfamilie. Sein Vater war Fernfahrer, die Mutter schuftete im Akkord in einer Lederfabrik. Der Sohn lernte Mechaniker bei der Nürnberger Trafo-Union und arbeitete 17 Jahre lang bei Siemens im Großanlagenbau. Nach ehrenamtlichen Funktionen wurde er 1982 Sekretär und zehn Jahre später Vize-Chef der IG-Metall in Nürnberg. Dort trat er spätestens mit dem AEG-Arbeitskampf aus dem Schatten des langjährigen Bevollmächtigten Gerd Lobodda. Als dieser sich Anfang 2008 zurückzog, rückte SPD-Mitglied Wechsler an seine Stelle. Er sanierte mit Unterstützung des Vorstands die finanziell marode Nürnberger Verwaltungsstelle.

Nun wird allgemein erwartet, dass dort Andreas Weidemann, bislang Zweiter Bevollmächtigter, Wechslers Nachfolger wird. Vorausgesetzt, die Nürnberger IG-Metall-Basis wählt ihn auch. Unklar ist die Zukunft Werner Neugebauers. Der Rückzug als Bezirksleiter bedeutet für den 59-Jährigen nicht automatisch den Wechsel in den Ruhestand. Es heißt, er werde einen weniger aufreibenden Posten innerhalb der IG Metall übernehmen.

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SZ vom 11.05.2010/segi
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