Nachfolgediskussion in der CSU:Horstdämmerung

CSU Vorstandssitzung - Pressekonferenz

Die Nachfolgediskussionen in der CSU reißen nicht ab. Auf Parteichef Seehofer kommen unruhige Zeiten zu.

(Foto: dpa)

Steht die CSU am Beginn der Nach-Seehofer-Zeit? Oder glätten sich nach dem Europawahl-Desaster die Wogen? Vieles spricht für Letzteres, denn für einen Sturz müssten sich die Jüngeren aus der Deckung wagen.

Von Frank Müller und Mike Szymanski

Auf CSU-Chef Horst Seehofer kommen unruhige Zeiten zu. Sein Vorgänger Erwin Huber hat die Partei aufgefordert, die Weichen für die Zeit nach Seehofer zu stellen und dessen "überdominante" Position zu brechen. Wann also beginnt die Nach-Seehofer-Zeit, wer führt die Partei dahin und wieder raus? Eine Bestandsaufnahme.

Seehofers Projekt Übergang

Die Frage, wie lang sich Seehofer an der Macht halten kann, ist etwa genauso alt wie seine bisherige Amtszeit. Es begann schon unmittelbar nach seinem Wechsel in die bayerische Politik. 2008 wurde schnell sichtbar, wie stark sich Seehofer und die CSU aneinander reiben. Es war die Zeit, in der Karl-Theodor zu Guttenberg hoch im Kurs stand. Das Gerede, wer folgt wann auf Horst, den Großen, hat auch im Anschluss nie wieder aufgehört. Das liegt nur einerseits am Selbstbewusststein der Kronprinz(essinn)en.

Vor allem aber war es Seehofer selbst, der immer wieder mit Namen jonglierte: Ilse Aigner. Markus Söder. Christine Haderthauer. Joachim Herrmann. Alexander Dobrindt. Das Spiel mit diesen Namen ist für Seehofer Herrschaftsinstrument, weil es zugleich dazu dient, jeden Übermütigen schnell in die Schranken zu weisen. Nur deswegen ist es in Seehofers Welt kein Widerspruch, Nachfolger groß zu ziehen und sie zugleich klein zu halten. Ungerührt verkündet Seehofer als großen Plan, er werde seinen Ausstieg aus der Politik selbst bestimmen und die volle Amtszeit bis zum Jahr 2018 durchhalten. Das hat seit Jahrzehnten kein CSU-Chef hinbekommen.

Der Fehdehandschuh

Es wäre eine Groteske, wenn ausgerechnet Erwin Huber die Ablösung von Horst Seehofer einleiten würde: Es war doch Seehofer, der die Huber-CSU und die Niederlage von 2008 überwunden hatte. Der seiner Partei, wie er es selbst formuliert, nicht nur die Alleinregierung zurückgegeben hat, sondern auch den Stolz. Auch wenn Huber die richtigen Probleme skizziert: Wie kann der Übergang gelingen? Und mit wem? Getragen werden muss ein Aufstand gegen Seehofer von anderen, von Leuten, die noch etwas werden wollen. Huber hat ihnen signalisiert: Traut euch! Ihm selbst muss man natürlich auch Rache als Motiv unterstellen.

In der CSU haben sich kaum zwei Männer das Leben gegenseitig so schwer gemacht wie Huber und Seehofer. Das ging heftig 2007 los, als sie um den Parteivorsitz konkurrierten. Seither hörte man Seehofer oft stöhnen, wenn Huber nörgelte. "Ach, der Erwin Huber", sagte Seehofer dann. Und natürlich steht die Frage im Raum, wo die CSU heute stünde, wenn Huber am Steuer wäre. Den Atomausstieg hätte Huber so nicht mitgemacht. Und als großer Modernisierer hatte er sich früher auch nicht hervorgetan. Solange die CSU im Wahlkampfmodus war, riss sich Huber mit seiner Kritik zusammen. Jetzt hat er Seehofer den Fehdehandschuh hingeworfen. Seehofer hat nicht nur viele Gegner. Er hat jetzt einen richtigen Feind.

Hat Huber recht?

Da gehen die Meinungen in der Partei natürlich auseinander, je nachdem ob man sich zum Lager der Unterstützer oder der Kritiker zählt. Seehofer hat mittlerweile nicht wenige in der CSU gedemütigt - mit seiner Politik nach dem Motto Befehl und Gehorsam, wie Huber findet. Der frühere Bundesminister Hans-Peter Friedrich, der nur im Moment seines Rückzugs Unterstützung von Seehofer erfahren hatte, sich zuvor aber Lästereien gefallen lassen musste, meint, niemand stehe unter Denkmalschutz - also auch nicht Seehofer. "Lazarett" nennen sie in der CSU das Verwundetenlager ihres Chefs.

Ex-Wissenschaftsminister Thomas Goppel fühlt sich jedenfalls auch noch nicht ganz auskuriert. Er bestärkt Huber in dessen Forderung nach neuen Umgangsformen. Andererseits: Sind es die Alten in der CSU, die die Revolution anzetteln werden? Eher nein. Angelika Niebler ist soeben in den engeren Führungszirkel der CSU aufgestiegen. Sie leitet jetzt die Europagruppe der CSU. Die 51-Jährige sagt: "Ich habe noch nie einen Befehl von Horst Seehofer erhalten. Meine Erfahrungswelt ist eine andere als die von Erwin Huber." Andererseits ist auch nicht bekannt, dass Seehofer einmal über Niebler hergezogen wäre. Er schätzt sie sehr.

Die Neuen in der Fraktion

Wer Revolutionen anzetteln will, braucht die Landtagsfraktion hinter sich. Und hier gilt: Wenn sich heute Erwin Huber entlädt, reicht das noch nicht automatisch für einen Zündfunken. Ein Drittel der CSU-Abgeordneten ist bei der Landtagswahl im Herbst neu ins Maximilianeum gewählt worden. Manche von ihnen sind schon froh, wenn sie sich dort nicht verlaufen. Ein Großteil verdankt Seehofer, hier sitzen zu können - er führte die CSU zur Alleinregierung zurück.

Außerdem hat er dafür gesorgt, dass einige Junge einflussreiche Posten besetzen. Melanie Huml wurde Ministerin, Albert Füracker Staatssekretär. Hans Reichhart, 31 Jahre alt und JU-Chef, sagt: "Bei den Neuen ist der Wunsch nach Sachpolitik sehr groß. Ich glaube, dass die Personaldiskussion keiner will." Das kann sich allerdings dann schnell ändern, wenn sie den Wahlerfolg in Gefahr sehen.

Worüber es Streit gibt

Wer in der Europapolitik eine klare Linie der CSU vermisst hat, dürfte sie auch in der Landespolitik suchen. Bei der Reform des Gymnasiums schwankt Seehofer zwischen G8 und G9 mit leichter Tendenz zum Abi nach neun Jahren. Mehr Geld ausgeben und Schulden abbauen ist nur so lange kein Widerspruch, wie genug Geld in die Kasse kommt. Die Energiewende im Freistaat ist auch deshalb so eine große Baustelle, weil Seehofer Stromautobahnen, Speicherseen und Windräder ablehnt. Wann auch immer die Nach-Seehofer-Zeit anbricht, seine Nachfolger werden Seehofers komplettes Erbe antreten müsse.

Das Schweigen der Kronprinzen

"Wer jetzt den Kopf raus steckt, der wäre ja blöd", sagt jemand aus der engsten Führungsreserve. Das stimmt, denn in jedem Ratgeber der politischen Schmutzelei steht ganz oben: Wer zu früh aus der Deckung kommt, ist länger tot. Es wird nun mal nicht der Verräter, sondern nur der Verrat geliebt. Im Fall Seehofer bedeutet das trotzdem: Vorsicht, Gefahr! An der Oberfläche ist das Wasser ruhig, aber es ist tief, die Strömungen sind unberechenbar. Dafür garantieren schon die beteiligten Charakterköpfe.

Söder baut ganz gezielt seine Machtbasis aus und umgarnt die Fraktion. Aigner versucht, nach ihrem verstolperten Start mit maximal möglichem Ilse-Lächeln in die Spur zu kommen. Haderthauer hält die Ellenbogen ausgefahren und wartet ab. Herrmann tut sein Möglichstes, sich als seriöse Alternative zu dieser Rasselbande allzeit bereit zu halten. Und Dobrindt? Er ist eine schwer zu kalkulierende Größe im Nachfolgespiel. Im Moment arbeitet er sich als Verkehrsminister in Berlin an der Maut ab, aber im Herzen ist er immer Stratege und Parteikenner geblieben.

Kreuth 2016

Wir steigen in die Zeitmaschine, die Januartage des Jahres 2016 in Wildbad Kreuth. CSU-Klausur. Draußen Schneetreiben, drinnen Horst Seehofer. Er steht im Gang und reißt ein paar Witze. Haderthauer hat alles bei ihm gelernt, Söder hat er fast so seriös wie Herrmann gemacht. Aigner verdankt ihm alles, Dobrindt sowieso. Aus einem Nebenzimmer dringen Stimmen. "Also Doppelspitze?" Die Tür öffnet sich, ein Duo kommt heraus. Die beiden sind im Halbdunkel schwer zu erkennen. Am Rand steht Erwin Huber.

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