Nachfolge:Im Namen der Laien

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Dem Landeskomitee der Katholiken steht eine historische Wahl bevor. Zum ersten Mal bewerben sich zwei Kandidaten um den Vorsitz, zum ersten Mal gehört eine Frau dazu. Nach dem streitbaren und umstrittenen Albert Schmid wünschen sich viele wieder mehr Dialog

Von Wolfgang Wittl, München

Etwas wird sich am Samstag im Alten Stadttheater Eichstätt anders anfühlen als sonst. Einerseits vertraut, weil es im Grunde jeder kennt. Andererseits seltsam neu, weil es in diesem Rahmen noch nie vorgekommen ist. Erstmals in der 66-jährigen Geschichte des Landeskomitees der bayerischen Katholiken haben seine Mitglieder nicht nur die Wahl, sondern eine echte Auswahl, wer an die Spitze des Laiengremiums rücken soll. Und dann auch noch zwischen einem Mann und einer Frau - die nächste Besonderheit. Bislang hatte es immer nur einen Kandidaten gegeben, einen männlichen, der lediglich bestätigt werden musste.

Etwa 6,5 Millionen Katholiken in Bayern sind unter dem Dach des Landeskomitees versammelt, seine 80 Wahlberechtigten kommen aus den Diözesanräten der sieben bayerischen Bistümer und den kirchlich anerkannten Organisationen im Freistaat. Es ist die einzige Vertretung dieser Art in ganz Deutschland, und genau so einzigartig ist das Prozedere am Samstag, wenn die Rechtsprofessorin Renate Oxenknecht-Witzsch und der CSU-Politiker Joachim Unterländer gegeneinander antreten. In einer Partei würde man wohl von einer Kampfabstimmung sprechen. Der scheidende Landeskomitee-Vorsitzende Albert Schmid spricht von einer "guten Entwicklung". Er führt es auf "die Frucht der Tätigkeit der letzten Jahre" zurück, dass man nun nicht mehr suchen müsse, um überhaupt einen Bewerber zu finden.

In Bayern leben etwa 6,5 Millionen Katholiken. Ein wichtiger Ort für sie ist Altötting, hier der Blick von hinten auf einen Freiluftaltar auf dem Kapellplatz. (Foto: Johannes Simon)

Andere nennen Schmid selbst als Grund, weshalb das Interesse am Vorsitz wieder zugenommen hat. Acht Jahre stand der frühere SPD-Fraktionschef im bayerischen Landtag, Bundesstaatssekretär und ehemalige Chef des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge an der Spitze des Landeskomitees, nicht jeder war mit seiner Amtsführung zufrieden. Überaus selbstbewusst und eigenwillig, zu sehr von seinen eigenen Überzeugungen geleitet und zu wenig Bereitschaft zum Zuhören - so lautet die Kritik an dem 71-Jährigen, der auf eine dritte Amtszeit verzichtet. Und weiter: Schmid habe stets die Bindung gefehlt zu dem Umfeld, in dem er zuletzt tätig war.

Schmid weiß selbst, dass er mit seiner Meinung mitunter allein auf weiter Flur stand. Beispielhaft zeigte sich das 2013 in der Affäre um den früheren Limburger Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst, den Schmid im Gegensatz zum geschäftsführenden Ausschuss des Landeskomitees "natürlich" für tragbar hielt - ehe Tebartz-van Elst vom Papst doch abberufen wurde. Es gehe nicht an, dass Schmid sich als oberster Repräsentant der bayerischen Katholiken derart apodiktisch äußere, hielt ihm damals der Würzburger Diözesanratsvorsitzende Karl-Peter Büttner vor.

Der CSU-Landtagsabgeordnete Joachim Unterländer will den Vorsitz im Landeskomitee der Katholiken. (Foto: Robert Haas)

Schmid steht bis heute zu seiner Haltung: Es sei ihm nicht um die Sache gegangen, sondern um den Umgang mit der Person Tebartz-van Elst. Als "Geste der Barmherzigkeit" wertet er die Fürsprache. Kritik? "Die halte ich aus", sagt Schmid: "Ich bin furchtlos gegenüber Freunden." Zu diesen zählt auch der heutige Glaubenspräfekt Gerhard Ludwig Müller, der als Regensburger Bischof trotz heftigen Widerstands eine Neuordnung und damit verbundene Entmachtung der Laienverbände durchsetzte. Dass Schmid ausgerechnet die Nähe zu konservativen Kirchenleuten wie Müller suchte, verstörte ebenfalls einige. Er habe sich "immer die Freiheit genommen, jede Person für sich zu bewerten", sagt Schmid. Es sei schon kurios, findet ein Kirchenfunktionär: Im Parteienspektrum sei der Politiker Schmid eher links zu verorten gewesen, in der Kirche dagegen habe er mit liberalen, fortschrittlichen Kräften wenig zu schaffen gehabt.

Streitbar und umstritten, so lässt sich Schmids Wirken im Landeskomitee wohl zusammenfassen. Die drei zentralen Themen aus seiner Sicht waren die Finanzkrise, der Flüchtlingsstreit sowie die Missbrauchsdebatte. Er sei froh, dass es gelungen sei, kirchliche Werte zu betonen und die Sichtweise der Opfer in den Vordergrund zu rücken. So wenig Schmid persönlich die Öffentlichkeit scheut, so sehr nimmt er für sich in Anspruch, vieles in diskreten Gesprächen erreicht zu haben. Als Politiker hat er gelernt: Will man dem Gegenüber die Möglichkeit zum Einlenken geben, ist hinter den Kulissen oft mehr zu bewirken als auf offener Bühne.

Die Jura-Professorin an der Katholischen Universität Eichstätt Renate Oxenknecht-Witzsch ist die erste Frau, die sich zur Wahl stellt. (Foto: privat)

Und doch sprechen manche Kritiker von Stagnation und Sprachlosigkeit, die unter dem scheidenden Vorsitzenden geherrscht hätten. Schmid habe sich im Landeskomitee nie richtig auf den Dialog eingelassen. Es brauche mehr innere Lebendigkeit, um auch im Austausch mit den Bischöfen wieder an Bedeutung zu gewinnen. Die Erwartungen an die zwei Bewerber sind also klar formuliert.

Schmids Themenagenda habe ihr durchaus entsprochen, sagt Renate Oxenknecht-Witzsch, darauf lasse sich aufbauen. Die 64-Jährige wohnt in Fürth und lehrt an der Katholischen Universität Eichstätt seit einem Vierteljahrhundert Arbeits- und Sozialrecht mit den Schwerpunkten Kinder- und Jugendhilferecht. Soziale Gerechtigkeit, ihr Einsatz für Mitarbeiter, eine gute Kenntnis der kirchlichen Strukturen: Das nennt sie als Ziele und Stärken. Vor vier Jahren wurde die Professorin ins Landeskomitee berufen, einen Ruf weit über Bayern hinaus hat sie sich als Initiatorin von Fachtagungen zum Arbeitsrecht erworben, die Hunderte Teilnehmer beider Konfessionen besuchen. Mit den Oberhirten wolle sie konstruktiv und kritisch zusammenarbeiten. Bischöfe seien zwar die kirchlichen Gesetzgeber, "aber auch sie brauchen eine starke Laienschaft". Die Zeit sei reif für eine Frau an der Spitze des Landeskomitees, findet Oxenknecht-Witzsch.

Auch beim Zentralkomitee der Deutschen Katholiken gab es vor eineinhalb Jahren ein Duell zwischen Mann und Frau, damals setzte sich Thomas Sternberg durch, der bei der an diesem Freitag beginnenden Vollversammlung zu Gast sein wird. In Joachim Unterländer, 59, bewirbt sich zudem einer der profiliertesten CSU-Sozialpolitiker um Schmids Nachfolge. In Bayern gebe es einen "großen Schatz" - die Leistung der ehrenamtlichen Helfer, gerade in der Flüchtlingsbetreuung. Der Abgeordnete aus München ("ich bin ein Teamplayer") leitet den Sozialausschuss im Landtag, seit 16 Jahren ist er stellvertretender Vorsitzender im Landeskomitee. Mit den Bischöfen strebt er keine Gegnerschaft, sondern "Gespräche auf Augenhöhe" an.

So ähnlich lautet auch Schmids Rat an die Nachfolger: Denjenigen, die höchste Kirchenämter ausüben, "beizubringen, dass sie sich helfen lassen müssen".

© SZ vom 24.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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