Nachfolge-Debatte in der CSU:Söder kann Bierzelt

Nachfolge-Debatte in der CSU: Eigentlich sind sie oft einer Meinung - genau das ist für Horst Seehofer ärgerlich.

Eigentlich sind sie oft einer Meinung - genau das ist für Horst Seehofer ärgerlich.

(Foto: imago stock&people)
  • Ministerpräsident Seehofer pfeift seinen Finanzminister immer häufiger in der Öffentlichkeit zurück - jeder Nachfolger scheint ihm lieber als Markus Söder.
  • Bislang galt neben Söder noch Wirtschaftsministerin Ilse Aigner als mögliche Nachfolgerin im Ministerpräsidentenamt. Doch Seehofer lässt immer weitere Namen fallen.
  • Seehofer hat angekündigt, bei der Landtagswahl 2018 nicht mehr zu kandidieren.

Von Daniela Kuhr, Höhenkirchen-Siegertsbrunn

Diesen Auftritt genießt der Finanzminister - und zwar so richtig. Mit jedem Wort, jeder Geste, jedem Blick strahlt Markus Söder aus: "Ja! Ich kann Bierzelt!" Was soll man sagen? Er hat recht. 1200 Gäste sind an diesem warmen Sommerabend in das Festzelt auf die Leonhardi-Wiese im oberbayerischen Höhenkirchen-Siegertsbrunn gekommen. Warum? "Weil ich gehört habe, dass der echt witzig sein soll", sagt die schlanke Frau im Dirndl und setzt sich neben ihren Mann auf die Bierbank. Sie wird nicht enttäuscht - zumindest nicht, was das Witzigsein anbelangt.

Kaum hat Söder zu sprechen begonnen, hat er das Zelt im Griff. Er bedankt sich für das einleitende Lob. "Es war angemessen." Prompt lachen die Gäste zum ersten Mal - und Söder grinst breit, das zufriedene Söder-Grinsen eben. Gute Freunde in der Partei hätten ihm schon vor Jahren gesagt: "Markus, du musst die Nummer Eins von Bayern werden." Das sei "sehr weitsichtig" gewesen, sagt Söder - und kassiert den zweiten lauten Lacher.

Söder kommt auch in Oberbayern an

Die große Koalition in Berlin sei wie sonntagabends bei Familie Söder: Seine Frau schaue seit Jahren "diese Rosamunde-Pilcher-Dinger, während ich eher geprägt bin für was Visionäres, Intellektuelles - einen Tatort eben". Und wieder lautes Lachen. Ja: Auch wenn sich in der CSU hartnäckig das Vorurteil hält, ein Franke habe im wichtigsten, weil größten Bezirk Oberbayern keine Chance - Söder beweist das Gegenteil. Zweifellos kommt der Franke bei den Oberbayern gut an.

An anderer Stelle dagegen scheint die Abneigung gegen den Finanzminister von Tag zu Tag zu wachsen: bei CSU-Chef Horst Seehofer. Das Verhältnis zwischen dem Ministerpräsidenten und dem früheren Generalsekretär war schon immer angespannt. Doch so häufig - und vor allem unverhohlen - wie in den vergangenen Wochen ist Söder noch nie in den Senkel gestellt worden. Kaum prescht er vor mit irgendeinem Vorschlag, wird er auch schon zurückgepfiffen.

Seehofer weist Söder öffentlich zurecht

Söder fordert, die kalte Progression bei der Einkommensteuer abzuschaffen. Seehofer sagt, man müsse "auf dem Boden der Solidität und Seriosität bleiben". Söder fordert eine "Schengen-Auszeit". Seehofer sagt, er wolle "keine Lösungsansätze vertreten, die schwierig und nicht zu realisieren sind". Söder fordert, Flüchtlingen das Taschengeld von 140 Euro zu streichen. Seehofer stellt klar: Da gehe es wohl eher darum, dass sich jemand mal wieder in Erinnerung bringen wolle. Der Vorschlag sei längst auf dem Weg.

Natürlich könnte der Ministerpräsident seinen Finanzminister diskret beiseite nehmen und sagen: So bitte nicht. Doch stattdessen wählt er für seine Watschen stets den Weg über die Medien - und macht somit überhaupt keinen Hehl daraus, wen er als Nachfolger unbedingt verhindern will: Markus Ich-kann-Bierzelt Söder. Jeder, wirklich jeder andere Kandidat wäre Seehofer offenbar lieber.

Was Seehofer an Söder nicht passt

Doch woher kommt die Abneigung? Dass Seehofer Söder ein paar Mal bei "Schmutzeleien" erwischt hat, mag dazu beigetragen haben, liegt aber einige Zeit zurück. Was den Parteichef inzwischen viel mehr stört, ist diese Ungeduld, dieses penetrante Bemühen, sich zu profilieren, auch bei Themen, für die Söder gar nicht zuständig ist. Söder sagt gern, als Finanzminister sei er für alles zuständig, schließlich müsse er es bezahlen. Doch Seehofer empfindet das Verhalten als illoyal.

Zwar liegen die beiden inhaltlich meist nicht weit auseinander, aber gerade das ist ja das Ärgerliche für Seehofer. Denn eines ist klar: Immer, wenn Söder ein Thema aufgreift, erst recht populistisch, wirkt der Finanzminister als starke, treibende Kraft in der Partei - und Seehofer umso mehr als einer, dessen Tage gezählt sind. Wohl kaum etwas dürfte der Ministerpräsident stärker bereuen, als angekündigt zu haben, dass 2018 für ihn endgültig Schluss ist. Er hat sich damit unnötig geschwächt - und einen ehrgeizigen Politiker wie Söder geradezu eingeladen, schon mal die ersten Stufen zum Thron zu erklimmen.

Dass der Finanzminister dabei auch noch Erfolg hat, fuchst Seehofer umso mehr. Zwar ist Söder in der Partei nach wie vor nicht gerade beliebt, aber die Zahl derer, die Respekt haben vor seiner Entwicklung, und vor allem derer, denen er einen Gefallen getan hat, wächst stetig. Beliebt hin oder her: Am Ende, das weiß auch Seehofer, wird die Partei den Nachfolge-Kandidaten unterstützen, von dem sie sich die meisten Wählerstimmen erhofft. Und Söder kommt zur Zeit nun mal an beim Volk.

Söder bringt das Zelt zum applaudieren

Im Festzelt auf der Leonhardi-Wiese ist der Finanzminister mittlerweile bei den harten Themen: Griechenland, Asyl, Länderfinanzausgleich. Passend zum Bierzelt hat er sich zu schlichten Botschaften entschlossen. Etwa mit Blick auf Griechenland: "Schulden - die teilt man nicht. Schulden - die überträgt man nicht. Sondern Schulden - die muss man bezahlen." Das Zelt tobt. Auch als er die Flüchtlingsproblematik zusammenfasst: "Ich finde", sagt der CSU-Politiker, "wenn Europa eine Solidargemeinschaft ist, dann kann es nicht sein, dass nur Deutschland Flüchtlinge aufnimmt - und in Deutschland nur Bayern." Am Ende seiner knapp einstündigen Rede stehen die Menschen sogar auf, um ihm lange und laut zu applaudieren.

Es sind solche Szenen, die Seehofer nur schwer erträgt. Wirtschaftsministerin Ilse Aigner, die zugleich Bezirkschefin der Oberbayern-CSU ist, wird von ihm menschlich zwar sehr geschätzt, aber er spürt, dass sie Söder nicht wirklich gefährlich wird. Und deshalb streut er in letzter Zeit nicht nur immer neue Namen, die aus seiner Sicht ebenfalls als Nachfolger in Betracht kommen könnten, sondern lässt auch kaum noch eine Gelegenheit aus, seinen Finanzminister klein zu halten.

Seehofer machen die Sticheleien Spaß

Als Söder sich vergangene Woche für den Bayern-LB-Deal feiern lassen wollte, plauderte Seehofer kurz vor der Fraktionssitzung mit Journalisten und stellte klar, dass dieser Abschluss die Leistung des Landtagsabgeordneten Ernst Weidenbusch gewesen sei, der mit den Österreichern verhandelt habe. "Es gab Bemühungen von mir, vom Minister, und der Ernst Weidenbusch hat es schließlich geschafft." In dem Moment taucht Söders Pressesprecherin auf. Seehofer erblickt sie. "So, jetzt ist das Finanzministerium auch vertreten. Jetzt höre ich auf", sagt der Ministerpräsident und lacht. Diese Stichelei, das ist unübersehbar, hat ihm Spaß gemacht.

Im Festzelt brechen derweil die Gäste auf. Ob sich das Ehepaar, das den "witzigen" Finanzminister sehen wollte, vorstellen kann, dass er der neue Ministerpräsident wird? "Nein", sagt der Mann prompt, "das ist alles so einfach, was er von sich gibt. Viel zu einfach." - "Ich schon", sagt die Frau, "die anderen waren ja auch nicht anders." Draußen vorm Zelt spricht Söder noch kurz mit einem Journalisten. Auch hier hat er sich zu einer schlichten Botschaft entschlossen: "Wer Bierzelt kann, kann auch Bayern", sagt er und grinst. Sein zufriedenes Söder-Grinsen eben.

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