Süddeutsche Zeitung

Nachbarschaftsstreit in Niederbayern:Der Feind von Nebenan

  • Ein Nachbarschaftsstreit in Landau an der Isar eskaliert. Mittlerweile bekommt der Bürgermeister empörte Anfragen aus ganz Deutschland.
  • Streitpunkt ist vor allem ein Schild. Ob pflegebedürftige Menschen in Landau wirklich nicht erwünscht seien, ist darauf zu lesen.

Von Wolfgang Wittl, Landau an der Isar

Landau, das sei "eine ganz nette Stadt an der unteren Isar", sagt Bürgermeister Helmut Steininger. Und obendrein bekannt für seine soziale Note: Es gebe einen aktiven Seniorenbeirat, viele familienfreundliche Einrichtungen, unlängst wurde hier die erste niederbayerische Erstaufnahmestelle für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge eröffnet. Steininger sind diese Hinweise wichtig, denn seit Tagen ist er vor allem damit beschäftigt, anders lautende Vorurteile auszuräumen. Aus dem ganzen Bundesgebiet erreichen ihn Anrufe und E-Mails mit der sinngemäßen Frage: Ob das allen Ernstes die Wahrheit sei, wie man in Landau mit alten Menschen umgehe?

Der Auslöser für die aufgebrachten Beschwerden ist ein knallgelbes Schild, das seit vergangener Woche im Vorgarten eines Pflegehauses steht. Ob pflegebedürftige Menschen in Landau wirklich nicht erwünscht seien, ist darauf zu lesen. Und dass auch sie "ein Recht auf Sonnenlicht, frische Luft und den Anblick der Natur" hätten, kurz: "das Recht zu leben." Doch "leider sehen das nicht alle so", heißt es weiter. Wer damit gemeint ist, zeigt ein kräftiger blauer Pfeil, der auf das nächste Haus deutet. Darin steht: "unser Nachbar." Initiator des Schildes ist Hans Buchban, der die ambulant betreute Wohngruppe vor vier Jahren eröffnet hat.

"Ich habe mir das reiflich überlegt"

Besagter Nachbar, der frühere Bankvorstand Helmut Lorenczyk, fiel aus allen Wolken, als er das Schild entdeckte. Als die Geschichte den Weg auch noch ins Internet fand, fegte ein wahrer Shitstorm über das Rathaus und ihn hinweg. Am Wochenende seien Passanten sogar faustschüttelnd an seinem Haus vorbeigezogen. Der 74-Jährige ging zum Anwalt: Er erstattete gegen Buchban Anzeige wegen Verleumdung, einen Antrag auf Unterlassung hatte er bereits gestellt. Eine Reaktion blieb bislang aus. Dass Buchban das Schild demnächst abmontieren wird, ist unwahrscheinlich. Er sagt: "Ich habe mir das reiflich überlegt."

Buchban erhebt schwere Vorwürfe: Mehrfach habe Lorenczyk gefordert, die Fenster des Hauses abzukleben, damit er die pflegebedürftigen Menschen nicht mehr sehen müsse. Mitarbeiter könnten das bezeugen. Außerdem habe er bei der Stadt ein Halteverbot durchgesetzt, weshalb Angehörige und Ärzte nicht mehr vor dem Pflegeheim parken könnten. Bürgermeister Steininger habe dazu gesagt: Buchban könne ja seinen Garten pflastern, dann habe er Parkplätze genug. Außerdem hätte er die Wohngruppe dort ja nicht aufmachen müssen.

Miteinander gesprochen haben sie noch nie

Wahr sei, sagt Lorenczyk, dass die Parksituation durch das Heim immer chaotischer geworden sei. Wendeplatz, Garagen und Höfe seien zugeparkt worden, nicht mal die Müllabfuhr sei mehr durchgekommen. "Wir haben das hingenommen, bis es nicht mehr ging." Lorenczyk machte Fotos, die Dokumentation überließ er der Verwaltung und der Polizei. Die Stadt erließ daraufhin ein beschränktes Halteverbot. Buchban bezichtigt Lorenczyk, regelmäßig die Polizei wegen Falschparkens zu rufen. Sogar ein Notarzt habe einen Strafzettel erhalten. Überdies habe der Nachbar offenbar Probleme mit dem Älterwerden.

Ein Quatsch sei das, sagt Lorenczyk. Er habe das Pflegepersonal lediglich einmal darauf hingewiesen, dass Kinder durch ein offenes Fenster blickten und sich über einen alten Bewohner lustig machten. Die Mitarbeiter hätten sich für den Tipp sogar bedankt. Buchban hingegen habe es bis heute nicht geschafft, sich als Nachbar vorzustellen. Bürgermeister Steininger wirft Buchban "unglaubliche Polemik" vor.

Wie es weitergeht? Jeder der Streithähne bekräftigt seinen Willen, die Sache nicht weiter eskalieren zu lassen. Miteinander gesprochen haben Lorenczyk und Buchban noch nie. Er sei dazu bereit, sagt der Betreiber. Er auch, sagt Lorenczyk. Aber erst müsse der andere sich auf dem selben plakativen Weg entschuldigen, mit dem er die Verunglimpfung in die Welt gesetzt habe.

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SZ vom 22.01.2015/ebri
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