Nach Wahlsieg der CSU:Wenn der Chef alles anders macht

PK CSU-Vorstandssitzung nach Landtagswahl

Erste Umrisse des künftigen Kabinetts Seehofer stehen bereits fest. Namen noch nicht.

(Foto: dpa)

Horst Seehofer arbeitet an einem grundlegend neuen Zuschnitt der Staatsregierung. Super-Ministerien soll es in Bayern geben, so viel hat er schon verraten. Und ein Heimatministerium soll für gleichwertige Lebensverhältnisse sorgen. Was genau stellt er sich darunter vor?

Von Frank Müller und Mike Szymanski

In der Dauerschleife hören die Bayern Horst Seehofer diesen Satz in seinem Wahlspot für die Bundestagswahl im Fernsehen und im Radio sagen: "Wir reden nicht nur klug daher, sondern machen die Dinge auch gut." Jetzt hat der Ministerpräsident und CSU-Chef Gelegenheit, dies unter Beweis zu stellen. Er arbeitet an einem grundlegenden neuen Zuschnitt der Staatsregierung. Super-Ministerien soll es für den Freistaat geben, so viel hat er schon verraten. Eine moderne Staatsverwaltung: Soll das sein - bislang noch fehlendes - großes Projekt für die kommenden fünf Jahre? Einiges spricht dafür.

Nach dem Wahlsieg vom Sonntag ist klar, dass er die Macht dazu hätte. Und die heutige Verwaltungsstruktur ist tatsächlich in die Jahre gekommen. Die letzte wirklich fortschrittliche Idee liegt schon mehr als 40 Jahre zurück, im Dezember 1970 wurde in Bayern das erste Umweltministerium Deutschlands gegründet. Natürlich wurde auch danach viel reformiert. Dass die Zuständigkeiten so sind, wie sie sind, hat oft auch einen ganz schlichten Grund: Wen wollte der Regierungschef gerade belohnen und wen wollte er strafen. Auch über Personen denkt Seehofer gerade nach. Er hat aber allen Aspiranten und auch sich selbst für diese Woche ein Schweigegelübde verordnet, um vor der Bundestagswahl keine Debatten zu befördern.

Schon im Landtags-Wahlkampf jedenfalls kam Seehofer die Idee, ein Heimatministerium zu schaffen. Was er sich genau darunter vorstellt, hat er immer offengelassen, auch das Wahlprogramm bleibt vage: "Wir werden ein Ministerium für Heimat und Selbstverwaltung einrichten. Dieses Ministerium soll dem Staatsziel gleichwertiger Lebensverhältnisse in Stadt und Land überall in Bayern dienen", verspricht die CSU. Und Seehofer hat am Montag nach der Wahl noch einmal versichert, er werde Wort halten. Es gelte auch für seine Ankündigung, das Ressort in Franken anzusiedeln, möglicherweise aber nur mit einer Außenstelle. Denn die Schaltzentrale der Landespolitik ist immer noch München.

Ein Folklore-Ministerium braucht Bayern sicher nicht. Ein Ressort aber, das sich mit den Problemen auf dem Land befasst, kann wirklich nicht schaden. "Wir haben heute schon tote Dörfer", beschreibt einer aus dem Kabinett die Lage. Jenseits der prosperierenden Ballungszentren gibt es ganze Landstriche, die veröden, in Oberfranken zu Beispiel. Seehofers Heimatminister könnte ein wichtiger Mensch sein - wenn das Haus die richtigen Kompetenzen bekommt.

Ursula Münch, die Leiterin der Akademie für politische Bildung Tutzing, sieht Seehofers Pläne insgesamt eher skeptisch: "Nicht alles, was modern klingt, ist auch sinnvoll", sagte sie. Gerade beim demografischen Wandel handle es sich um eine Querschnittsaufgabe, sie gehe alle Ressortchefs an. Die Zuständigkeit in einem Haus zu bündeln berge die Gefahr von Dauerkonflikten. Kaum ein Minister gibt gerne freiwillig Macht ab.

Ministerium für die Energiewende?

Dabei ist das neue Heimat-Haus nicht die einzige Reform, die Seehofer vorschwebt. Schon mehrmals hat er angekündigt, ein eigenes Ministerium für die Energiewende zu schaffen. Das empfahl der CSU-Chef auch für die nächste Bundesregierung. Bislang sind in Bayern die Kompetenzen in der Energiepolitik auf Umwelt-, Wirtschafts-, Innen- und Agrarministerium aufgeteilt. Auch deswegen kam der Atomausstieg bis jetzt nur zögerlich voran.

Im Gespräch ist nun ein Superministerium, das auch alle Energiefragen koordiniert. Sinnvoll wäre es, die Aufgabe dem künftigen Wirtschaftsminister anzuvertrauen. Wenn die Person besonders mächtig werden soll, könnte sie sogar noch die Digitalisierungs-Offensive verantworten.

Eine Milliarde Euro will die CSU unter anderem für den Breitbandausbau in den kommenden fünf Jahren zur Verfügung stellen. Das wäre dann eine Art Zukunftsministerium, ein Begriff, den bislang Sozialministerin Christine Haderthauer gern für ihr Haus verwendet, allerdings vorwiegend, um Markus Söder Kontra zu geben, der sein früheres Umweltressort zu einem Lebensministerium umgetauft hatte.

Auch in Haderthauers bisherigem Ressort könnte sich einiges tun. Denn Seehofer denkt daran, auch die zersplitterten Zuständigkeiten für die Kinderbetreuung zusammenzufassen. Bisher ist das Sozialministerium für die Krippen und Kindergärten zuständig, sobald es dann in Schulen um Mittagsbetreuung und Ganztagesplätze geht, übernimmt das Kultusministerium.

Solche Brüche gibt es quer durch die gesamte Staatsverwaltung. So ist in Haderthauers Haus bisher die Zuständigkeit für den Arbeitsmarkt angesiedelt und nicht etwa im Wirtschaftsministerium. Dort wiederum ist man zwar zuständig für den Verkehr, solange er die Schiene betrifft. Straßen baut und repariert dagegen das Innenministerium.

Ähnlich sieht es beim Schutz der Verbraucher aus. Der Komplex gehört bislang Justizministerin Beate Merk und hat sogar in die offizielle Bezeichnung des Hauses Eingang gefunden. Wenn es allerdings um die Sicherheit von Lebensmitteln geht, ist ein eigenes Landesamt im Umweltministerium zuständig. Sofern man nicht hierfür generell das Landwirtschaftshaus als zuständig betrachten möchte. In dem kümmert sich wiederum Minister Helmut Brunner auch mit um die Ernährung an Schulen, die eigentlich natürlich dem Kultusministerium unterstehen.

Einer, der mal aufräumt, hätte also schon viel erreicht. Beachten muss Seehofer beim Neuzuschnitt in jedem Fall, dass er seine Mannschaft nicht weiter vergrößern kann. Dem setzt schon die Verfassung Grenzen. Sie legt in Artikel 43 fest, dass die Staatsregierung "aus dem Ministerpräsidenten und bis zu 17 Staatsministern und Staatssekretären" besteht. Diese Maximalgrenze hat Seehofer schon mit seinem bisherigen Kabinett erreicht.

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