Nach Wahldebakel:"Total platt"

Die Sozialdemokratie ist in Nürnberg nur noch dritte Kraft

Von Olaf Przybilla, Nürnberg

Wer mit dem Zug in Nürnberg einfährt, der kann die Zentrale der SPD gar nicht übersehen. Ein mächtiger Bau, dem man seine Historie ansieht. Und ein Symbol für die Bedeutung der SPD in dieser Stadt. Der frühere Ministerpräsident Günther Beckstein hat mal gescherzt, er vermeide es - wenn möglich -, Zug zu fahren. So bleibe es ihm erspart, schon bei der Ankunft in seiner Heimatstadt hingerieben zu bekommen, wer diese Stadt präge: die SPD. Und nun? Bisher war es selbstverständlich, dass die SPD aus allen vier Nürnberger Stimmkreisen einen Abgeordneten nach München entsendet. Davon war am Sonntag nicht mehr im Ansatz die Rede.

Am Dienstag ging es nur noch darum, wenigstens zwei Mandate über die Liste zu retten. Gerade noch zwei SPD-Abgeordnete also aus der Halbmillionenstadt, die mal zu den wichtigsten Städten der deutschen Sozialdemokratie überhaupt gehörte. In der die Fränkische Tagespost gedruckt wurde, wohl die bedeutendste Parteizeitung ihrer Zeit. Jetzt ist die Sozialdemokratie weit hinter die Grünen zurückgefallen. Die SPD ist in Nürnberg nur noch dritte Kraft. Vor nicht allzu langer Zeit hätte man das für einen ziemlich dämlichen Witz gehalten. "Das ist ein Einschnitt", sagt Nürnbergs SPD-Vorsitzender Thorsten Brehm.

Arif Taşdelen hatte sich Hoffnungen gemacht, das Direktmandat im Nürnberger Norden zu erringen. Dort, wo früher Renate Schmidt die CSU alt aussehen ließ. Er glaubte trotz aller widrigen Prognosen an einen Sieg. Immerhin darf er inzwischen fast als Prominenter gelten: Bayerns erster Abgeordnete mit türkischen Wurzeln, Mittelfrankens SPD-Stimmenkönig von 2013. Am Wahlabend aber hatte er nicht den Hauch einer Chance. Zehn Prozentpunkte hinter dem grünen Kandidaten, sogar zwölf hinter der CSU-Bewerberin. "Total platt", sei er gewesen, sagt Taşdelen.

Wo soll die SPD überhaupt noch was reißen, wenn sie in der historischen Arbeiterstadt Bayerns gegen die Lifestyle-Grünen keine Chance mehr hat? Taşdelen weiß es auch nicht. Aber er erzählt eine Geschichte: Im Wahlkampf sei ein Mann auf ihn zugekommen, voll des Lobes. Was für ein famoser Wahlkämpfer Taşdelen sei, authentisch, charismatisch, dem Menschen zugewandt. So müsse ein Genosse sein. Im Weggehen hat er dann noch einfließen lassen, eher nebensächlich, dass er immer Sozis gewählt habe. Diesmal aber, per Briefwahl, nicht. Beide Stimmen für die Grünen.

Taşdelen hat es zwar - anders als sein Bruder Halil, SPD-Kandidat in Bayreuth - über die Liste in den Landtag geschafft. Sicher aber, dass die SPD dort künftig eine Trendwende schafft, sei er nicht. Das habe man sich schon nach jedem der vergangenen Desaster versprochen.

Mit dem Ergebnis, dass es immer noch schlimmer wurde. Ulrich Maly, einer Erhebung zufolge Deutschlands beliebtester Oberbürgermeister, hat auch keine letztgültige Erklärung für das Debakel. Dass die SPD selbst Hochburgen verliert, erklärt er mit "enttäuschter Liebe". Wenn Genossen etwas ärgere, so reagierten sie emotional. Dass nun mal wieder Stimmen zu vernehmen sind, die ihn - Maly - für die Lösung des Problems halten, habe er befürchtet. Hat aber eine klare Antwort darauf: "Ich bleib' hier, in Nürnberg." Und SPD-Chef in Bayern werde er auch keinesfalls. Ein Mann seines Alters, Maly ist 58, könne kaum als Neuanfang verkauft werden.

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