Nach TV-Dokumentation:Staatsanwaltschaft will Fall Peggy überprüfen

Wende im Fall der verschwundenen Peggy Knobloch: War die Verurteilung eines geistig behinderten Mannes wegen Mordes ein Polizei- und Justizskandal? Nach einer TV-Doku will die Staatsanwaltschaft den Fall nun erneut prüfen.

Uwe Ritzer

Peggy Knobloch verschwand spurlos in den Mittagsstunden des 7. Mai 2001 im oberfränkischen Lichtenberg. Sie war damals neun Jahre alt. Hundertschaften der Polizei, Nachbarn und Bundeswehrsoldaten suchten wochenlang vergeblich nach ihr. Am 30. April 2004 wurde der geistig behinderte Ulvi Kulac vom Landgericht Hof als Mörder des Mädchens zu lebenslanger Haft verurteilt.

Staatsanwaltschaft kündigt Prüfung im Fall Peggy an

Peggy Knobloch verschwand am 7. Mai 2001 spurlos.

(Foto: dpa)

Es war ein reiner Indizienprozess, denn weder wurde Peggys Leiche gefunden, noch gab es Spuren, welche die Gewalttat bewiesen und Kulac als Täter zweifelsfrei überführt hätten. Der Bundesgerichtshof verwarf dennoch am 28. Februar 2005 eine Revision gegen das Urteil. Ulvi Kulac, 34, sitzt in einer geschlossenen psychiatrischen Klinik. Von Peggy fehlt noch immer jede Spur.

Das sind die wenigen dürren Fakten in einem Fall, den viele gerne vor Gericht neu aufgerollt sähen. Vor allem eine Bürgerinitiative, die an Kulac' Unschuld glaubt. Sie kündigt seit Jahren an, in Kürze einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens zu stellen.

Die rechtlichen Hürden dafür sind aber hoch. Die öffentliche Debatte um diesen rätselhaften Fall hat ein Fernsehbeitrag in der ARD neu entfacht. Die Dokumentation "Mord ohne Leiche" nährte die Version, wonach Kulac' Verurteilung als Mörder in Wahrheit ein Polizei- und Justizskandal sei. Diese hätten unter gewaltigem Druck gestanden und Kulac mit fragwürdigen Methoden ein Geständnis abgepresst, das dieser später zwar widerrief, was ihm allerdings vor Gericht nichts half.

Die Staatsanwaltschaft Bayreuth kündigte an, man werde den TV-Beitrag "von Amts wegen analysieren" und "sorgfältig dahin gehend überprüfen", ob die Behauptungen "für ein Wiederaufnahmeverfahren ausreichend sein können". In einem Punkt widersprach die Staatsanwaltschaft dem Film jedoch massiv. Der als Hauptbelastungszeuge der Anklage dargestellte Mann habe bei der Urteilsfindung in Wirklichkeit keine Rolle gespielt.

Es handelt sich um Paul H., der zeitweise mit Kulac in einer Klinik untergebracht war. Ihn sollen die Ermittler beauftragt haben, Kulac auszuhorchen. Später gab H. an, dieser habe ihm die Tat gestanden. Das sei eine Lüge gewesen, sagte der Mann in dem ARD-Film. Allerdings nicht zum ersten Mal; er hatte seine Aussage bereits im Oktober 2010 korrigiert, und das berichteten viele Medien.

So bleiben auch nach dem Film die alten Fragen: Haben sich all jene geirrt, die Peggy nach ihrem Verschwinden lebend gesehen haben wollen? Waren die Methoden der Polizei rechtsstaatlich korrekt? Und vor allem: Wo ist Peggy Knobloch?

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