Nach Attacke auf Mannichl:"Jetzt auch noch Spottfigur Nummer 1"

Passaus Polizeichef über den Spott der Rechten, den Zweifel an seinen Aussagen und den Wunsch, sich zu wehren.

M. Hägler und A. Ramelsberger

Der Passauer Polizeichef Alois Mannichl ist am 13. Dezember vor seiner Haustür im niederbayerischen Fürstenzell niedergestochen worden - von einem Rechtsradikalen, vermutet er. Der Fall schlug bundesweit Wellen, auch weil mancher Ermittler bis heute am Tathergang zweifelt. Die Süddeutsche Zeitung hatte die Ungereimtheiten des Falles als erste zusammengetragen. Mannichl fühlt sich von den Zweiflern mit einem Verdacht überzogen, gegen den er sich nun wehrt - in einem durchaus kontroversen Gespräch.

Nach Attacke auf Mannichl: Alois Mannichl auf einer Pressekonferenz im Januar 2009.

Alois Mannichl auf einer Pressekonferenz im Januar 2009.

(Foto: Foto: ddp)

Das Treffen findet im Büro von Mannichls Ehefrau Anneliese in Fürstenzell statt, wo sie einen privaten Pflegedienst leitet. Mannichl erscheint in der Mittagspause, er setzt selbst Kaffee auf. Der Polizeichef wirkt ruhig. Aber wenn er von der Tat spricht, presst er sekundenlang die Augenlider zusammen, hebt die Hände, ballt die Fäuste und wirkt, als wäre er wieder zurückversetzt an den Abend des Attentats.

SZ: Herr Mannichl, direkt hier gegenüber, auf der anderen Straßenseite, im Café Traudl, saß vor ein paar Tagen NPD-Chef Udo Voigt. Seine Leute machten sich lustig über das "Lebkuchenmesser-Attentat" auf Sie. Was weckt das für Gefühle in Ihnen, wenn die Rechtsradikalen über Sie spotten?

Mannichl: Das lässt mich völlig kalt. Früher war ich die Hassfigur Nummer 1 von denen, jetzt bin ich eben auch noch die Spottfigur Nummer 1. Man darf das nicht überbewerten. Aber ich lasse mir massive Beleidigungen oder Verleumdungen nicht gefallen. Ich klage gegen den NPD-Chef, wegen seiner Presseerklärung vom 15. Dezember. Da hat er sich von dem Messerattentat auf mich distanziert und gleichzeitig behauptet, ich sei selber schuld, weil ich den Nationalen das Leben schwer mache.

SZ: Sie haben sich nie zimperlich gezeigt im Umgang mit Rechtsradikalen. Den Alt-Nazi Friedhelm Busse haben Sie bei einem Soldatengedenken mit Körpereinsatz in seinen Wagen zurückgedrängt. Am Volkstrauertag stellten Sie sich direkt vor die Fußspitzen der NPD-Funktionäre, die dort aufmarschiert waren. Suchen Sie die direkte Konfrontation?

Mannichl: Angeblich soll ich auf den Gräbern der toten Soldaten rumgetrampelt sein. Das ist Unsinn. Dort gibt es gar keine Gräber, da sind nur Gedenktafeln. Und auch auf denen bin ich nicht rumgestiegen. Aber ich lasse es nicht zu, dass bei einem offiziellen Gedenktag in der ersten Reihe die NPD-Leute stehen. Da habe ich mich mit meinen Beamten eben direkt vor sie gestellt.

SZ: Ist das geschickt? Immerhin scheint das doch der Auslöser für die Attacke auf Sie gewesen zu sein. Sie haben berichtet, der Mann, der Sie überfallen hat, habe Ihnen mit den Worten gedroht: "Schöne Grüße vom nationalen Widerstand. Du trampelst nicht mehr auf den Gräbern unserer Kameraden herum."

Mannichl: Ich scheue keine Auseinandersetzung. Ich lange auch selber hin, aber nur im Rahmen des rechtlich Erlaubten. An dem Tag des Attentats lag ich zu Hause auf der Couch, wir wollten später auf eine Weihnachtsfeier. Da läutete es und ich ging an die Tür. Man denkt sich doch nicht: Heute steht der große Messerstecher vor der Tür. Und dann stand da dieser Typ. Sie hätten den sehen sollen. Dieses hassverzerrte Gesicht, wie er das gesagt hat, mit welcher Wut in der Stimme. Sie hätten das hören sollen. In dem Mann ist was durchgeknallt. Das war ein Überzeugungstäter. Der ist nicht geschickt worden. Seitdem habe ich das vor Augen. Das war schrecklich.

SZ: Sie haben seine Stimme, seinen Blick noch vor Augen. Dennoch konnten Sie keine genaue Beschreibung Ihres Angreifers abgeben. Kollegen von Ihnen finden das eigenartig.

Mannichl: Das ist doch pervers. Es war ziemlich dunkel, nur die Weihnachtsbeleuchtung brannte. Als ich den gesehen habe, wusste ich nur: Ich bin dran. Und dann habe ich gesehen, dass in seiner Hand etwas glitzert. Habe noch den Arm erwischt und konnte ihn nach unten drücken. Das ist ein-, zweimal hin- und her-gegangen. Dann reißt er sich los und läuft weg. Und dann spüre ich, dass an meinem Bauch was ist.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, was Alois Mannichl über die Theorie der Beziehungstat denkt.

Die Theorie der Beziehungstat

SZ: Kollegen von Ihnen sagen, Sie hätten ihnen berichtet, es sei ein minutenlanger Kampf gewesen - und wundern sich, dass es keine DNA-Spuren des Täters auf Ihrer Kleidung gibt und dass Sie den Mann nur klischeehaft beschreiben können: 1,90 Meter groß, Glatze, bayerischer Dialekt.

Nach Attacke auf Mannichl: Alois Mannichl nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus am 19. Dezember 2008.

Alois Mannichl nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus am 19. Dezember 2008.

(Foto: Foto: ddp)

Mannichl: Minutenlanger Kampf - das ist wieder eines dieser Gerüchte. Das hab' ich nie gesagt. Und was heißt hier klischeehaft? Wenn einer ausschaut wie ein Rechtsradikaler, dann schaut er eben aus wie ein Rechtsradikaler. Da kann ich nichts dafür. Hätte ich mir in der Situation vielleicht die Form der Augenbrauen merken sollen oder wie breit seine Nase ist? Ich hab' um mein Leben gekämpft. Ich konnte ihm auch nicht sagen: Bitte warten Sie, bis ich einen Zeugen hole, der alles mit ansehen kann. Wenn jemand das gesehen hätte, täte ich mich heute leichter.

SZ: Sind Sie hinter dem Mann her?

Mannichl: Das sag' ich nicht, das ist Täterwissen.

SZ: Wie war denn diese Stimme? Hoch, tief, gequetscht?

Mannichl: Das ist Inhalt der Ermittlungen. Da kann ich nichts sagen.

SZ: Die Polizei ermittelt auch in Ihrer Familie, lange hieß es, am wahrscheinlichsten sei eine Beziehungstat.

Mannichl: Ich beschwere mich nicht darüber, dass gegen meine Familie und mich ermittelt wird. Das wäre hanebüchen. Je härter ermittelt wird, desto besser ist es. Die arbeiten nicht gegen mich, sondern für mich. Jeder Zweifel muss aufgeklärt werden, sonst bleibt ein fader Beigeschmack, dass etwas unter den Tisch gekehrt wird.

SZ: Es hieß, die DNA ihrer Familie sei anfangs nicht genommen worden. Auch die Alibis seien nicht bis ins Letzte überprüft. Ihr Sohn soll am Tag nach der Tat nicht erreichbar gewesen sein.

Mannichl: Das ist absolut falsch. Die DNA von meiner Frau wurde am Tag nach der Tat genommen. Meine Kinder wurden später überprüft. Und mein Sohn scheidet als Verdächtiger aus, er war am Tag nach der Tat im Zug nach Passau, um seinen Vater im Krankenhaus zu besuchen. Er war zu jeder Sekunde erreichbar. Mittlerweile hat die Soko erklärt, es gebe keine Verdachtsmomente gegen die Familie.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, was Alois Mannichl über das Lebkuchenmesser sagt.

Das Lebkuchenmesser

SZ: Viele finden es merkwürdig, dass der Täter ein Messer aus Ihrem Haushalt benutzt hat.

Mannichl: Das berühmte Lebkuchenmesser! Wir hatten ein paar Tage vor dem Attentat eine Adventsfeier mit unserer Nachbarschaft, mit belegten Broten, Lebkuchen und Punsch. Da haben wir ein Messer auf den Tisch gelegt. Das ist mir beim Aufräumen runtergefallen und ich habe es auf die nächstbeste Ablage gelegt, aufs Fensterbrett. Da habe ich es vergessen. Warum der Täter unser Messer genommen hat? Ich hab ihn ja nicht fragen können. Vielleicht hat er unser Haus zuvor ausgekundschaftet oder er hatte ein eigenes Messer dabei und hat dann unseres gesehen und sich gedacht: Dann muss ich meines nicht schmutzig machen.

SZ: Wann haben Sie der Polizei von dem Messer berichtet?

Mannichl: Noch am gleichen Tag haben wir darauf hingewiesen, dass es aus unserem Haushalt stammt. Und von einem Lebkuchenmesser und einem angeblichen Brauch, Lebkuchen aufzuschneiden, habe ich nie gesprochen. Daraus eine Merkwürdigkeit zu konstruieren...

SZ: ...zumindest dem Staatsanwalt erschien das merkwürdig wie auch das Fehlen von DNA-Spuren des Täters auf dem Messer oder auf Ihrer Kleidung.

Mannichl: Erst hieß es, es gebe keine DNA-Spuren, jetzt heißt es, es seien zu viele. Den Vorwurf der DNA-Spuren kann ich überhaupt nicht nachvollziehen. Anfang Januar hat die Staatsanwaltschaft geäußert, es fänden sich nur meine Spuren auf dem Messer. Damals hatte ich überhaupt noch keine DNA-Vergleichsprobe abgegeben. Das habe ich erst Ende Januar gemacht.

SZ: Auch am Pullover sind keine Spuren zu finden, hieß es von den Ermittlern.

Mannichl: Von welchen Ermittlern? Das ist absurd. Ich hatte überhaupt keinen Pullover an, sondern nur ein Hemd. Und der einzig gesicherte Kontakt, an den ich mich erinnern kann, war das Halten seines Armes. Ich habe den Mann nur mit meinen Händen am Arm gepackt. Jetzt heißt es, sogar der Messerstich soll nicht wirklich heftig gewesen sein. Ich kann nur eins sagen: Mir hat's gereicht.

SZ: Was kritisieren Sie an den Ermittlungen?

Mannichl: An den Ermittlungen kritisiere ich überhaupt nichts. Ich kritisiere nur, dass Ermittlungsdetails zum Teil falsch in der Öffentlichkeit dargestellt wurden: zum Beispiel, dass die Waffe als Lebkuchenmesser bezeichnet wurde und gleich noch ein Brauch dazu erfunden wurde, den es gar nicht gibt. Für die Neonazis wurde das damit gleich zum Instrument des Spotts. Auch die Sache mit den DNA-Spuren oder dass unsere Kinder erst so spät aus dem Verdächtigenkreis genommen wurden, war für uns schwer, obwohl früh feststand, dass die Kinder es nicht gewesen sein konnten.

SZ: Was können Sie tun, um die weit verbreiteten Zweifel am Tatgeschehen zu zerstreuen?

Mannichl: Das ist nicht meine Aufgabe. Das ist doch das Perverse: Meine Familie und ich, wir sind zu Tätern gestempelt worden, obwohl es keinen einzigen Sachbeweis gegen uns gibt, null Komma null.

Lesen Sie auf der letzten Seite, wie sich das Leben von Alois Mannichl und seiner Familie nach dem Attentat verändert hat.

Das Leben nach dem Attentat

SZ: Warum ergreifen Sie jetzt das Wort? Immerhin hat das Innenministerium sogar rechtlich prüfen lassen, ob es Ihnen öffentliche Äußerungen verbieten kann, damit Ruhe in die Ermittlungen kommt.

Mannichl: Mir hat keiner einen Maulkorb verpasst. Aber wenn ich angegriffen werde, wehre ich mich. Das bin ich meiner Familie schuldig. Ich lasse mich nicht als verkappten Täter hinstellen. Immerhin hatte ich das Messer im Bauch.

SZ: Wie hat sich Ihr Leben seit der Tat verändert? Gehen Sie noch unbefangen an Ihre Tür?

Mannichl: Das Leben hat sich geändert für uns, aber nicht nur zum Negativen. Wir haben auch viel Zuspruch erfahren. Und an die Tür gehe ich wieder. Unbefangen aber nicht.

SZ: Sie haben sich auf einen Rechtsradikalen als Täter festgelegt. Warum kann es nicht jemand anderes gewesen sein, ein Auftragskiller zum Beispiel, immerhin haben Sie früher gegen die Organisierte Kriminalität ermittelt?

Mannichl: Das war nicht die Organisierte Kriminalität. Die hätte ich nicht überlebt. Die hätten mich auf dem Weg von der Arbeit abgefangen, da wäre einfach ein Autounfall passiert. Der Mann, der mich überfallen hat, war ein strammer, durchgeknallter Rechtsradikaler. Sie hätten seine Augen sehen sollen.

SZ: Ein Mann von der NPD?

Mannichl: Ich habe nie die NPD der Tat bezichtigt. Aber dort sitzen die geistigen Brandstifter. Die versuchen, einen Brand mit Benzin zu löschen. Die verspotten mich jetzt als Märtyrer der Nation. Ich bin kein Held und auch kein Märtyrer.

SZ: Glauben Sie, dass der Täter noch gefasst wird?

Mannichl: Mit Sicherheit. Das ist nur eine Frage der Zeit. Jeder macht irgend-wann einen Fehler. Das Entscheidende für uns ist, dass die Angst dann ein Ende hätte. Diese ständige Angst, dass der Täter seine Tat noch konsequent zu Ende bringt.

SZ: Sicherheitsexperten sagen: Wenn es ein Rechtsextremer aus Bayern oder Österreich war, dann hätte der längst gefunden werden müssen. Schließlich kennen die Behörden ihre Kundschaft und haben alle Neonazis in ihren Dateien erfasst.

Mannichl: Das ist absurd. Das ist so ähnlich, als ob man behauptet, alle potentiellen Bankräuber zu kennen.

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