Süddeutsche Zeitung

Nach Abstimmung im Landtag:SPD erlebt Konzertsaal-Desaster

  • Bei einer Abstimmung über die Konzertsaalfrage in München kommt es zum Bruch zwischen SPD-Fraktionschef Rinderspacher und dem Großteil der SPD-Abgeordneten.
  • Rinderspacher ist ein bekennender Anhänger einer großen Konzertsaal-Lösung - und damit klar gegen den nun ausgehandelten Kompromiss von Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) und Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD).
  • Dass sich fast alle SPD-Abgeordneten für den Kompromiss ausgesprochen haben, ist für Rinderspacher eine herbe Niederlage.

Von Sarah Kanning und Frank Müller

Ein Fraktionschef, der seine eigenen Leute nicht mehr hinter sich bringt und deswegen am Ende mit der Konkurrenz stimmen muss - das hat es im Landtag sehr lange nicht gegeben. Wenn überhaupt. SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher hat jetzt in der Konzertsaaldebatte diesen artistischen Akt samt höchst unsanfter Landung abgeliefert. Er stimmte am Mittwochabend gegen die Linie seiner eigenen Fraktion und für einen Antrag der Freien Wähler. Schmerzhafter geht es kaum für einen Fraktionschef, der eigentlich die eigenen Leute anführen sollte.

In der SPD gibt es "solche und solche Meinungen"

Rinderspacher ist ein bekennender Anhänger einer großen Konzertsaal-Lösung für München und damit klar gegen den nun ausgehandelten Kompromiss von Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) und Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD), nur die Philharmonie im Gasteig umzubauen. Dass er damit in seiner eigenen Fraktion abschmiert, war schon den ganzen Plenartag über absehbar. Der Fraktionschef schafft es schon bei einer internen Fraktionssitzung nicht, die Seinen hinter sich zu versammeln. Ganze fünf Mitglieder sprechen sich für einen neuen großen Konzertsaal in München aus, Rinderspacher inklusive. Die SPD stellt insgesamt 42 Abgeordnete.

Eigentlich handeln die SPD-Abgeordneten noch einen wolkig klingenden Kompromissantrag aus, um den Konflikt zuzudecken. Doch in der abendlichen Plenardebatte wird es einsam um Rinderspacher. SPD-Kultursprecherin Isabell Zacharias, zugleich Münchner SPD-Vizechefin, darf für die Genossen ans Pult. Sie stellt sich - absprachewidrig, wie es in der Fraktion heißt - klar hinter die Gasteig-Lösung und damit hinter den Münchner SPD-OB Dieter Reiter. Und sie macht noch nicht einmal den Versuch, den Konflikt zu verdecken. Es gebe eben "solche und solche Meinungen" in der SPD, sagt sie. Schließlich lobt sie sogar explizit Seehofer. "Mein Landesvater", sagt die SPD-Abgeordnete völlig ohne Ironie zur sichtlichten Freude der CSU.

Wie der Fraktionschef reagiert

Rinderspacher hält es kaum aus. Er sitzt in der ersten Reihe, sackt mal zusammen, richtet sich dann wieder auf. Die Genossen stecken die Köpfe zusammen, Rinderspacher redet erregt auf sie ein. Zacharias spricht mit ihm, auch Generalsekretärin Natascha Kohnen. In ihm brodelt es erkennbar. Es ist der Moment, in dem er sich entscheidet, für die Freien Wähler zu stimmen. Eine SPD-Frau folgt ihm noch, der ganze Rest stimmt mit Nein.

Das könnte ein Moment sein, in dem man an Rücktritt denkt. Er sagt, er tut es nicht. "Das war eine schwere Niederlage für mich", gesteht er ein - aber es sei ein Einzelfall. "Das Leben geht weiter." Es wird ein zäher Kampf werden, Rinderspacher will ihn führen: "Ich bin mir sicher, ich kriege die Fraktion schon noch auf meine Seite - es ist nur eine Frage der Zeit." In der Fraktion wird der Jubel für solche Sätze gering ausfallen.

In der Landtags-SPD gibt es wie in den anderen Fraktionen ganz unterschiedliche Meinungen. Viele Abgeordnete vom Land sehen große Ausgaben in der Landeshauptstadt skeptisch und verstehen nicht, was die Klassikfreunde eigentlich wollen. Rinderspacher sei einer, der mit "viel Herzblut" bei der Sache sei, heißt es quasi entschuldigend in der Fraktion.

Wie die anderen Parteien abgestimmt haben

Dabei steht Rinderspacher gar nicht alleine: Auch Grünen-Fraktionschefin Margarete Bause votiert in derselben Abstimmung für den FW-Antrag, ebenfalls gegen den Rest der Fraktion. Anders als bei der SPD sei das aber intern klar abgesprochen gewesen, sagt Bause. Die CSU dagegen stimmt einheitlich, aber auch in ihr denken die Abgeordneten sehr verschieden.

So etwas macht sich schon bei gewöhnlichen Abgeordneten nicht gut, wird aber immer wieder toleriert. Vor allem bei regionaler Betroffenheit: So stimmten erst kürzlich mehrere CSU-Abgeordnete aus der Flughafenregion, anders als der Rest ihrer Fraktion, gegen die dritte Startbahn. Dass aber ein Fraktionschef ausschert, das ist neu. Selbst Abgeordnete anderer Fraktionen erschrecken, als sie die Situation mitbekommen.

Wovor sich Großstadtpolitiker sorgen

Dahinter steht auch eine Sorge der Großstadtpolitiker, sich nun ausgerechnet von der Land-Partei Freie Wähler die Butter vom Brot nehmen zu lassen. Die stehen derzeit als einzige Partei voll hinter einem neuen Konzertsaal und machen das in ihrem Antrag überdeutlich. "Es besteht ein dringender Bedarf für einen neuen, international wettbewerbsfähigen Konzertsaal, damit München auch künftig seinem internationalen Ruf als Kunstmetropole gerecht wird", heißt es darin.

Der Münchner Abgeordnete Rinderspacher sieht mit Sorge, dass die Freien Wähler nach ihrem Kampf gegen die Studiengebühren und gegen das achtstufige Gymnasium nun schon wieder ein Großstadtthema besetzen. Es handele sich "um eine Initiative mitten im Herzen des städtischen Lebens", merkt der SPD-Fraktionschef besorgt an. "Dort, wo eigentlich Rot-Grün tobt."

SPD leidet unter Doppelrolle

Die SPD bekommt mit dem Fall ein weiteres Mal ihre Doppelrolle zu spüren: Im Landtag in der Opposition, im Münchner Rathaus wie in Berlin in der Regierung. Doch gleichzeitig Reiter den Rücken zu stärken, Seehofer aber nicht, ist in solchen Fällen nicht so leicht. Landeschef Florian Pronold stärkt am Donnerstag Rinderspacher den Rücken: "Ich schätze das, wenn einer Herzblut hat in der Politik - aber nicht alle haben dasselbe Herzblut." Es gebe aber in der SPD wichtigere Themen, als wann und in welcher Form der Konzertsaal komme: "Jeder barrierefreie Bahnhof in Bayern ist wichtiger als diese Konzertsaalentscheidung."

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SZ vom 13.02.2015
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