Mysteriöser Mord vor 29 Jahren:Tot in der Garage

Vor 29 Jahren wurde in einer Wolfratshauser Garage der Exil-Jugoslawe Stjepan Durekovic ermordet aufgefunden. Die mutmaßlichen Hintermänner der Tat sind den Justizbehörden namentlich bekannt - und leben bis heute unbehelligt in Kroatien.

Frederik Obermaier

Als Stjepan Durekovic gefunden wurde, war er bereits mehrere Stunden tot. Der 57-Jährige lag zusammengekrümmt in einer Garage im oberbayerischen Wolfratshausen. Er hatte Einschüsse an der rechten Hand, beiden Armen und dem Rücken, in seinem Lenden steckte eine Kugel, sein Schädel war eingeschlagen. Als Zeitpunkt des Todes notierten die Ermittler den 28. Juli 1983; an diesem Samstag ist das genau 29 Jahre her. Ein Kroate wurde inzwischen von einem bayerischen Gericht im Zusammenhang mit der Tat verurteilt, doch nach den wahren Killern und Hintermänner fahnden die deutschen Ermittler noch immer. Dabei sind der Polizei teilweise sogar ihre Wohnorte bekannt, bis hin zur Hausnummer. Dass die Männer trotzdem noch auf freiem Fuß sind, überschattet den bevorstehenden Beitritt Kroatiens in die Europäische Union.

Ermordeter Exilkroate Stjepan Durekovic

Ermordeter Exilkroate Stjepan Durekovic Der kroatische Verleger Stjepan Durekovic. (Undatiertes Polizeifoto). Die Leiche des Exilkroaten wurde am 29.07.1983 in einer Garage in Wolfratshausen in Oberbayern gefunden, die einem kroatischen Verlag als Druckerei dient. Der 57jährige wurde durch sechs Schüsse getötet, von dem Täter fehlt jede Spur.

(Foto: dpa)

Als Durekovic noch lebte, war Kroatien eine Teilrepublik Jugoslawiens, er war Manager beim staatlichen Erdölunternehmen INA, in seiner Freizeit schrieb er Manuskripte mit so vielsagenden Titeln wie "Der Kommunismus, ein einziger Betrug" - im kommunistischen Jugoslawien grenzte das an Hochverrat. Durekovic sollte zum Schweigen gebracht werden, doch er kam seinen Gegnern zuvor: Im April 1982 flüchtete er über Österreich nach München. Die bayerische Landeshauptstadt und ihr Umland waren damals zweite Heimat unzähliger Exilkroaten. Hier, so dachte Durekovic wohl, sei er vor dem jugoslawischen Geheimdienst in Sicherheit.

Es war ein Irrtum. 15 Monate später war Durekovic tot. Ihn trafen mehrere Kugeln, abgefeuert aus zwei Pistolen der Marken Ceska und Beretta, dann schlugen ihm seine Mörder - wahrscheinlich mit einem Haumesser - den Schädel ein, "um sich des Tötungserfolgs sicher zu sein", wie es später in den Akten stand. Als Todesursache wurde "eine zentrale Hirnlähmung sowie innere Blutungen" vermerkt. Durekovic starb innerhalb weniger Minuten.

Mindestens 22 Exilkroaten wurden nach Angaben von Ermittlern zwischen 1970 und 1989 in der Bundesrepublik ermordet. Die meisten Täter wurden bis heute nicht gefasst, viele von ihnen leben weiterhin unbehelligt in den Nachfolgestaaten der früheren Sozialistischen Republik Jugoslawien. Im Fall Durekovic wurde im Juli 2008 lediglich der Exilkroate Krunoslav P. zu lebenslanger Haft verurteilt. Er soll seinen Mittätern die Schlüssel zu jener Garage in der Sauerlacher Straße in Wolfratshausen besorgt haben, in der Durekovic starb. Die Täter überraschten den 57-Jährigen, als er in dem zu einer Druckerei umgebauten Raum gerade einen seiner regimekritischen Artikel kopieren wollte.

Die 118 Seiten lange Urteilsbegründung des 6. Strafsenats des Oberlandesgerichts München gibt einen seltenen Einblick in die dunklen Machenschaften des jugoslawischen Geheimdienstes in Deutschland. So habe der "Rat für die Verteidigung der verfassungsmäßigen Ordnung" der jugoslawischen Teilrepublik Kroatien am 14. Dezember 1982 die "Liquidierung" von Durekovic angeordnet. Der Befehl sei später von der Abteilung II ("Bekämpfung der feindlichen Emigration") des Staatssicherheitsdienstes SDB in Belgrad "formell bestätigt" worden, die Tatwaffen seien durch eine staatliche oder halbstaatliche Spedition nach München gelangt.

Ein Name taucht in den Akten zum Fall Durekovic immer wieder auf, es ist der Name Vinko Sindicic, abgekürzt als: Si. Seine Aussagen seien "besonders werthaltig und authentisch". Sindicic war einst Mitarbeiter des kroatischen Geheimdienstes. Unter dem Decknamen "Miso" hatte er nach eigenen Angaben die exilkroatische Szene in der Bundesrepublik infiltriert, auch mit mehreren Morden wird er in Verbindung gebracht. Wegen versuchter Tötung eines Exilkroaten verurteilte ihn ein schottisches Gericht Ende der achtziger Jahre zu 15 Jahren Haft. Nachdem er freigekommen war, wandte sich Sindicic 2007 an das Kölner Bundesamt für Verfassungsschutz. Er habe Informationen. Wichtige Informationen - auch zum Fall Stjepan Durekovic.

Belohnung von 5000 Euro ausgesetzt

Ermittler hörten sich an, was der mysteriöse Mann, der fließend Deutsch sprach, zu sagen hatte. Über mehrere Tage verteilt erzählte der damals 64-Jährige von "sensiblen Operationen", die er für den kroatischen Geheimdienst im Ausland durchgeführt habe, auch in Schottland sei er gewesen, nur geschossen habe er damals nicht. Vor allem aber erzählte Sindicic vom Fall Durekovic, wer die Handlanger waren, wer die Täter, und vor allem, wer im Hintergrund die Befehle gegeben hatte - ein gewisser Josip Perkovic, Chef der Abteilung "Bekämpfung der feindlichen Emigration" des kroatischen Sicherheitsdienstes, und sein Chef, ein Mann namens Zdravko Mustac. Beide Männer sucht die Generalbundesanwaltschaft noch heute mit einem internationalen Haftbefehl, für Hinweise ist eine Belohnung von 5000 Euro ausgesetzt.

Ermordeter Exilkroate Stjepan Durekovic beigesetzt

Tod eines Kritikers: Beerdigung des 1983 ermordeten Stjepan Durekovic auf dem Waldfriedhof in München.

(Foto: Klaus-Dieter Heirler/dpa)

Für den Ex-Geheimdienstler Sindicic wurde die Suche nach Durekovics Mördern zur Aufgabe. Menschen, die ihn kennen, glauben, er wollte damit seinen Ruf wiederherstellen. Wenn er beweisen könnte, dass er die Wahrheit spricht, würde man ihm vielleicht eher glauben, dass er mit den Schüssen auf einem Exilkroaten in Schottland, für die er verurteilt wurde, nichts zu tun habe.

Laut einem Spiegel-Bericht, der von mehreren Seiten bestätigt wurde, spürte Sindicic in Schweden einen der angeblichen Mörder Durekovics auf - und entführte ihn kurzerhand. Erst in Deutschland, an der A 9, an der Raststelle Holledau, ließ Sindicic den Mann frei, zuvor jedoch alarmierte er die Polizei. Die Ermittler feierten den Fang des mutmaßlichen Auftragskillers, zu den Umständen der Festnahme sagten sie nichts. Der Entführte wurde wenig später aus Mangel an Beweisen freigelassen - und Sindicic unter Ausschluss der Öffentlichkeit wegen erpresserischen Menschenraubs zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Seither ist er abgetaucht, angeblich lebt er in der kroatischen Hafenstadt Rijeka. Für die Süddeutsche Zeitung war er bis Freitag nicht zu sprechen, auch eine Kontaktaufnahme über seine beiden in Deutschland lebenden Söhne scheiterte.

Kenner der Agentenszene Ex-Jugoslawiens berichten, Sindicic werde massiv unter Druck gesetzt - von Männern wie Josip Perkovic, laut Polizei wohnhaft in Zagreb oder im kroatischen Ferienort Klenovica, Zdravko Mustac und einem Mann namens Ivan Lasic. Sie zählen zu den meistgesuchten Männern der Bundesrepublik, ihre Adressen sind bekannt, sie stehen auf der Fahndungsseite des bayerischen Landeskriminalamts. Es gab mehrere Rechtshilfeersuchen an die Republik Kroatien. Staatsangehörige liefert das Land jedoch aus Prinzip nicht aus. Während die deutschen Ermittler auf einen Meinungswandel der kroatischen Behörden hoffen, werden dort, so berichtete es zumindest das Magazin Focus, belastende Unterlagen vernichtet: "Die stecken einfach alles in den Ofen", wird ein Münchner Fahnder zitiert.

Dabei hatten die deutschen Behörden ein gutes Druckmittel: Kroatien will 2013 der EU beitreten. In den Verhandlungen hat das Thema Rechtsstaatlichkeit eine große Rolle gespielt - angeblich auch der Fall Durekovic. Dennoch wurde im Dezember 2011 der Beitrittsvertrag unterzeichnet. Für Kroatien unterschrieb Präsident Ivo Josipovic das Dokument - sein Berater für Nationale Sicherheit heißt Sasa Perkovic. Er ist der Sohn von Josip Perkovic - dem Mann also, der den Auftrag zum Mord an Stjepan Durekovic erteilt haben soll.

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