Mysteriöse Brandstiftung:Das Rätsel von Bad Wörishofen

Mysteriöse Brandstiftung: Während Waltraud Bleile und ihr Ehemann in Urlaub waren, legten Brandstifter Feuer in der Praxis der Heilerin.

Während Waltraud Bleile und ihr Ehemann in Urlaub waren, legten Brandstifter Feuer in der Praxis der Heilerin.

(Foto: privat/oh)

In der Praxis einer Heilerin in Bad Wörishofen wird ein Feuer gelegt, danach werden zwei Männer mit schwersten Brandverletzungen in einer Tankstelle abgelegt. Nun hat die Polizei einen Mann festgenommen - doch auch die Ermittler können zur Auflösung der rätselhaften Geschehnisse bislang wenig beitragen.

Von Stefan Mayr

Waltraud Bleile sitzt im großen, hellen Wohnzimmer an einem ovalen Designer-Esstisch aus dunklem Edelholz. Hinter dem schneeweißen Sofa steht eine Art Laufstall, in dem die drei Chihuahuas Benschi, Balu und Baddy bellen. Die 50-Jährige hat hellblond gefärbte Haare, sorgfältig manikürte Hände, ihre aufgeklebten Fingernägel sind spitz und glitzern.

Doch das fein herausgeputzte Idyll hat große Risse: Die Wange unter dem kräftigen Rouge zuckt, auch die dunkelrot bemalten Lippen zittern vor Aufregung. In der Luft liegt ein süßlicher Brandgeruch. "Ich habe seitdem nichts mehr gegessen", sagt sie mit leiser Stimme, "und wenn ich was esse, kommt es sofort wieder 'raus." Sechs Kilo habe sie in den vergangenen zwei Wochen abgenommen. "Ich bin vollkommen am Ende. Fix und fertig."

Waltraud Bleile und ihr Ehemann Alwin führen seit 15 Jahren ein ungewöhnliches Leben: Sie arbeitet als Heilerin. Sie verdient ihr Geld damit, anderen Menschen ihre Hände aufzulegen, um sie damit von Krankheiten zu befreien. Das alleine ist schon außergewöhnlich. Doch was vor zwei Wochen passiert ist, klingt noch viel ungewöhnlicher. Inzwischen ermittelt die Kriminalpolizei Memmingen, doch auch sie kann zur Auflösung der rätselhaften Geschehnisse wenig beitragen.

Fest steht bislang nur, dass in der Nacht des Fußball-Champions-League-Finales in Bleiles Praxis in Bad Wörishofen ein Feuer gelegt wurde und wenig später zwei Männer mit schwersten Brandverletzungen vor einer Tankstelle im vier Kilometer entfernten Türkheim aufgefunden wurden. Ein Mann legte sie dort gegen 1.50 Uhr ab, dann brauste er davon. Die zwei Männer, ein 22-jähriger Bochumer und ein 36-Jähriger aus dem Raum Recklinghausen, wurden mit Hubschraubern in Spezialkliniken geflogen.

Eine völlig zerstörte Praxis

Zum Zeitpunkt des Brandes waren die Eheleute Bleile im Urlaub. Als die beiden einen Tag später nach Hause kamen, fanden sie eine völlig zerstörte Praxis vor. Ihr benachbartes Wohnhaus war voller Ruß, aber weitgehend unbeschädigt. Nach Erkenntnissen des Landeskriminalamts war es Brandstiftung, es gab eine Verpuffung und einen Schwelbrand. Der Sachschaden wird auf 200.000 Euro geschätzt. In der Praxis ist alles schwarz, beißender Gestank liegt in der Luft. Alwin Bleile versucht zu retten, was zu retten ist. "Wir wissen noch nicht, wie viel die Versicherung bezahlt", sagt er.

Wer sind die zwei fremden Männer und was wollten sie in der Praxis? Welche Rolle spielte der dritte Mann? Der Fall lässt viele Fragen offen. "Wir wissen nichts", sagt Waltraud Bleile. "Die Polizei hat uns nicht gesagt, wer die Männer sind."

Auch der Presse gegenüber gibt die Polizei kaum Details bekannt. Nur so viel: Die zwei Männer sind nicht ansprechbar, sie liegen im Koma. Ihre Verbrennungen sind so schwer, dass man noch nicht abschätzen kann, ob sie überleben. Der dritte Mann wurde vergangene Woche im Kreis Recklinghausen festgenommen. Der 38-Jährige soll ins Allgäu gebracht werden und demnächst vernommen werden. Zu den Hintergründen der Brandstiftung sagt die Polizei nichts.

"Ich hacke dir deine Hände ab"

Lange Zeit führte die Familie Bleile ein ganz normales Leben: Sie ist gelernte Konditorin, er Heizungsbau-Meister. Sie haben zwei Kinder. Alles nichts besonderes. Dann platzten in ihrer Wohnung regelmäßig Glühbirnen und Gläser. "Immer in gleich große Teile", beteuert Alwin Bleile, "die Scherben vom dicken Glasboden waren genauso groß wie alle anderen Teile."

Irgendwann, so berichtet Waltraud Bleile, habe sie erkannt, dass ihre Hände eine besondere Energie abstrahlen. "Ich habe das ein Jahr lang ja selbst nicht geglaubt", sagt sie. Die "ersten Testpersonen" seien Mutter und Ehemann gewesen. Bald war die Mutter von ihrer Polyarthritis geheilt und ihr Mann von seinen schmerzhaften Ablagerungen in der Schulter. 1998 machte Waltraud Bleile ihre Begabung zum Beruf.

Das Geschäft ging so gut, dass ihr Mann seine Arbeit aufgab, um ihr als Geschäftsführer und Hausmann den Rücken frei zu halten. "Damit ich meine ganze Energie fürs Heilen hatte", sagt sie. Seit dem Feuer hat sie nicht mehr gearbeitet. "Es geht nicht", sagt sie. "Wie soll ich Energie abgeben, wenn ich selbst keine mehr habe?"

Auf Bleiles Homepage kann man mehr als 100 Dankesbriefe von Patienten nachlesen. Doch nun steht dort auf der ersten Seite: "Durch einen Brandanschlag wurde unsere Praxis völlig zerstört. Wir stehen vor dem finanziellen Ruin. Wir bitten Sie recht herzlich um Spenden für einen Neuanfang und bedanken uns im Voraus bei Ihnen. Familie Bleile." Waltraud Bleile berichtet, sie werde seit Jahren bedroht. Per E-Mail, per Telefon, per Post. Eine Frau habe geschrieben: "Ich hacke dir deine ekligen, dreckigen Hände ab." Einmal seien ihre Reifen angestochen gewesen und während der Fahrt geplatzt. Sie habe 2011 Anzeige erstattet. Allerdings ohne Ergebnis.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: