Süddeutsche Zeitung

Polizeieinsätze:Festival-Eskalation oder ganz normaler Wahnsinn?

Bei einem Kultur-Fest in Schwandorf soll die Feierei ziemlich ausgeartet sein. Sagt die Polizei. Die Veranstalter verstehen die Welt nicht mehr. Derweil geht es anderswo ganz anders zu.

Von Deniz Aykanat

Ob sich bayerische Polizisten wohl die Wintermonate zurückwünschen, als eine ihrer Hauptaufgaben darin bestand, unbelehrbare "Spaziergänger" in Schach zu halten? Wenn man sich so manchen Polizeibericht vom Wochenende durchliest, dann könnte einem dieser Gedanke kommen. Denn gerade ist nicht nur Volksfest- und Kirchweihzeit, sondern auch Festivalsaison.

Beim Mahagoni-Festival in Schwandorf etwa haben es die Besucher nach Ansicht der Polizei mit der Feierei übertrieben. Die Veranstalter hingegen verstehen die Welt nicht mehr. 2019 fand das Festival zuletzt statt. "Das war wunderbar." Was war nun passiert?

Am Klausensee bei Schwandorf fand von Donnerstag bis Sonntag ein kleines Kultur- und Musik-Festival mit knapp 1000 Besuchern statt, organisiert von ein paar Studenten. Aus Sicht der Schwandorfer Polizei artete es aus. Fragt man einen der Veranstalter, dann war es ein "schönes, nicht-kommerzielles Festival mit 140 Musikern, die für dieses Projekt ohne Gage spielten." Er möchte nicht mit Namen genannt werden, zu schwer wiegen seiner Ansicht nach die Vorwürfe, die im Polizeibericht und in der Presse verbreitet werden.

Laut Polizei fuhren Streifen über vier Tage verteilt zu knapp einem Dutzend Einsätzen zum See raus. So viele hat man bei einer Kirchweih manchmal an einem Abend. Die Polizei stellt es so dar: Da sei zunächst ein Besucher unter Drogeneinfluss von einem Podest gestürzt. Mit Fortschreiten der Nacht musste die Polizei wieder kommen, weil die Besucher "zunehmend ihre Steuerungsfähigkeit verloren und Gefahr bestand, dass sie im See ertrinken. Tatsächlich geriet ein Gast unter Wasser, der sich mit Glück noch selber retten konnte". Laut Wasserwacht und Sanitäter, habe es keine Fälle von fast Ertrinkenden gegeben, sagt der Veranstalter. Laut Polizeibericht ist ein Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes vor der Polizei davongerannt und im Wald verschwunden. Eine Frau soll zudem unter LSD-Einfluss umhergeirrt sein. Anwohner aus umliegenden Ortschaften beschwerten sich über die laute Musik. Mehrere Ordnungswidrigkeitsverfahren wurden eingeleitet.

"Wir sind kein Drogen-Festival"

Und dann ist da noch der Vorwurf, die Veranstalter selbst hätten "nach augenscheinlichen Feststellungen der Polizei unter Drogeneinfluss" gestanden, wie es im Bericht heißt. Der Veranstalter weist das vehement von sich. "Ich war das ganze Festival über nüchtern. Es wurde bei mir und den restlichen Organisatoren auch nie ein Drogen- oder Alkoholtest durchgeführt." Er behält sich rechtliche Schritte vor. "Da wird eine Dramaturgie aufgebaut", sagt er. "Wir sind kein Drogen-Festival."

War das nun Eskalation oder ganz normaler Festival-Wahnsinn? Vielleicht hilft der Vergleich nackter Zahlen anderer Festivals, die parallel stattfanden. Zwei ziemliche Kaliber gab es am Wochenende: das Echelon-Festival bei Bad Aibling im Landkreis Rosenheim mit 30 000 Besuchern und Summer Breeze im mittelfränkischen Dinkelsbühl, das zweitgrößte Metal-Festival Deutschlands, das dieses Jahr 45 000 Menschen anzog.

Tatsächlich wirken elf Einsätze bei einem Festival im Vergleich nicht so wahnsinnig üppig. Beim Echelon-Festival etwa wurden 165 Straftaten und Verstöße erfasst, davon 147 Drogendelikte. Die Besucherzahl ist zwar auch um einiges höher, aber dafür sind bis zu 140 Polizisten auf dem Festivalgelände im Einsatz. Bei Summer Breeze gab es eine eigens eingerichtete Festival-Wache. Am Klausensee hätten die Veranstalter Polizeipräsenz durchaus begrüßt, sagen sie. Bei Anreisekontrollen zum Beispiel. "Wir können bei 1000 Menschen nicht alle selbst kontrollieren."

Einsätze wegen Körperverletzung oder Sexualdelikten gab es laut Polizei keine am Klausensee. Nach dem Metal-Festival in Dinkelsbühl ermittelt die Polizei wegen mehrerer sexueller Übergriffe, in einem Fall sogar wegen Vergewaltigung. Insgesamt zieht das Polizeipräsidium Mittelfranken trotzdem eine "positive Bilanz."

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