Süddeutsche Zeitung

Musical in Füssen:Ludwig II. soll auferstehen - schon wieder

  • Nachdem es dreimal nicht erfolgreich gelaufen ist, soll das Musical über König Ludwig II. erneut im Festspielhaus in Füssen aufgeführt werden.
  • Die nötigen 75 000 Euro will Regisseur Benjamin Sahler per Crowdfunding bis Ende November einsammeln.
  • Derzeit fehlen noch 30 000 Euro.

Von Stefan Mayr

Zuletzt gastierte im Festspielhaus Füssen der Komödienstadel. Der Bayerische Rundfunk zeichnete das Stück "Ein Garten voll Schlawiner" auf. So weit ist das 40 Millionen Euro teure Festspielhaus also schon gesunken.

Ein Bauernschwank in jenem Märchenpalast, der einst extra gebaut wurde zu Ehren des Kini, um ihm dort Woche für Woche zu huldigen mit Tanz und Gesang: Das ist ungefähr so, wie wenn der FC Füssen gegen den TSV Pfronten in der Allianz-Arena kicken würde. Aber es gibt neue Hoffnung: Im Sommer 2016 soll am Ufer des Forggensees und zu Füßen Neuschwansteins das tot geglaubte König-Ludwig-Musical wieder auferstehen.

Bis jetzt brachte der König den Veranstaltern keinen Erfolg

Es ist bereits der vierte Anlauf, das Schicksal des Märchenkönigs in eine dreistündige Show zu pressen und zu versilbern. Alle bisherigen Versuche endeten früher oder später in der Insolvenz. Aber diesmal soll alles ganz anders und viel besser werden. Das geht schon bei der Finanzierung los: Regisseur Benjamin Sahler sammelt das nötige Geld im Internet ein - per Crowdfunding.

Dabei können Freunde des Musicals und/oder des Königs schon vorab Eintrittskarten vorbestellen. Falls auf diese Weise mehr als 75 000 Euro zusammenkommen, würde Sahler das Abenteuer wagen und eine Produktion auf die Beine stellen. Die Aktion läuft noch bis Ende November, bislang sind 45 000 Euro eingesammelt. "Wir sind sehr optimistisch", sagt der 42-jährige freischaffende Regisseur aus Stuttgart. "Zu 75 Prozent wird König Ludwig nächstes Jahr wieder zu sehen sein."

Im Gegensatz zu den gescheiterten Vorgänger-Projekten will Sahler das Stück nicht über das ganze Jahr hinweg aufführen, sondern nur in den Sommerferien. Premiere wäre am 13. August, geplant sind 27 Vorstellungen. "Es muss doch möglich sein, in der absoluten Touristen-Hochsaison eine Auslastung von 50 Prozent hinzubekommen", sagt Sahler. 1350 Plätze hat das Festspielhaus.

Das imposante Bauwerk wurde im Jahr 2000 mit der Uraufführung des Musicals "Ludwig II. - Sehnsucht nach dem Paradies" eröffnet. Das Festspielhaus gilt als zweitgrößte Drehbühne Europas, sie hat auch ein 90 000 Liter Wasser fassendes Bassin, um darin den König historisch korrekt untergehen zu lassen. Doch 2003 war das Märchen vorbei, trotz 1,5 Millionen Zuschauer wurde Konkurs angemeldet. Der zweite Versuch hieß "Ludwig² - Der Mythos lebt", die Musik schrieb niemand geringerer als Konstantin Wecker. Aber 2007 gingen erneut die Lichter aus. Zuletzt erklomm der König im Sommer 2011 die Bühne der Kemptener "Big Box"- und stürzte ein Jahr später ab.

Das Musical soll jetzt wieder nach Füssen

Benjamin Sahler sah die Produktion damals und war durchaus angetan. "Aber die Halle passte nicht", sagt er, "dieses Musical passt nur nach Füssen." Nur hier verbinde sich das Geschehen auf der Bühne "in wunderbarer Weise" mit der realen Umgebung.

"Wenn man das Festspielhaus betritt, sieht man Schloss Neuschwanstein", schwärmt er. "Das kann sonst keine Kulisse der Welt bieten." Ob diese Begeisterung ausreicht, um das Musical erstmals in die schwarzen Zahlen zu hieven? "Wir haben den großen Vorteil, dass alle Kulissen und Kostüme noch vorhanden sind", sagt Sahler. Auch Musik und Text müssten nicht mehr teuer eingekauft werden. "Wir können auf viel Bewährtes zurückgreifen, werden aber natürlich etwas völlig Neues zeigen", wirbt der Regisseur.

Er geht von 500 000 Euro Gesamtkosten aus und sagt ganz offen, dass er das Projekt ohne Crowdfunding "niemals machen würde". Er werde wohl 70 bis 100 Mitarbeiter benötigen, für die Hauptrollen hat er bereits zwei Darsteller gefunden: Matthias Stockinger, der bereits in Kempten König Ludwig verkörperte. Die österreichische Kaiserin Sissi soll die Allgäuerin Anna Hofbauer geben. Die 27-jährige gebürtige Marktoberdorferin ist bekannt aus Film und Fernsehen, sie war 2014 "Die Bachelorette" des TV-Senders RTL. Sie trat aber auch am Oldenburgischen Staatstheater als Evita im gleichnamigen Musical auf.

Es soll mehr Intrigen und weniger Liebe geben

Ludwig und Sissi, die zwei Kitsch-Ikonen sollen also in Füssen wieder zueinander finden und im Duett singen. Für die einen ist das der Höhepunkt der Vorstellung, für die anderen eher der Tiefpunkt aller Bühnenkunst. Regisseur Sahler betont allerdings, dass er sein Hauptaugenmerk nicht auf Ludwigs vermeintliche platonische Liebe zu Sissi legen wird. Viel spannender sei Ludwigs "Auseinandersetzung mit den Zuständen seiner Zeit": "Er war an Kunst und Natur interessiert und ein extremer Pazifist", sagt Sahler, "und er scheiterte an Intrigen, Korruption und Lobbyismus." Das Thema sei aktueller denn je. Mit seinen Traumschlössern habe Ludwig vor allem "seine Depression ummauert".

Sahler - er war von 2000 bis 2003 Spielleiter am Passauer Stadttheater - beteuert, dass die Crowdfunding-Plattform www.startnext.com seriös sei. Das Geld der Interessierten werde erst eingezogen, wenn die Schwelle von 75 000 Euro überschritten sei. Füssens Bürgermeister Paul Iacob unterstützt das Projekt. Er spricht von einer "großartigen Chance" und hat bereits demonstrativ Tickets bestellt.

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Quelle:
SZ vom 10.11.2015/eca
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