Bairisch als Anlass für Diskriminierung:Deutsch können nur die anderen

Dialektforscher König mit seinem Bayerischem  Sprachatlas, 2003

Sein Forschungsgebiet ist die Sprache. Der emeritierte Germanistik-Professor Werner König wirkte unter anderem am Bayerischen Sprachatlas mit.

(Foto: dpa)

Im Fernsehen gehört es längst zum guten Ton, süddeutschen Sprachklang als exotisch und unverständlich abzuwerten. Der Augsburger Sprachwissenschaftler Werner König spricht sogar von einer neuen Form der Diskriminierung - und fordert ein Gesetz, das verbietet, Kinder wegen ihrer Aussprache zu kritisieren.

Von Hans Kratzer

Vor einigen Wochen war der Steuerberater Markus Zwicklbauer aus Fürstenzell (Landkreis Passau) zu Gast bei der ARD-Talkshow "Hart, aber fair". In der Diskussion trug er seine Argumente nicht im Dialekt vor, aber in einem Deutsch mit bayerischer Färbung. Sein dunkles a und sein rollendes r überforderten freilich die Toleranzbereitschaft des Moderators Frank Plasberg. Er attestierte Zwicklbauer zwar "einen reizenden Dialekt", ermahnte ihn aber, er solle Hochdeutsch sprechen, damit die Zuschauer ihn verstünden.

Im Deutschen Fernsehen gehört es längst zum guten Ton, süddeutschen Sprachklang als exotisch und unverständlich abzuwerten. Diese Neigung setzte in den 80er Jahren ein, als Redebeiträge bayerischer Wintersportler im ZDF plötzlich mit dem Hinweis "Originalton Süd" untertitelt wurden. Bis dahin war die Sprache kein Problem gewesen. Sogar ein Bergfex wie Luis Trenker durfte das ARD-Publikum mit ausgeprägtem südtirolerischen Akzent unterhalten. Heute würde so etwas wohl nicht mehr gesendet werden.

Selbst ein anerkannter Gutmensch wie Rupert Neudeck, Gründer des deutschen Not-Ärzte-Komitees Cap Anamur, ließ sich im ZDF-Nachtstudio einmal zu einer rotzigen Bemerkung gegenüber der Kabarettistin Martina Schwarzmann hinreißen, weil ihm ihr korrektes, aber vom Dialekt gesprenkeltes Deutsch nicht gefiel. Kein Wunder, dass das Straubinger Tagblatt nach der Plasberg-Sendung resümierte: "Eine südliche Färbung reicht aus, um im Deutschen Fernsehen als Vollexot vorgeführt zu werden." Man könnte auch sagen: als Volldepp, der kein Deutsch kann.

Der Augsburger Sprachwissenschaftler Werner König hat sich zuletzt in mehreren bemerkenswerten Aufsätzen mit der deutschen Sprachentwicklung auseinandergesetzt. Er kommt darin zu dem Schluss, dass Moderatoren und Kabarettisten, die Schwaben, Bayern und Sachsen wegen ihrer sprachlichen Eigenarten gezielt vorführen, eine neue Form der Diskriminierung ausüben.

"Die Frau kann ja nicht mal richtig Hochdeutsch!"

König ist ein anerkannter Experte und Herausgeber des in mehreren hunderttausend Exemplaren aufgelegten "dtv-Atlas Deutsche Sprache". Er listet bei Bedarf eine ganze Litanei von Vorfällen auf, die seiner Meinung nach als diskriminierend zu werten sind. König nennt beispielhaft einen Macher beim deutschen Akademischen Auslandsdienst, der sich bei einer Podiumsdiskussion damit brüstete, einen Bewerber für ein Lektorat wegen dessen bairischen Akzents ausgesondert zu haben.

Bei einem Berufungsverfahren für einen germanistischen Lehrstuhl in Bayern fiel laut König zu einer Bewerbung mit bairischem Akzent der Satz: "Die Frau kann ja nicht mal richtig Hochdeutsch!" - und das nur deswegen, weil sie den a-Laut dunkler aussprach als die anderen Kandidaten. Wenn aber in vergleichbaren Kontexten Bewerber Fund statt Pfund, lecht statt legt, Tach statt Tag sagen, wird ihr Deutsch in der Regel als korrekt empfunden. "Das strahlt Kompetenz aus", sagt König, denn in der öffentlichen Meinung gilt, dass ein reines Deutsch nur in Norddeutschland gesprochen wird.

Erst kürzlich hat eine Umfrage in Wuppertal, ob die Süddeutschen auch Hochdeutsch sprechen, ein deutliches Ergebnis erbracht: Nein, die können es nicht! "Dieses Vorurteil steckt tief drin in den Genen", hat König festgestellt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: