Lehramt:"Wir haben Probleme, junge Leute für den Beruf zu motivieren"

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Vor allem die Grund- und Mittelschulen finden kaum noch Personal. Studieren Abiturienten heute Lehramt, entscheiden sie sich eher fürs Gymnasium (Symbolbild). (Foto: Sven Hoppe/dpa)

In Bayern herrscht Lehrermangel. Um den Beruf attraktiver zu machen, fordern Experten mehr Flexibilität und Fortbildungsmöglichkeiten im Studium.

Von Paula L. Trautmann, München

In Bayern herrscht Lehrermangel, das kritisieren die Verbände seit Jahren. Am Mittwoch sprach nun sogar Ministerpräsident Markus Söder (CSU) in seiner Regierungserklärung davon, dass Lehrer fehlen. Bisher hatte die Staatsregierung einen Lehrermangel stets abgestritten. Aber Fakt ist, dass vor allem die Grund- und Mittelschulen kaum noch Personal finden.

Studieren Abiturienten heute Lehramt, entscheiden sie sich eher fürs Gymnasium. Wie kann der Lehrerberuf flexibel und attraktiv gestaltet werden? Wie kann der Schweinezyklus aus zu viel Absolventen für zu wenig Jobs in einer Schulart und arbeitslosen Junglehrern ohne Perspektive in einer Schulart endlich gelöst werden? Um diese Fragen zu beantworten, hatten die Ausschüsse für Bildung und Kultus sowie für Fragen des öffentlichen Dienstes am Donnerstag Experten der Universitäten und Lehrer in den Landtag eingeladen.

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"Das Lehramt so zu denken, wie wir es viele Jahre lang gedacht haben, wird so nicht mehr funktionieren. Wir haben Probleme, junge Leute für den Beruf zu motivieren", sagte Kristina Reiss vom Lehrstuhl Didaktik der Mathematik an der Technischen Universität München. Mit dieser Meinung ist sie nicht alleine. Die Sachverständigen verlangen mehr Flexibilität in der Ausbildung, bessere Fortbildungsmöglichkeiten, ein anwendungsorientierteres Wissen und einen veränderten Studienaufbau. Und sie fordern "Exit-Strategien" für Studierende, die merken, dass das Lehramtsstudium doch nicht zu ihnen passt. "Aber mit ihrer Qualifikation, die sie bis dahin erworben haben, damit das auch keine Zeit war, die einfach umsonst war", sagte die Augsburger Universitätspräsidentin und Sprecherin der bayerischen Unis, Sabine Doering-Manteuffel.

Laut Oliver Jahraus, Vizepräsident für den Bereich Studium der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität (LMU), müssen die Landtagsabgeordneten aber auch darüber nachdenken, wie man "Exit-Strategien" vermeidet: "Wir bieten Zusatzprogramme an, beispielsweise zur Persönlichkeitsentwicklung." Auch ein Zertifikat zum Klimawandel können Studenten an der LMU erwerben. Dabei lernen die angehenden Lehrer, wie sie Schülern einen nachhaltigen Umgang mit der Umwelt vermitteln. Ähnliches gibt es an mehreren Unis in Bayern.

Das passt zu den stark veränderten Erwartungen an die Schule. Themen wie etwa Klimawandel, Digitalisierung, Migration und Integration spielen eine Rolle im Schulalltag. "Man muss all diese Kompetenzen irgendwie in die Lehrerbildung einbringen", sagte Doering-Manteuffel. "Die Frage der digitalen Lehre ist kein Corona-Thema", bestätigte Jahraus.

Nicht nur der Ausstieg soll flexibler werden, auch der Einstieg in den Lehrerberuf für Quereinsteiger könnte eine Lösung für den Lehrermangel sein. Ein Weg, der in anderen Bundesländern längst üblich, aber in Bayern bisher verpönt ist. Die Experten fordern zudem die Flexibilisierung des Lehramtsstudiums und damit eine Umgestaltung des bisherigen Systems mit zwei Staatsexamen.

Doering-Manteuffel plädierte dafür, den Master ins Staatsexamen zu integrieren und das Studium um ein Semester zu verlängern. Auch Pankraz Männlein, Vorsitzender des Berufsschullehrerverbands, würde ein Bachelor- und Mastersystem begrüßen. Außerdem sollten Lehrer während ihrer Ausbildung generell Auslandserfahrung sammeln können: "Wir würden uns das für alle Studierenden wünschen, nicht nur für jene mit einer Fremdsprache als Zweitfach."

Für Anita Schilcher vom Lehrstuhl für deutsche Didaktik an der Uni Regensburg fehlt es sogar an Grundsätzlichem: "Ungefähr sieben Prozent der Studienzeit fließen in den Aufbau des fachdidaktischen Wissens, das aber hoch relevant ist für den späteren Leistungszuwachs bei den Schülerinnen und Schüler." Aber von didaktischen Kursen wie etwa literarischem Lernen, Medienwahrnehmung, Lese-, Rechtschreib- oder Grammatikförderung können Studenten nur zwei bis drei auswählen. Das führe zu einer Lücke. "Auf mich kommen immer wieder Seminarlehrer zu: Wieso wissen die nichts über Leseförderung?"

Um die Lehrerausbildung verbessern zu können, bräuchten laut Doering-Manteuffel auch die Unis mehr Personal. Und die Ausbildung endet für sie nicht mit dem Staatsexamen: Das "lebenslange Lernen" müsse ausgebaut werden. Das sieht Philologenchef Michael Schwägerl ähnlich: "Wir plädieren stark dafür, eine Fortbildungszeit einzubauen." Die Selbstverpflichtung der Lehrer zur Fortbildung reiche nicht aus. Einig sind die Experten darin, wie wichtig die Persönlichkeit ist. Männlein spricht von vier "M", um als Lehrer engagiert zu arbeiten: "Man muss Menschen mögen."

© SZ vom 23.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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