Mit ungewöhnlich hohem Personalaufwand sind am Mittwoch Polizisten, Zollbeamte und Staatsanwälte in Augsburg und München gegen mutmaßlich betrügerische Pflegedienste vorgegangen. Dabei wurden nach Angaben der federführenden Staatsanwaltschaft München I insgesamt 13 Beschuldigte "wegen Verdunkelungs- und Fluchtgefahr festgenommen" und dem Haftrichter vorgeführt.
Bei der von langer Hand vorbereiteten Aktion gegen die vorwiegend aus Osteuropa stammenden Personen waren in Augsburg mehr als 500 Polizeibeamte sowie zwölf Staatsanwälte beteiligt. Neben den Räumen von acht Pflegediensten und den Privatwohnungen der gut 40 Hauptbeschuldigten durchsuchten sie auch die Wohnungen von circa 120 Patienten, bei denen der Verdacht besteht, dass sie selbst oder ihre Angehörigen gemeinsame Sache mit betrügerischen Pflegediensten gemacht haben.
Insgesamt wurden in Augsburg rund 175 Objekte durchsucht. In der Landeshauptstadt München kamen bei der jüngsten Aktion nach Angaben der Ermittler rund 130 Polizisten sowie 21 Staatsanwälte zum Einsatz. "Es wurden insgesamt 38 Objekte durchsucht, darunter zwei Pflegedienste, drei Arztpraxen und Privatwohnungen von Patienten", teilte die Staatsanwaltschaft München I mit. Nach deren Einschätzung dürfte der Schaden zulasten der Krankenkassen und der Sozialhilfeträger "weit in den Millionenbereich gehen".
Bereits in den zurückliegenden Jahren mussten Kranken- und Pflegekassen davon ausgehen, dass sie bayernweit durch organisierte Kriminelle im Pflegebereich jährlich um Beträge in Millionenhöhe gebracht werden. Lange aber gestalteten sich die Ermittlungen gegen mutmaßlich betrügerische Pflegedienste als äußerst schwierig, da den Strafverfolgungsbehörden für die notwendigen Ermittlungen schlichtweg das Personal fehlte.
Mittlerweile aber haben sowohl die Staatsanwaltschaften als auch die Polizei Spezialabteilungen aufgebaut. So etwa kam jetzt in Augsburg die Ermittlungskommission "Eule" und in München die "Ermittlungsgruppe Amalie" zum Einsatz. Unterstützt werden solche Ermittler in der Regel auch durch die Expertise von Krankenkassen-Mitarbeitern, zu deren Aufgabe es gehört, die Abrechnungen von verdächtigen Pflegediensten auf Unregelmäßigkeiten zu untersuchen.
Die Täter, die vielfach aus Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion stammen, gehen nach Erkenntnis der Ermittler meist raffiniert vor. Da werden etwa hoch qualifizierte und daher teure Pflegefachkräfte abgerechnet, obwohl die pflegebedürftigen Menschen in Wirklichkeit von gering qualifiziertem und somit gering bezahltem Personal betreut werden. Um das zu vertuschen, werden Pflegedokumentationen, Leistungsnachweise, Tourenpläne und ärztliche Atteste gefälscht - bisweilen sogar unter Mitwirkung gewinnbeteiligter Ärzte. Auch in München scheint jetzt - wie die Durchsuchung von drei Arztpraxen zeigt - ein solcher Verdacht zu bestehen.
Am Mittwoch stellten die Beamten nicht nur belastende Dokumente und Daten sicher, sie ließen mittels einer sogenannten Vermögensabschöpfungsmaßnahme auch die Konten der Beschuldigten einfrieren - Geld "in Höhe von rund 3,6 Millionen Euro", wie es seitens der Staatsanwaltschaft hieß.