Süddeutsche Zeitung

Mühldorf am Inn:Wasserstoff auf die Schiene

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Rund um Mühldorf sollen von 2024 an Züge mit Brennstoffzelle fahren

Von Maximilian Gerl, Mühldorf am Inn

Fahren in einigen Jahren Wasserstoffzüge auf Bayerns Gleisen? Zumindest ein hierzu angedachtes Pilotprojekt rund um Mühldorf nimmt allmählich Gestalt an: Die Bayerische Eisenbahngesellschaft (BEG) hat den Regionalverkehr in Südostbayern neu ausgeschrieben - und für zwei Strecken "emissionsfreie Neufahrzeuge mit Brennstoffzellen-Antrieb" zur Bedingung gemacht. Diese sollen von Dezember 2024 an zwischen Passau und Mühldorf sowie Burghausen und Mühldorf verkehren. Eine "Wasserstofftankstelle für die voraussichtlich rund zehn Züge" sei in Mühldorf geplant, heißt es in einer Mitteilung der BEG. Auf den übrigen Strecken im ausgeschriebenen Linienstern Mühldorf sollen weiter Dieselfahrzeuge zum Einsatz kommen.

Über Wasserstoffzüge wird in Bayern schon länger nachgedacht. Eine Testfahrt gab es im Sommer 2019 zwischen Coburg und Bayreuth, aus weiteren Fahrten im Allgäu wurde nichts. Mit der Folge, dass andere Bundesländern nun vorangehen: Versuche im niedersächsischen Bremervörde verliefen so erfolgreich, dass dort bereits von 2022 an 14 Züge mit Brennstoffzellenantrieb verkehren sollen. Der hessische Rhein-Main-Verkehrsverbund hat 27 Brennstoffzellenzüge beim französischen Hersteller Alstom geordert, ebenfalls für 2022. Ein Projekt mit Siemens-Zügen soll 2024 zwischen Tübingen und Pforzheim Fahrt aufnehmen.

Vereinfacht ist die Technologie überall dort denkbar, wo Oberleitungen fehlen und das Gelände nicht zu steil ist. Von beidem gibt es in Bayern reichlich. Gegenüber Dieselloks sind Wasserstoffzüge bei Emissionen, Lärm und Beschleunigung im Vorteil - letzteres bedeutet kürzere Fahrzeiten auf Strecken mit vielen Stopps. Als Nachteil gilt der schlechtere Wirkungsgrad von Wasserstoff. Zudem sind Züge mit Brennstoffzelle in der Anschaffung relativ teuer, da sie bislang nur in kleinen Stückzahlen gefertigt werden und eine Tankinfrastruktur erst aufgebaut werden muss. In Mühldorf könnte der Wasserstoff vergleichsweise leicht zu beschaffen sein, das Chemiedreieck liegt quasi vor der Tür. Wasserstoff fällt in der chemischen Industrie häufig als Abfallprodukt an.

Für Freistaat und Eisenbahnunternehmen bedeuten Wasserstoffzüge "Neuland", wie die BEG einräumt. Aus diesem Grund werde die Vergabe diesmal als Verhandlungsverfahren mit "vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb" durchgeführt, um Abstimmungen mit den Bietern zu ermöglichen. Die Entscheidung, wer im Linienstern Mühldorf fährt, soll voraussichtlich im Dezember fallen; der Vertrag gilt dann bis 2032.

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Quelle:
SZ vom 08.02.2021
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