Bekämpfung von Stechmücken am Chiemsee:Warum der Mückenmord einfacher werden soll

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Die Gemeine Stechmücke trägt ihren Namen nicht wegen ihrer Niedertracht. Die ist ohnehin eine eher menschliche Kategorie, und besonders gut meinen es die Menschen mit der Mücke meistens auch nicht. (Foto: imago)

Schlüpfen, Surren, Stechen: Jahr für Jahr klagen die Menschen rund um den Chiemsee über Mückenmassen - die Brutbedingungen sind nahezu ideal. Mit kleinen Eiskügelchen und einem tödlichen Eiweiß versuchen die Gemeinden, den Insekten Herr zu werden - doch dazu müssen die Gegebenheiten stimmen.

Von Matthias Köpf

Auf den mehr oder weniger natürlichen Lauf der Dinge war lange Verlass – jedenfalls seit der Wasserspiegel des Chiemsees zwischen 1902 und 1904 künstlich um 70 Zentimeter abgesenkt wurde, um nutzbares Land zu gewinnen. Der Ort Grabenstätt zum Beispiel liegt seither nicht mehr am See, sondern knappe zwei Kilometer vom Ufer entfernt. Auf den dazwischen entstandenen Wiesen und auf vielen anderen Flächen rund um den See lief es seither meistens so: Nach dem Winter füllt das Schmelzwasser aus den Bergen den See, der See überspült die Wiesen, in den Lacken brüten die Mücken, massenweise neue Mücken schlüpfen, surren und stechen und dann wird es endlich wieder Winter. Aber ganz so läuft das eben nicht mehr in der fortschreitenden Klimakrise. Und die Mücken werden sich nun umso wärmer anziehen müssen.

Eigentlich haben die Mücken in den vergangenen Jahren sogar sehr davon profitiert, dass winters im Gebirge nicht mehr so viel Schnee gefallen ist, weshalb der See im Frühjahr mangels Schmelzwasser nicht mehr über die Ufer trat und Wasserlacken für die Mückenbrut hinterließ. Denn immer, wenn das so war, dann ließ der Abwasser- und Umweltverband Chiemsee im Auftrag der zehn Anlieger-Gemeinden Hubschrauber aufsteigen und von diesen aus Eiskügelchen mit dem Eiweiß-Stoff bti in die Wasserlacken rieseln, um beizeiten die Mückenlarven abzutöten. Erlaubt war und ist das aber nur ab einem bestimmten Wasserstand am Chiemsee-Abfluss Alz und ab einer gewissen Zahl von Larven in den Lacken.

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Und Lacken und Larven wären auch in den vergangenen paar Jahren ja wirklich genügend da gewesen, weil anstelle des ausgebliebenen See-Hochwassers eben der eine oder andere Starkregen ideale Brutbedingungen geschaffen hatte. Aber der Wasserstand am Alz-Pegel hat halt nie gereicht für die Lizenz zum rechtzeitigen Rieseln. Die Folgen: Schlüpfen, Surren, Stechen, öffentliches Aufsehen, stornierende Feriengäste und genervte Gastronomen.

Doch der Umweltausschuss des Landtags will die Region nicht solcherart im Stich lassen und hat der Staatsregierung nun mit Mehrheit aufgetragen, die Eiweiß-Erlaubnis unabhängig vom Alz-Pegel zu machen. Für heuer wird das nichts mehr werden, weil noch allerlei Verbände angehört werden müssen und sich zum Beispiel der Bund Naturschutz grundsätzlich gegen diese flächendeckende Form der Mückenbekämpfung ausspricht, weil Stechmücken wichtig für Ökosysteme und Nahrungsketten sind und das bti zudem auch andere Insekten gefährde. Aber heuer gilt noch die alte Regelung, und auf ganz lange Sicht erledigt sich das Problem auf natürliche Weise. In ein paar Tausend Jahren wird der noch aus der letzten Eiszeit übrig gebliebene Chiemsee auch ganz ohne menschliches Zutun verlandet sein.

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