Motorradsaison eröffnet:Fest im Sattel

Feldafings Bürgermeister Bernhard Sontheim auf seiner Harley Davidson.

Bürgermeister Bernhard Sontheim auf seiner Harley Davidson.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Motorradfahren war lange Zeit nicht besonders angesagt. Jetzt erholt sich der Markt wieder, warum, wissen selbst die Hersteller nicht. Fest steht: Die Biker-Gemeinde will nach dem langen Winter endlich wieder Gas geben - und wartet auf den ersten Regen.

Von Andreas Schubert und Stefan Mühleisen

Der wilde Westen fängt gleich hinter Haiming an. Dorthin, etwas außerhalb des 4500-Seelen-Orts in Österreich, zieht es während der Saison unzählige Biker ins Oilers 69 - eine alte, zur American Bar umgebaute Tankstelle, die ein bisschen Route-66-Feeling mitten im Ötztal vermittelt. "Die haben die besten Burger zwischen Adria und Shiloh-Ranch", schwärmt Bernhard Sontheim. Und deshalb lässt er sich bei einer Tour in die Alpen einen Abstecher nach Haiming meist nicht nehmen.

Sontheim ist Bürgermeister der Gemeinde Feldafing, leidenschaftlicher Motorradfahrer und Besitzer einer Harley-Davidson Softail Custom. Wenn er einen Tag Zeit hat, setzt er sich gerne zusammen mit seiner Frau auf den schweren Chopper und die beiden touren über den Brenner, schauen in St. Leonhard auf eine Pizza vorbei - dann geht es übers Timmelsjoch und besagten Lieblings-Burgerbrater wieder zurück an den Starnberger See.

Sontheim ist einer von Tausenden Motorradfahrern, denen der Winter schon viel zu lange dauert und die es deshalb kaum erwarten können, dass die Straßen endlich frei sind. "Die Kälte wäre es ja gar nicht mal", sagt er. Sich warm anzuziehen sei kein Problem. "Aber ich warte noch, bis der erste Regen das ganze Salz von der Straße gewaschen hat."

Dass die Biker-Szene längst in den Startlöchern ist, zeigt der Ansturm auf die zahlreichen Schrauberkurse, die in Werkstätten in und um München angeboten werden. Schon in den ersten drei Monaten des Jahres hat zum Beispiel die Münchner BMW-Motorrad-Niederlassung Kurse angeboten, in denen Kfz-Meister Bikern - und vielen Bikerinnen - beigebracht haben, wie sie eine Reifenpanne beheben, die Batterie wechseln oder mit welcher Technik sich ein umgekipptes Motorrad ab besten wieder aufrichten lässt. 40 Teilnehmer waren es je Kurs. "Und die Kurse waren total schnell ausgebucht", sagt BMW-Frau Carola de Vries.

Ihr Arbeitgeber ist auf dem Deutschen Motorradmarkt der Marktführer - vor Honda und Harley-Davidson. Insgesamt wurden laut dem Branchenblatt Motorrad im vergangenen Jahr 19.400 BMW-Bikes, neu zugelassen. Das entspricht einem leichten Plus von knapp zwei Prozent. Honda verkaufte 10.882 Bikes (plus 13,2 Prozent), Harley-Davidson 9579 (plus 9,1 Prozent).

Auch insgesamt ist das Motorradfahren offenbar wieder im Kommen. So hat sich der Markt nach Auskunft des Industrie-Verbands-Motorrad (IVM) in den vergangenen zwei Jahren nach jahrelangen Rückgängen seit den besten Zeiten Ende der 1980er Jahre leicht erholt. Der Zuwachs liegt (inklusive jener Motorroller, für die ebenfalls ein Führerschein der Klasse A nötig ist) bei drei Prozent.

Brad Pitt fährt BMW

War das Biken in der Zwischenzeit uncool geworden? IVW-Sprecher Achim Marten verneint, schon aus professionellen Gründen. "Andere Dinge waren eben wichtiger", sagt er. Und: "Der Nachwuchs wollte wohl nicht so richtig." Inzwischen habe man den Eindruck, dass auch wieder mehr Jüngere sich ein Motorrad zulegen. "Es fahren nicht nur Greise Motorrad." Der durchschnittliche Biker sei heute 45 Jahre alt - und bereit, etwas mehr für eine Maschine samt Zubehör auszugeben als ein Führerscheinneuling. "Das ist natürlich gut für uns", sagt Marten. Doch warum wieder mehr Bikes verkauft werden, kann auch er nicht sagen.

Auch in München ist das Touren auf Maschinen mit mehr als 125 Kubikzentimetern Hubraum wieder angesagter. Im Februar waren 32.500 Bikes mit Saisonkennzeichen zugelassen, 1000 mehr als vor einem Jahr. Insgesamt gibt es im sogenannten Zulassungsbezirk München nach Auskunft des Kreisverwaltungsreferats mehr als 56.240 Motorräder.

Die Zweirad-Euphorie der Biker-Gemeinde war kürzlich auch am Zustrom auf die Internationale Motorrad-Ausstellung (IMOT) abzulesen. 60.000 Besucher drängten sich an drei Tagen im Februar durch die Messehallen in München-Freimann. Die Branche präsentierte sich auf Hochglanz poliert, das lieben die PS-Fans. Besondere Leidenschaft erwecken stets die hubraumstarken - und ziemlich teuren - Maschinen, die neue R 1200 GS von BMW etwa, präsentiert auf einem Podest, das Dutzende Menschen in Lederwesten und Biker-Boots umlagern wie die Gläubigen den Pfarrer am Altar.

Dem Erfolg der Bikes aus bayerischer Produktion ist es sicher auch nicht abträglich, dass Hollywoodikone Brad Pitt und Oscar-Preisträger Adrien Brody sich beide BMW-Motorräder angeschafft haben; Pitt kam sogar persönlich nach München, um sein neues Gefährt abzuholen.

Ein Stockwerk darüber haben die Strategen von Harley-Davidson erkannt, dass es manchen weniger um Technik, sondern vielmehr um den verwegenen Lifestyle geht, wie ihn einst Marlon Brando in dem Film "Der Wilde" und Peter Fonda und Dennis Hopper in "Easy Rider" vorgelebt haben. Die Vertretung der US-Kultmarke hat eine Bar aufgebaut, an der sich Go-Go-Girls zu lauter Rockmusik um eine Stange winden. Die Mitarbeiter zapfen ein Bier nach dem anderen, an der Theke quellen die Aschenbecher über. Echte Biker, so die Botschaft, lassen sich vom bayernweiten Rauchverbot den Geschmack von Freiheit nicht verderben.

Nur dass sie auf Freiheit auf zwei Rädern noch ein bisschen warten müssen. Zwar gelten seit dem 1. April die meisten Saisonkennzeichen. Aber noch bremsen die Hinterlassenschaften des Winters Biker wie Bernhard Sontheim aus. Wie er sich derzeit auf die Saison vorbereitet? "Indem ich mich darauf freue", sagt er.

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