Motiv für Entführungsfall in Chieming:Täter will Opfer verklagen

Selbstjustiz: Hinter dem Entführungsfall eines 56-Jährigen stecken dubiose Finanzgeschäfte. Einer der Täter sieht sich im Recht. Und will nun sogar das Opfer verklagen.

H. Effern und K. Ott

Die Entführung des 56-jährigen Geschäftsmannes James A. aus Speyer, den in der Nacht zum Samstag ein Spezialkommando der Polizei in der Gemeinde Chieming befreit hatte, wird möglicherweise nicht nur für die fünf Geiselnehmer rechtliche Folgen haben. Der in Untersuchungshaft sitzende Schlierseer Arzt Gerhard F., 66, will seinerseits gegen James A. vorgehen.

Motiv für Entführungsfall in Chieming: Mehr als drei Millionen Dollar wollten die fünf Entführer von ihrer Geisel James A. zurück bekommen. Wo ihr Geld  geblieben ist, ist noch unklar.

Mehr als drei Millionen Dollar wollten die fünf Entführer von ihrer Geisel James A. zurück bekommen. Wo ihr Geld geblieben ist, ist noch unklar.

(Foto: Foto: AP)

A. hatte für F. 300.000 Dollar angelegt, die angeblich nicht mehr vorhanden sind. "Mein Mandant fühlt sich geschädigt und betrogen und wird deshalb in den nächsten Tagen Strafanzeige gegen A. bei der Staatsanwaltschaft Traunstein stellen", sagte der Anwalt Walter Lechner aus München, der F. vertritt. Sein Mandant sei nicht der Einzige, der sich betrogen fühle. "Es soll sich bei den Geldanlagen, die A. verwaltet hat, um ein Gesamtvolumen von 30 Millionen Dollar handeln. Aus den uns vorliegenden Informationen ergibt sich der Verdacht eines Schneeballsystems", sagte Lechner.

Betrogene Anleger wollten ihr Geld zurück

Gerhard F. gestand bei der Vernehmung vor dem Ermittlungsrichter in Traunstein wie alle Beteiligten, an der Entführung des Geschäftsmannes mitgewirkt zu haben. Der Chieminger Roland K., 74, und der Deutsch-Amerikaner Willi D., 60, hatten am Dienstag vergangener Woche James A. vor seiner Wohnung in Speyer (Rheinland-Pfalz) überfallen und dann nach Chieming verschleppt. Dort sperrten sie ihn mit der 79-jährigen Ehefrau von K. in den Keller.

Zu den Verhandlungen mit der Geisel fuhren Gerhard F. und seine Gattin an den Chiemsee. Zusammen bearbeiteten die fünf die Geisel in der Garage mit Drohungen, um insgesamt 3,322 Millionen Dollar angelegtes Geld zurückzubekommen. F. forderte 300.000 Dollar, das Ehepaar K. 2,4 Millionen und Willi D. 622.000 Dollar. "Nach dem gegenwärtigen Stand der Dinge hat A. meinem Mandanten seit Februar 2008 keine Zinsen mehr auf dessen Geldanlage gezahlt, auch andere Zusagen nicht eingehalten und dafür fadenscheinige Erklärungen abgegeben", sagt F.s Anwalt Lechner.

Man werde der Staatsanwaltschaft alle Informationen und Unterlagen zukommen lassen. "Natürlich darf man keine Selbstjustiz üben, aber das sind Umstände, die aufgeklärt und berücksichtigt werden müssen."

Wo das Geld geblieben ist, ist unklar

James A. war bis Redaktionsschluss am Dienstag nicht für eine Stellungnahme zu erreichen. Er ist laut einer Broschüre der Firma "digitalglobalnet" Gründer und Investor mehrerer Gesellschaften. Nach Firmenangaben fungiert er unter anderem für die Warenhauskette Karstadt und Metro als Dienstleister beim sogenannten Instore-TV, das auf Flachbildschirmen in den Kaufhäusern gesendet wird. Ob das Geld der Anleger wie zuerst vermutet in Immobilien im US-Bundesstaat Florida oder in eines seiner Unternehmen geflossen ist, bleibt vorerst unklar.

Die Staatsanwaltschaft Traunstein wird eine mögliche Strafanzeige gegen James A. in jedem Fall prüfen. "Der Sachverhalt muss uns dazu aber erst dargestellt werden", sagte Oberstaatsanwalt Volker Ziegler. Seine Behörde werde aber ohnehin die Hintergründe der Entführung durchleuchten, da diese bei einem Prozess auch in der Strafzumessung eine Rolle spielen könnten. Kontakt zu amerikanischen Strafverfolgungsbehörden gebe es bisher nicht, sagte Ziegler.

Um aus der Geiselhaft zu entkommen, hat James A. seine fünf Entführer überlistet. Vergangenen Freitag ging er scheinbar auf ihre Forderungen ein und wies mit einem Fax an eine Schweizer Bank den Verkauf von fiktiven Wertpapieren, sogenannten Call-Optionen, an. "Sell Call Pol.Ice" schrieb er auf das Fax. Ein findiger Angestellter verstand den Hilferuf und informierte anonym die Polizei in Deutschland.

In der Nacht darauf befreite ein Spezialkommando der Polizei James A. aus den Händen seiner fünf Entführer.

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