Süddeutsche Zeitung

Stalag VII A in Moosburg:Ein Denkmal von nationaler Bedeutung

Auf der bayerischen Denkmalliste gibt es nur noch drei Wachmannschaftsbaracken aus dem Zweiten Weltkrieg, allesamt in Moosburg. Historiker betonen deren Wert, doch die Stadt braucht dringend Platz für neue Schulgebäude.

Von Alexander Kappen

Seit zwölf Jahren beschäftige man sich im Freisinger Landratsamt nun schon mit dieser Angelegenheit, sagte Landrat Helmut Petz (FW). Und seit er selbst vor zwei Jahren seinen Dienst angetreten habe, liege "dieser Abbruch-Antrag der Stadt Moosburg von 2010" bei ihm am Tisch. Er wisse sehr wohl, dass das Landratsamt als Untere Denkmalschutzbehörde nun gefragt sei und eine Lösung zeitnah gefunden werden müsse. Doch die Aufgabe ist denkbar knifflig, weil hier, so Petz, "Verfassungsauftrag gegen Verfassungsauftrag steht".

Das Hauptproblem wurde bei der prominent besetzten Vortrags- und Diskussionsrunde der Deutschen Stiftung Denkmalschutz zum ehemaligen Moosburger Kriegsgefangenlager Stalag VII A am Mittwochabend einmal mehr deutlich: Die Stadt verfügt mit den drei letzten noch erhaltenen Wachbaracken des Lagers aus dem Zweiten Weltkrieg an der Schlesierstraße - darin bestand Einigkeit - über ein Denkmal von nationaler Bedeutung. Und sie steht andererseits unter enormem Druck, ihr Schulzentrum Nord mit Gymnasium, Grund- und Mittelschule zu erweitern, wofür nach bisherigen Planungen mindestens eine dieser Baracken weichen müsste.

Die ultimative Lösung hatte zwar auch an diesem Abend in der Aula -der Moosburger Volkshochschule keiner parat. Am Ende war man sich jedoch einig, einen wichtigen Schritt getan und den Dialog und Austausch unter den Entscheidungsträgern ins Rollen gebracht beziehungsweise mit neuem Leben und frischen Ideen gefüllt zu haben.

Die vorgetragenen Lösungsansätze waren teils sehr kreativ - manchem Diskussionsteilnehmer wohl ein wenig zu kreativ. So warf der Landrat die Frage in den Raum, ob denn nicht eine so genannte Dislozierung möglich wäre, ob man also die Baracken nicht ab- und anderer stelle wieder aufbauen könne. Etwa in Oberreit am ehemaligen Lagerfriedhof, der ebenfalls als Gedenkstätte dient. Davon hielt Frank Seehausen vom bayerischen Landesamt für Denkmalpflege nicht allzu viel. Von dieser anderenorts bereits öfter praktizierten Methode sei man inzwischen wieder weitgehend abgekommen.

Er wartete stattdessen mit dem Vorschlag auf, für die schulischen Belange andere, ungewöhnliche Standorte zu prüfen. So könne man den vom Gymnasium benötigten Sportplatz ja vielleicht auf dem Dach eines Einkaufszentrums unterbringen. Ex-Stadtrat Erwin Köhler, der im Publikum saß, brachte erneut das ebenfalls ans Schulzentrum angrenzende Rockermaier-Areal ins Gespräch, auf dem die Stadt womöglich zusätzliche Flächen für schulische Zwecke erwerben könne.

Moosburgs Bürgermeister Josef Dollinger (FW) betonte, es gehe nicht darum, den Denkmalschutz gegen schulische Belange auszuspielen, sondern eine für beide Seiten befriedigende Lösung zu finden. Er verwies aber noch einmal mit Nachdruck darauf, dass das Schulzentrum mit seinen rund 3000 Schülern aus allen Nähten platze, ein Mensa gebaut werden müsse, die Grundschule demnächst mit fünf statt bisher drei Klassen starte und darüber hinaus bis 2026 laut Gesetz zur Ganztagesschule ausgebaut werden müsse, während das Gymnasium in den kommenden vier Jahren mit einem Zuwachs von 25 Prozent rechne.

Moderator Gerd Weiß, Vorsitzender der Wissenschaftlichen Kommission der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, betonte, dass man diese berechtigten Interessen sehr ernst nehmen müsse. "Aber wir sind uns auch einig, dass das Stalag eine überragende Bedeutung hat, nicht nur lokal." Seehausen konnte das auch mit Zahlen belegen. Auf der bayerischen Denkmalliste gebe es nur noch drei Stalag-Wachmannschaftsbaracken - allesamt in Moosburg. Von den zwei noch existierenden Gefangenen-Baracken befindet sich mit der stark verfallenen Sabathiel-Baracke an der Egerlandstraße ebenfalls eine in Moosburg. Für deren Notsicherung sicherte er einen fünfstelligen Betrag vom Landesamt zu.

Die drei Wachbaracken seien als Ganzes ein eingetragenes Denkmal. Die Baracke mit der Hausnummer 5 abzureißen, wie es derzeit vorgesehen ist, "daran ist gar nicht zu denken". Wie eine Besichtigung gezeigt habe, "ist sie im Innenbereich von allen am besten erhalten". Eher könne man die eh nur zur Hälfte erhaltene Baracke 1, welche die Stadt erhalten möchte, umbauen und für schulische Zwecke etwa mit einer Mensa ergänzen.

"Das Thema Flucht und Vertreibung ist wieder aktuell"

Sowohl Seehausen als auch der Landtagsabgeordnete Karl Freller, Direktor der Stiftung Bayerische Gedenkstätten, sehen die Notwendigkeit, die Stalag-Baracken als Erinnerungs- und Lernort zu erhalten - nicht zuletzt mit Blick auf den derzeitigen Krieg Russlands gegen die Ukraine. So auch Professorin Stephanie Herold vom Institut für Stadt- und Regionalplanung der TU Berlin, die sich mit der späteren Nutzung des Stalags als neue Heimat von Flüchtlingen befasste. "Das Thema Flucht und Vertreibung ist heute leider wieder aktuell." Erinnerungsorte wie das Moosburger Stalag "müssen erhalten bleiben", sagte Freller. Es könne "eine überregional bedeutende Plattform entstehen", meinte Seehausen. Landrat Petz betonte mit Blick auf die Finanzierung, dass das Stalag als "Denkmal mit hochrangigem nationalen Interesse" aber keine lokale Aufgabe, sondern eine des Freistaats oder Bundes sei.

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