Süddeutsche Zeitung

Mollath und seine Unterstützer:Wie ein Fall die Bürger mobilisiert

Sie planen Benefizkonzerte, Demonstrationen und Mahnwachen. Fast 30.000 Menschen haben bereits eine Petition unterzeichnet. Der Fall von Gustl Mollath, der seit sieben Jahren in der Psychiatrie sitzt, mobilisiert immer mehr Leute. Nun ist er sogar Thema in einem psychiatrischen Seminar.

Von Olaf Przybilla und Uwe Ritzer

Franz Josef Amann kennt Gustl Mollath nur aus der Zeitung. Eines aber, sagt Amann, sei ihm auch ohne persönliche Begegnung deutlich geworden: Sollte Mollath irgendwann doch aus der Psychiatrie entlassen werden, "dann braucht dieser Mann Geld". Amann ist klar, dass man zum jetzigen Zeitpunkt nichts Seriöses über die Zukunft Mollaths sagen könne. Aber selbst im für Mollath positivsten Fall - er käme frei und klagt erfolgreich auf Schadensersatz - würde das seine Grundbeobachtung nicht außer Kraft setzen, fürchtet Amann. Schon alleine deshalb, weil sich so ein zivilrechtlicher Prozess unter Umständen über Jahre hinziehen könne. Amann, der im Landkreis Miesbach zu Hause ist, plant deshalb im Juli zwei Benefizkonzerte für Mollath.

Er hat zu diesem Zweck den Verein "Hilfe für Gustl Mollath" gegründet. Das erste Konzert soll am 24. Juli in Schliersee stattfinden, das zweite am 26. Juli in Miesbach. Wenn sich der Fall noch länger hinziehe, sagt der 63-jährige Diplomvolkswirt, werde er überdies versuchen, eine Demonstration in Oberbayern zu organisieren.

Der Münchner Erich Stephany ist, was dies angeht, schon weiter. Mit zwei Mitstreitern hat er am Mittwoch eine Demonstration in Nürnberg angemeldet. Stephany will sie an der Lorenzkirche stattfinden lassen, an einem symbolischen Ort: Dort hat Mollath häufig an Friedenskundgebungen teilgenommen, dort hat er im Februar 2006 zwei Streifenpolizisten angesprochen, um sich festnehmen zu lassen. Im Landgerichtsurteil stand hingegen fälschlicherweise, Mollath sei damals in seiner Wohnung festgenommen worden, wo er sich auf dem Dachboden versteckt habe.

Noch ist der geplante Termin, der 27. Juli, nicht sicher: An dem Wochenende soll in Nürnberg auch das Bardentreffen stattfinden. Aber dass es eine Großkundgebung geben werde, stehe außer Frage, sagt der 68 Jahre alte Diplomverwaltungswirt. Als Alternative zur Lorenzkirche ist momentan der Nürnberger Kornmarkt in der Debatte. Was ihn antreibt? Von Stephany ist dasselbe zu hören wie von Amann: "Ich habe ein stark ausgeprägtes Gerechtigkeitsgefühl."

Wie die beiden empfinden unterdessen offenbar viele. Die Petition "Gerechtigkeit und Freiheit für Gustl Mollath" haben inzwischen im Internet knapp 30.000 Menschen unterzeichnet. Für dessen Unterstützung sammelt die "Arbeitsgemeinschaft Solidarität mit Gustl Mollath" Spenden. Für den 6. Juli ist eine Mahnwache in Berlin angekündigt. Zudem soll der Fall am kommenden Mittwoch auf Antrag des Grünen-Abgeordneten Volker Beck den Menschenrechtsausschuss des Bundestags beschäftigen. Man dürfe sich nicht dem Vorwurf aussetzen, "auf mögliche Menschenrechtsverletzungen dann hinzuweisen, wenn sie im Ausland stattfinden" - nicht aber, wenn diese womöglich im Inland passierten, heißt es aus Becks Berliner Büro.

Mollath als Thema im psychiatrischen Fallseminar

Aber auch die Stimmen, die den Fall offenbar in erster Linie für ein Medienphänomen halten, organisieren sich. Im September soll in Potsdam das 17. Forensisch-Psychiatrische Fallseminar stattfinden, laut Ankündigung ein Seminar "für Psychiater/Psychologen mit Vorerfahrungen in der Begutachtung". Es soll sich auch dem Thema "Der Fall Gustl Mollath: Realität, Wahn, Justiz und Medien" widmen. Als Referent ist Klaus Leipziger benannt, Chef der Forensischen Abteilung an der Bezirksklinik Bayreuth, der 2006 das maßgebliche Gutachten über Mollath verfasste.

Auch Hans-Ludwig Kröber soll sprechen, der für ein weiteres Gutachten verantwortlich zeichnet. Beide haben Mollath nicht untersucht. Nach einer Beobachtung der Bloggerin Ursula Prem war die Veranstaltung zunächst als "Unser Gustl: Realität, Wahn, Justiz und Medien" angekündigt. Dies sei später aber geändert worden.

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SZ vom 20.06.2013
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