Mögliche Freilassung und neuer Prozess:Wie es für Mollath weitergeht

BEZIRKSKRANKENHAUS BAYREUTH

Blick auf das Bezirkskrankenhaus Bayreuth, in dem Gustl Mollath einsitzt. Der Maschinenbauer aus Nürnberg wird seit nunmehr sieben Jahren gegen seinen Willen in der Psychiatrie festgehalten. Womöglich könnte er aber bald freikommen - zumindest vorläufig.

(Foto: DDP)

Gustl Mollath könnte jederzeit freikommen, wenn die Vorsitzende Richterin beschließt, seinen Fall neu aufzurollen. Wir erklären, womit der Mann rechnen muss, der seit sieben Jahren in der geschlossenen Psychiatrie sitzt - und warum er vorläufig auf freiem Fuß bleiben würde.

Von Olaf Przybilla und Uwe Ritzer

Seit sieben Jahren sitzt Gustl Mollath in geschlossenen Abteilungen verschiedener Psychiatrien in Bayern ein. Die Wahrscheinlichkeit, dass er in absehbarer Zeit auf freien Fuß kommt, schätzt nicht nur sein Verteidiger Gerhard Strate als außerordentlich hoch ein. Die Süddeutsche Zeitung erklärt, wie das komplexe Verfahren nun weitergehen könnte - und mit was Mollath rechnen kann beziehungsweise muss.

Mollath könnte in diesen Tagen jederzeit frei kommen. Voraussetzung wäre ein Beschluss der 7. Strafkammer des Landgerichts Regensburg unter dem Vorsitz der Vorsitzenden Richterin Bettina Mielke. Die Kammer überprüft momentan die beiden inzwischen vorliegenden Wiederaufnahmeanträge: den des Rechtsanwalts Strate und den der Regensburger Staatsanwaltschaft. Würde sie einem der beiden Anträge stattgeben, käme Mollath nach siebenjähriger Einweisung umgehend frei.

Strate stützt seinen Antrag vor allem auf diverse Rechtsbeugungen, die er im früheren Verfahren gegen Mollath erkannt zu haben glaubt. Die Staatsanwaltschaft stützt ihren Antrag vor allem auf drei Argumente: erstens auf die erschütterte Glaubwürdigkeit der ehemaligen Frau Mollaths, die diesen der schweren Körperverletzung und der Freiheitsberaubung beschuldigt hatte. Zweitens auf die Aussagen eines Zeugen, der bei staatsanwaltschaftlichen Vernehmungen kürzlich ausgesagt hat, die frühere Frau Mollaths habe geäußert, ihrem Mann etwas anhängen zu wollen. Drittens auf die Aussagen eines Gutachters, der bezeugt, dass aufgrund gegebener Tatsachen Mollath subjektiv durchaus Grund gehabt habe, ihn als Gutachter abzulehnen. Im Urteil des Jahres 2006 war der Gutachter dagegen als Beleg dafür angeführt worden, dass Mollath beliebige Dritte mit haltlosen "Schwarzgeldvorwürfen" überziehe.

Wiederaufnahme gilt als "hochwahrscheinlich"

Sollte die Kammer bereits vor der Überprüfung der Anträge zur Überzeugung gelangen, dass eine Freilassung Mollaths keinen Aufschub mehr dulde, könnte sie diese sofort beschließen. Diese akute Variante gilt allerdings als die weitaus unwahrscheinlichere. Deutlich wahrscheinlicher ist die Möglichkeit, dass die Kammer zunächst prüft, ob einem der beiden Anträge auf Wiederaufnahme stattgegeben wird - oder auch beiden. Dies dürfte etliche Wochen dauern, denn vor der Entscheidung muss die Kammer zunächst alle Argumente prüfen und gegebenenfalls auch die angeführten Zeugen erneut vernehmen.

Dass die Kammer mindestens einem Antrag stattgibt, gilt in Kreisen der bayerischen Justiz als "hochwahrscheinlich". Immerhin hat die Staatsanwaltschaft selbst einen Antrag gestellt und diesen auf etwa 150 Seiten begründet. In dem Fall müsste Mollath sofort freigelassen werden, bestätigt der Sprecher des Regensburger Landgerichts, Gerhard Lindner. Denn mit der Wiederaufnahme des Verfahrens erlischt die Rechtskraft des Urteils von 2006.

Mollath würde vor Gericht auf seine Ex-Frau treffen

Nach der Freilassung Mollaths käme es dann zu einer neuen Hauptverhandlung des Falls, und zwar vor der 7. Strafkammer am Landgericht Regensburg. Das Besondere an diesem Verfahren: Mollath müsste sich zwar erneut wegen jener drei Delikte verantworten, die ihm bereits 2006 zu Last gelegt wurden: schwere Körperverletzung an seiner damaligen Frau, Freiheitsberaubung ebenfalls zu Lasten seiner Frau sowie Sachbeschädigung - Mollath soll Autoreifen zerstochen haben. Eine Verurteilung wegen dieser drei Delikte aber wäre unter keinen Umständen mehr möglich.

Denn Mollath war 2006 wegen Schuldunfähigkeit freigesprochen worden. Dieser Freispruch dürfte in einer Wiederaufnahme des Verfahrens nun keinesfalls zu seinen Lasten außer Kraft gesetzt werden. Denn in einer neuen Verhandlung gilt das Verbot einer reformatio in peius, also eine Art "Verschlechterungsverbot". Das heißt: Selbst wenn die Kammer zur Überzeugung käme, Mollath habe sich der Taten schuldig gemacht, müsste sie ihn vom Vorwurf etwa der Körperverletzung freisprechen.

Verhandelt werden aber müssen diese Delikte trotzdem. Denn sie gelten juristisch als "Anlasstaten", aufgrund derer eine psychiatrische Begutachtung Mollaths überhaupt erst veranlasst wurde. Fallen diese Taten weg, die das Landgericht Nürnberg 2006 als erwiesen ansah, würde auch die Grundlage für eine neue Begutachtung Mollaths wegfallen. Und damit jede Grundlage für eine etwaige erneute Einweisung. Mollath bliebe also ein freier Mann.

Das heißt: Der Fall müsste tatsächlich völlig neu aufgerollt werden. Und diesmal kämen - im Vergleich zum ersten Verfahren - sicherlich deutlich mehr Zeugen zu Wort. Unter dem Vorsitzenden Richter Otto Brixner war der Prozess im August 2006 in Nürnberg an lediglich einem einzigen Verhandlungstag abgeschlossen worden. Der Angeklagte Mollath hatte sich darüber beschwert, dass die meisten der von ihm benannten Zeugen nicht zur Verhandlung geladen worden waren. Vergeblich.

Mollath sähe sich in einer neuen Hauptverhandlung wohl erstmals wieder mit seiner Ex-Frau konfrontiert. Deren Glaubwürdigkeit sieht die Staatsanwaltschaft Regensburg als schwer erschüttert an. Wegen des Verdachts der Falschaussage ermittelt die Staatsanwaltschaft Nürnberg aber nicht. Die ehemalige Ehefrau hatte im Verfahren 2006 nicht unter Eid ausgesagt. Eine mögliche Falschaussage wäre verjährt, erklärt Antje Gabriels-Gorsolke, Sprecherin der Staatsanwaltschaft Nürnberg.

Gustl Mollath

Könnte bald freikommen: Gustl Mollath.

(Foto: picture alliance / dpa)
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