Möbelhandel:Das große Stühlerücken

Schmuckbild 'Hochsitz'. Überdimensionierter Stuhl auf dem Parkplatz vor dem XXXLutz Aschheim

"Die mit dem roten Stuhl", so geht der aktuelle Werbespruch von XXXLutz. Der österreichische Konzern wächst und wächst.

(Foto: Florian Peljak)

Möbel Mahler verkauft zwei seiner Filialen an den Konkurrenten XXXLutz, die Mitarbeiter müssen gehen. Die Geschichte eines Familienunternehmens, das zu viel wollte.

Von Matthias Köpf

Der Weg in den Untergang ist laut Routenplaner 76,1 Kilometer lang und ohne Stau auf der A 7 in einer Stunde zu bewältigen. So weit liegt das 2013 eröffnete "Möbel Mahler Einrichtungszentrum" in Neu-Ulm vom Stammsitz in Bopfingen am Nördlinger Ries entfernt. Mehr als 40 Millionen Euro hatte das Familienunternehmen laut Juniorchef Michael Mahler nach allerlei Problemen am Ende in die Expansion stecken müssen.

Noch im selben Jahr hat Mahler notgedrungen seine erst 2009 aufgebaute Filiale im sächsischen Siebenlehn an den Konkurrenten Höffner abgegeben. Jetzt müssen auch die Mahler-Häuser in Wolfratshausen und Bopfingen schließen, die Immobilien sind schon an XXXLutz verkauft. Der extragroße und europaweit rasant expandierende Konzern aus Österreich absorbiert kleinere Ketten wie Mahler, von denen in Bayern kaum mehr welche übrig sind, im halben Dutzend. Doch zuvor hat sich Mahler an sich selbst verschluckt.

Hart umkämpfter Massenmarkt

"Riesengroß und riesig nett" wollte Mahler schon in seiner Radiowerbung seit den späten Achtzigerjahren sein, und kleiner als riesig geht es auf dem hart umkämpften Massenmarkt mit seinen geringen Margen längst nicht mehr. Die Verkaufsfläche in Neu-Ulm ist mit 74 000 Quadratmetern fast doppelt so groß wie in Bopfingen - und groß genug, um die eigenen Kunden dorthin zu locken, wo auch der Konkurrent Inhofer nicht weit ist.

Wachsender Wettbewerbsdruck und ein "immer stärker werdender Kannibalisierungseffekt durch den Standort Neu-Ulm" habe die Schließung in Bopfingen und Wolfratshausen notwendig gemacht, ließ Mahler vor einigen Tagen mitteilen. Michael Mahler räumt "strategische Fehler" ein, die nun das Lebenswerk seines Vaters Gerhard zum Einsturz bringen.

Der hat aus der 1900 gegründeten Schreinerei seines Großvaters, die im Wirtschaftswunder zu einem kleinen Möbelhandel aufblühte, von 1974 an die regionale Möbelhaus-Kette gemacht, die es nun zerreißt. Der Vater werde jeden Tag mit dem Auto am verkauften Stammsitz vorbeifahren müssen, sagt Michael Mahler mit belegter Stimme. Oft genug wird die Fahrt eine gute Stunde dauern, knapp 80 Kilometer. Bis Neu-Ulm.

Der Gewerkschafter ist wütend

Das Mitleid darüber hält sich bei einem wie Georg Wäsler in Grenzen. Wäsler ist Gewerkschafter, Handelsexperte bei Verdi in München. Wörter wie "Kannibalisierungseffekt" gehören eher zu seinem Wortschatz als zu dem eines Unternehmers. Doch Wäsler findet noch ganz andere Worte in seiner Wut darüber, wie es in Wolfratshausen und Bopfingen nun zu Ende geht.

Eigentlich ist Verdi mit Mahler immer gut ausgekommen, trotz des Austritts aus der Tarifbindung vor einigen Jahren. Doch jetzt müssen die 260 Mitarbeiter in Wolfratshausen und die 340 in Bopfingen unbedingt gehen, bevor Lutz kommt. Die Österreicher wollen die Häuser nur ohne Personal. Ohne alte Verträge, ohne jahrelang angesammelte Abfindungsansprüche und ohne Betriebsräte, die es in dem verschachtelten Konzern aus Wels oft schwer haben. "Besenrein" nennt das die Branche.

Für Michael Mahlers Empfinden waren die Lutz-Leute jedenfalls immer faire Verhandlungspartner, aber mit einigen ganz klaren Positionen. Zum Beispiel in dem Punkt mit den Häusern und dem Personal. Mit Menschen hätten aber auch die drei anderen Unternehmen, mit denen man verhandelt habe, die beiden Häuser nicht gewollt.

Schon Ende Januar sollen die Lichter ausgehen

Möbelhandel: "Riesengroß und riesig nett", so ging einst der Werbespruch von Möbel Mahler. Das Familienunternehmen ist am eigenen Wachstum gescheitert.

"Riesengroß und riesig nett", so ging einst der Werbespruch von Möbel Mahler. Das Familienunternehmen ist am eigenen Wachstum gescheitert.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Aus Sicht des Gewerkschafters Wäsler macht Mahler für Lutz mit der Schließung "noch die Drecksarbeit". Das Geld für die Abfindungen werde schon Teil des Kaufpreises sein, mutmaßt er. Um für die Mitarbeiter möglichst viel herauszuholen, müsse man nun herausfinden, in welcher der vielen GmbHs, aus denen auch die Mahler-Unternehmungen bestehen, der Kaufpreis denn lande. Zumindest ein bisschen Geld muss noch da sein, denn in die Insolvenz haben die Mahlers ihre GmbHs bisher nicht geschickt.

In Wolfratshausen habe man auch niemals Verluste gemacht, soll Gerhard Mahler dem Bürgermeister nach dessen Angaben gesagt haben. Trotzdem hängt die Insolvenz als Drohung über allen Verhandlungen, denn dann würden kürzere Kündigungsfristen und geringe Abfindungsansprüche gelten. Am Freitag wollen die Mahlers mit den Betriebsräten über einen Sozialplan reden. Schon nach dem Ausverkauf im Weihnachtsgeschäft sollen Ende Januar die Lichter ausgehen.

Am Verhandlungstisch wird dann auch der Wolfratshauser Betriebsratsvorsitzende Thomas Kohlert sitzen. Er war am Dienstag in einen Konferenzraum am Münchner Flughafen bestellt worden, wo Gerhard und Michael Mahler die Schließung und den Verkauf der Häuser an eine Gesellschaft verkündeten, die stets im Umfeld von Lutz auftaucht.

Die Mitarbeiter waren im Herbst erleichtert, und dann kam Lutz

Auch der Anwalt, den die Mahlers mitgebracht hatten, ist schon häufiger für Lutz aufgetreten. Er wirbt für sich als Spezialisten für Betriebsübergänge, doch nach Ansicht der Gewerkschaft hat er den klaren Auftrag, einen solchen Betriebsübergang samt Personal gerade zu verhindern. Öffentlich haben Mahler und Lutz ihr Geschäft erst eingeräumt, als es nicht mehr zu leugnen war.

Dabei waren sie in Wolfratshausen schon erleichtert gewesen, nicht an Lutz zu geraten. Im September hatten Branchendienste von einer Möbelmesse Gerüchte über einen Verkauf von Bopfingen und Wolfratshausen an Lutz in die Welt getragen. Gerhard Mahler hatte aber nur Verhandlungen über eine Kapitalbeteiligung bestätigt, um Mitte Oktober als Ergebnis zu verkünden, dass man beide Standorte behalten, aber dem Lutz-Einkaufsverbund Giga beitreten und die Österreicher mit zehn Prozent an Neu-Ulm beteiligen werde. Die Mitarbeiter atmeten auf - bis ihnen nun die Luft weggeblieben ist.

Lutz könnte die Modernisierung angehen

Thomas Kohlert, der am kommenden Freitag wieder am Flughafen erwartet wird, sieht sich und die Kollegen hinters Licht geführt. Er glaubt, dass nun Lutz die Modernisierung des Hauses in Wolfratshausen angehen wird - mit Geld, das Mahler nach Angaben des Juniorchefs nicht mehr aufbringen könnte. Lutz wird im reichen Süden von München wohl auch die längst genehmigten Ausbaupläne von 30 000 auf 50 000 Quadratmeter Verkaufsfläche aus der Schublade ziehen, in der Mahler sie jahrelang liegen ließ.

Lutz bestätigt bisher nur das Immobiliengeschäft, hält sich mit konkreten Plänen aber bedeckt. Nach ein paar Monaten wird aber wohl auch in Wolfratshausen ein riesiger roter Stuhl stehen. Lutz legt auf sein Markenzeichen so großen Wert, dass er es im niederösterreichischen St. Pölten eigens zum Kunstwerk erklären ließ, um es in die Stadt wuchten zu dürfen. Die Stühle der Mitarbeiter stehen dann vor der Tür.

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