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Modellbau-Affäre:Was Haderthauer jetzt droht

Der Druck auf Christine Haderthauer wächst. Sollte gegen die Aufhebung ihrer Immunität kein Einspruch eingelegt werden, könnte die Staatsanwaltschaft bereits am Donnerstag mit ihren Ermittlungen beginnen. Was auf die Staatskanzleichefin nun zukommt und wie die Stimmung an der CSU-Basis ist.

Christine Haderthauer droht die Aufhebung ihrer Immunität, dann könnte die Staatsanwaltschaft gegen sie und ihren Mann in der sogenannten Modellbau-Affäre ermitteln. Vorerst bleibt die bayerische Staatskanzleichefin aber im Amt. Wie es jetzt weitergeht:

Wann beginnt das Ermittlungsverfahren?

Wie alle bayerischen Abgeordneten genießt Christine Haderthauer Immunität. Diese soll die Funktionsfähigkeit des Parlaments sicherstellen. Eine Strafverfolgung von Abgeordneten ist laut Landtag nur nach dessen Genehmigung möglich, es sei denn, ein Parlamentarier wird bei der Ausübung der Tat oder im Laufe des folgenden Tages festgenommen. In Bayern erleichtert ein vereinfachtes Verfahren den Staatsanwälten die Arbeit. Um ein Ermittlungsverfahren einzuleiten, reicht es, die Immunität zeitweise außer Kraft zu setzen - wie nun im Fall der Modellbau-Affäre. Dazu muss die Staatsanwaltschaft die Landtagspräsidentin informieren und diese wiederum den Verfassungsausschuss. Innerhalb von 48 Stunden kann der dann Einspruch einlegen. Laut Oberstaatsanwalt Ken Heidenreich, Sprecher der Staatsanwaltschaft München II, läuft diese Frist am Donnerstag im Laufe des Tages ab.

Was sind die nächsten Schritte der Staatsanwaltschaft?

Vorermittlungen laufen bereits seit einigen Wochen, auch eine Hausdurchsuchung soll es schon gegeben haben. Sollte kein Einspruch eingelegt werden, kann die Staatsanwaltschaft am Donnerstag offiziell mit ihrem Ermittlungsverfahren beginnen und etwa Zeugen befragen. Bislang ist nicht klar, wie gravierend die Vorwürfe gegen Haderthauer sind und um welche Summen es geht. Ob die Staatsanwaltschaft nur wegen Betrugs ermittelt oder auch wegen Steuerhinterziehung - wie manche Medien berichteten -, wollte Sprecher Heidenreich am Mittwoch nicht sagen. Haderthauer schreibt allerdings auf ihrer Facebook-Seite:

Bis ein Ermittlungsverfahren abgeschlossen ist, können Wochen vergehen. Wollen die Staatsanwälte dann Anklage erheben oder einen Strafbefehl erlassen, müssen sie das beim Landtag beantragen. Dieser stimmt dann über die Aufhebung der Immunität formell ab - in der Regel eine bloße Formsache.

Was droht Haderthauer?

Vorerst bleibt die Staatskanzleichefin im Amt. Haderthauer brachte zur Krisensitzung am Dienstag eine Stellungnahme ihres Anwalts mit, dass sie die Anschuldigungen "voll umfänglich widerlegen kann". Für Seehofer stand danach fest: "Allein die Aufnahme von staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen begründet keine Notwendigkeit, personelle Konsequenzen zu ziehen." Er hofft nun auf ein schnelles Verfahren. Sollte danach wirklich Anklage erhoben werden, wird er seine Meinung über die Personalie wohl ändern. Wie der Fall von Ex-Bundespräsident Christian Wulff zeigt, bricht gelegentlich auch eine Anklage in sich zusammen. In den vergangenen Jahren reichte oft schon der bloße Verdacht, um eine politische Karriere zu beenden. Haderthauer und Seehofer wollen in diesem Fall wohl gegen den Trend ankämpfen.

Wie ist die Stimmung in der CSU?

"Es kommt grad vieles zusammen", sagte Dietmar Helm, CSU-Fraktionschef im Fürther Stadtrat am Mittwoch. "Und das Blöde ist, dass wir draußen dann immer die Prügel abbekommen." Der Fall Georg Schmid, der EX-CSU-Fraktionschef soll jetzt vor Gericht, habe diese Stimmung sehr befeuert, "was Schmid offenbar gemacht hat, das geht einfach nicht". Würden Politiker ihrer Vorbildrolle nicht gerecht, habe das schlimme Folgen für die gesamte Gesellschaft. Und Haderthauer? "Auch problematisch", sagte Helm, warnte aber gleichzeitig vor Schnellschüssen in der Beurteilung.

In Haderthauers Stimmkreis Ingolstadt steht man hinter der Direktkandidatin. "Es bleibt der Staatsanwaltschaft nichts anderes übrig, als der Anzeige nachzugehen", sagte Joachim Genosko, CSU-Fraktionsvorsitzender im Stadtrat. "Wenn dann nichts rauskommt, ist es für uns, als hätte das Ermittlungsverfahren nie stattgefunden." Nach einem Rücktritt rufe in Ingolstadt derzeit keiner. "Ich kann nicht erkennen, dass es die Arbeit auf kommunalpolitischer Ebene beeinflusst, ich bin nicht einmal sicher, in wie weit es auf der Straße bereits angekommen ist."

Aber es gibt auch andere Stimmen in der CSU. Stimmen, die zwar nicht Seehofers Festhalten an Haderthauer kritisieren, aber die Deutlichkeit seiner Wortwahl mindestens bemerkenswert finden. "Er hat seine Hand neben die von Christine Haderthauer ins Feuer gelegt", sagte ein Abgeordneter. "Und er weiß um das Risiko, dass er sich verbrennen kann." Denn wenn das Ganze für Haderthauer schlecht ausgehe, sei auch Seehofer beschädigt.

Was will die Opposition tun?

Die Oppositionsparteien im Bayerischen Landtag fordern die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Modellbau-Affäre. Haderthauer habe die Fragen an sie bislang nur unzureichend beantwortet, Berichtsanträge im Rechtsausschuss des Landtags seien von der CSU blockiert worden. "Wenn unserer legitimen Forderung nach einem Berichtsantrag nicht nachgegeben wird, können Grüne und eine weitere Oppositionsfraktion ohne weiteres auch einen Untersuchungsausschuss einsetzen", erklärte die Grünen-Politikerin Ulrike Grote.

Tatsächlich gehören Untersuchungsausschüsse zu den Minderheitsrechten der Opposition in Bayern, ein Fünftel der Mitglieder des Landtags kann die Einsetzung dieses Kontrollgremiums erzwingen. Voraussetzung ist, dass die Untersuchung im öffentlichen Interesse liegt. "In diesem Rahmen haben die Untersuchungsausschüsse die erforderlichen Beweise zu erheben", heißt es in einer Erläuterung des Bayerischen Landtags. "Der Ausschuss hat insbesondere ein Recht auf Aktenvorlage gegenüber Regierung, Behörden und Gerichten."

Noch ist es aber nicht so weit, erklärte Grote. Die drei Oppositionsparteien im Landtag, neben den Grünen sind das SPD und Freie Wähler (FW), seien sich einig, dass ein Untersuchungsausschuss notwendig sei. Auch SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher hält ihn für "unausweichlich", nimmt damit aber eine andere Position ein, als sein Parteikollege Horst Arnold. Der frühere Richter sagte am Mittwoch: "Es sollte nicht üblich sein, dass wir parallel zu Ermittlungsverfahren einen Untersuchungsausschuss machen."

Egal, worauf sich die Oppositionsparteien einigen, während der Sommerpause wird sowieso nichts aus dem Untersuchungsausschuss. Erst Ende September setzt der Landtag seine Arbeit fort. Bis dahin müsste sich die Opposition noch einigen, etwa auf einen gemeinsamen Fragenkatalog.

SPD-Generalsekretärin Natascha Kohnen will es nicht bei einem Untersuchungsausschuss belassen. Sie fordert Ministerpräsident Horst Seehofer zum Handeln auf. "Um Schaden von Bayern abzuwenden, muss Ministerpräsident Horst Seehofer die Staatskanzleichefin zum Rücktritt drängen." Am Dienstag hatte Seehofer diese Forderung noch abgewiesen und Haderthauer sein Vertrauen ausgesprochen.

Was steckt hinter der Modellbau-Affäre?

Im Fokus der Ermittlungen steht die Firma Sapor Modelltechnik. Das kleine Unternehmen verkaufte Modellautos, die von psychisch kranken Straftätern relativ günstig produziert wurden. Der frühere Geschäftspartner Roger Ponton sieht sich von den Haderthauers falsch über die Gewinne informiert. Im Jahr 2011 hat er eine Abfindung von 20 000 Euro für seinen früheren Anteil erhalten. Ponton ist überzeugt, dass er geprellt wurde; die Staatsanwaltschaft will der Sache nun auf den Grund gehen.

Unterlagen des Gewerberegisters belegen, dass Haderthauer an Sapor Modelltechnik beteiligt war. Ihr Name tauchte erstmals in einer Eintragung vom 11. Juli 1990 auf - als eine von drei geschäftsführenden Gesellschaftern. Ende 2003 sei Haderthauer aus der Beteiligung ausgeschieden, ihren Gesellschaftsanteil habe sie "an ihren Mann" übertragen. Ihr Engagement in der Firma, so betonte Haderthauer stets, habe also vor ihrem Eintritt in die Landespolitik geendet. Einem tz-Bericht zufolge prüft die Staatsanwaltschaft derzeit auch, ob die 51-Jährige womöglich bis 2007 in die Geschäfte der Firma verwickelt gewesen sei.

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